Extra Krimi Paket Sommer 2021. A. F. Morland
beteiligt, die sie von anderen krummen Geschäften schon kannten, aber leider noch nie vor Gericht hatten überführen können. Darauf - und nur darauf - kam es an.
Dass Ellwein gerne internationale Ringe, sozusagen Mafia im Frack, aufdecken würde, verstand Gönter zwar, aber in Wahrheit interessierte es ihn nicht. Darüber sollten sich seine Vorgesetzten den Kopf zerbrechen, er brauchte handfeste Tipps und Hinweise auf illegale Importe und Exporte. Handfeste, brauchbare und vor allem richtige Tipps. Was nutzte ihm Agentengeschwätz, der Irak habe sich mit Indonesien zusammengetan, um über Singapur elektronisches Material aus Japan zu beziehen? Sobald die Ware in Deutschland zwischenlandete, wurde sie lohnend. Nur dann!
Offiziell war er zwar zur loyalen Kooperation mit den Diensten vergattert worden, aber bei den monatlichen Berichten, die er im Amt abstattete, registrierte er seit Jahresanfang spürbare Zurückhaltung. Und mit Weinert, der hinter jedem Baum einen Verfassungsschädling witterte, kam er inzwischen überhaupt nicht mehr klar. Das grenzte doch mittlerweile an Paranoia! Diesen Eschenbach in aller Öffentlichkeit als Waffenschieber vorgeführt, mit Hilfe der Presse und des Fernsehens und der äußerst hilfreichen Kollegen von der Steuerfahndung, bewirkte mehr Abschreckung als komplizierte Überwachungen, deren Ergebnisse sich in Nebel auflösten. Deshalb hatte Gönter auch verschwiegen, dass Eschenbach einen obskuren politischen Studienkreis finanzierte. Denn Weinerts Tölpel kriegten es in ihrem Übereifer fertig, daraufhin einen so schönen Fang wie heute zu vermasseln, weil sie das Wild vergrämten.
In seiner Wohnung fand Gönter ein Fax mit zwei Wörtern vor: Weinert kocht. Kein Absender.
Gönter faxte an Ellwein zurück. Nicht zu viel Salz in die Suppe.
Freitag, 15. September
Angi - also Angela oder Angelika, die Wirtin - war noch bleicher als an den Tagen zuvor. Ihre Hände zitterten, sie hatte wenig oder schlecht geschlafen. Nach der kurzen Szene, in der Olli seine Frau gestern Abend verscheucht hatte wie ein lästiges Insekt, glaubte Rogge Gertruds Andeutung unbesehen, dass die Ehe nicht funktionierte, und überlegte müßig, warum diese Frau einen solchen Rüpel geheiratet hatte.
Zwar schien die Sonne unverändert, aber es war kühler geworden und am Nachmittag zogen Wolken auf. Schloss Falkenberg enttäuschte ihn, die zehn Mark Eintritt fand Rogge ausgesprochen happig und die Führerin mit Nickelbrille und schmalen Lippen leierte ihren Sermon herunter, als hasse sie alle Touristen und speziell Schlossbesichtiger. Mit dem Bus fuhr er nach Herlingen und ging ins Revier.
Wibbeke bot wieder Kaffee an: »Sie sehen besser aus, Herr Kollege.«
Dass er sich auch besser fühlte, wollte Rogge nicht zugeben. »Herr Wibbeke, erzählen Sie mir etwas über den Wirt und die Wirtin des Bären?«
»Ach du meine Güte.« Der Oberkommissar raufte sich die Haare. »Da sind Sie gleich über das große Drama des Dorfes gestolpert.«
»Tja, wofür hat man eine Spürnase.«
»Ja, ja. Also. Angelikas Eltern gehörte der Bär. An sich ein nettes Ehepaar, ordentlich, zuverlässig, fleißig, aber irgendwie keine Wirte. Ich hab mich da auch nie wohl gefühlt und heute glaube ich auch zu wissen, warum, die beiden Vogts schämten sich ihres Berufs.«
»Weil sie was Besseres sein wollten?«
»Nein, nein, sie waren nicht hochmütig, aber irgendwie immer auf Abwehr. Und dann so schrecklich bemüht, das nicht merken zu lassen: Gefällt es Ihnen, geht es Ihnen gut, was können wir für Sie tun - also, es passte einfach nicht zu einer Dorfkneipe.«
»Und Tochter Angelika sollte auf keinen Fall Wirtin werden.«
»Genau so. Na ja, der Mensch denkt, der Trieb lenkt, die schöne Angi wurde schwanger.«
»Sagen Sie bloß, von diesem Bierfass Olli.«
»Ach was, doch nicht von dem. Den Vater - also: den Erzeuger - hat Angi eisern verschwiegen. Aber nun war was unterwegs, die Schande, so galt das noch auf dem Dorf, war kaum noch aufzuhalten, und der alte Vogt verheiratete sein einziges Kind mit Anton Lohse.«
»Genannt Olli.«
»Ein ziemlicher Tunichtgut. Aber was soll ich Ihnen sagen: Mit dem Bären geht’s seitdem aufwärts. Olli verkörpert alles, was ein Wirt nicht sein soll, er ist mürrisch und unfreundlich und grob, aber der Laden läuft, und ich denke mir, der alte Vogt hat Ollis Wirtsqualitäten erkannt.«
»Was ist aus dem Kind geworden?«
»Tot. Überfahren vor - ich glaube, vier Jahren.« Wibbeke fluchte leise und sehr unfein. »Fahrerflucht.«
»Wie hat es Angi aufgenommen?«
»Sie schweigt seitdem. Und Olli ist richtig aufgeblüht, seit ihm der Bastard nicht mehr jeden Tag über die Füße stolpert.«
Rogge nickte und spielte mit seiner Zigarette, bevor er seufzend über die Hürde sprang: »Herr Kollege, ich wohne im Bären. In einem kleinen Gästehausanbau im Garten, acht Zimmer und alle modern eingerichtet, mit Telefon, Fernseher, Bad. Wie hat Olli das finanziert? Doch nicht mit dem Ertrag aus dem Bären.«
»Wahrscheinlich nicht. Ich vermute mal, mit Angis Mitgift. Den Vogts gehörte ziemlich viel Land, das sie verpachtet hatten, und das hat Olli Stück für Stück verkauft. Der Bär ist übrigens nicht immer so leer wie jetzt, im Hochsommer gibt’s im Stockbachtal einen bescheidenen Tourismus.«
»Das hat so viel gebracht?«
Nach einer Weile schaltete Wibbeke und lachte gutmütig: »Vergessen Sie die Quote nicht.«
»Welche Quote?«
»Die Milchquote. Offiziell betrieb der alte Vogt einen Milchwirtschaftshof mit hundert Stück Großvieh. Im Sinne des Gesetzes war er Bauer und Eigentümer. Und für die Quote soll der alte Lehnert eine Unsumme gelöhnt haben, wie man munkelt, aber die Bauern geben sich dumm und sind gerissen, die wissen ganz genau, wann sie schweigen müssen.« Über seine Grimasse musste Rogge laut lachen. »Übrigens auch vor der Polizei und dem Finanzamt.«
»Olli und Angie haben keine Kinder?«
»Nein ... Herr Rogge, Ihren mitleidigen Blick sparen Sie sich lieber auf.“ Angi könnte gehen, wenn sie wollte, so viel Angst vor dem Gerede der Leute und der Schwäche seiner Tochter hatte der alte Vogt nun auch nicht. Es gibt einen Ehevertrag, der Bär gehört ihr und Olli ist nur Angestellter seiner Frau.«
»Was Sie so alles wissen«, stichelte Rogge und Wibbeke schmunzelte: »Viel Wissen ersetzt die halbe Arbeit.«
»Haben Sie eigentlich mal im Bellhorner Motel nach Inge Weber recherchiert?«
»Ich nicht und so viel ich weiß, Grem auch nicht. Aber ich glaube, die wären zu mir gekommen, wenn diese Frau dort Gast gewesen wäre.«
»Warum sollten die das tun, Herr Kollege?«
»Weil die beiden Eigentümer wissen, dass wir einen Blick auf sie und ihre Gäste haben. Wenn da Volljährige ihre Nächte miteinander verbringen, geht uns das nichts an, aber manche Schläferinnen sehen etwas sehr jung aus, und den Skandal möchte sich das Motel nicht leisten, dass wir da eines Nachts laut klopfen und brüllen: Ziehen Sie sich etwas über und halten Sie Ihre Personalausweise bereit!«
»Fahren Sie bitte einmal hin und erkundigen Sie sich offiziell? Ich möchte mich da nicht blicken lassen.«
»Geht in Ordnung, Herr Rogge.«
Vor dem Revier gab Rogge seinem inneren Schweinehund einen Tritt und marschierte den Weg zurück nach Stockau am Bach entlang. Simon würde schäumen, wenn er hörte, wie sein Erster Hauptkommissar den Fall anging, mit langen Wanderungen und Schlossbesichtigungen, doch wenn Simon ihm diese Urlaubsmasche verbieten wollte, musste er mit der vollen Wahrheit herausrücken.
Wibbeke würde im Motel nichts erreichen, aber es war gut, wenn möglichst weit gestreut wurde, dass die Kripo den Fall Inge Weber nicht ad acta gelegt hatte.
Vor Stockau wurde Rogge von einem