Extra Krimi Paket Sommer 2021. A. F. Morland

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Jahr. An dem Abend haben Sie sich oben auf der Feltenwiese herumgetrieben.«

      Sichtlich angewidert inspizierte Kili Bennos trautes Heim. Als sein wachsender Ekel ein bestimmtes Maß erreicht hatte, zog er den Totschläger aus der Jackentasche und begann ihn mit dem Taschentuch zu polieren. Benno verschluckte sich vor Schreck und hustete.

      »Ich warte, Herr Brockes.«

      »Vor einem Jahr? Wie soll ich heute noch wissen, wo ich vor einem Jahr war.« Über diese Replik freute Benno sich und nahm zur Belohnung schnell einen Schluck.

      »Oh, ich glaube, diesen Abend haben Sie nicht vergessen.«

      »Doch.«

      »Kaum. Wir haben einen Zeugen aufgetrieben, der Sie an diesem Abend dort gesehen hat. Und auch das, was Sie getan haben.«

      Kili gähnte, Rogge hatte ihm erzählt, was er Monika Ziegler versprochen hatte, und deshalb mussten sie dieses Schmierentheater spielen.

      »Dann wissen Sie’s ja schon.«

      »Ja, aber wir würden es gerne von Ihnen hören.«

      »Kann mich nicht erinnern.«

      »Das war der Abend, an dem auf dem Parkplatz diese Frau gefunden wurde, die ihr Gedächtnis verloren hat.«

      »Schon möglich.«

      »Und von dem Zeugen wissen wir, dass Sie genau zu der Zeit, als die Frau dort ankam, auf dem Parkplatz gewesen sind.«

      Benno erstarrte. Kili schob spielerisch die Finger durch die Ringe des Totschlägers und hauchte auf die blanke Fläche. Rogge senkte den Blick und beobachtete Benno. Wenn sie ihn jetzt nicht bluffen konnten ...

      »Mehr noch, Herr Brockes. Dieser Mercedes aus Hannover ist nicht direkt weggefahren, der Fahrer hat sich im Wald versteckt. Und hat Sie die ganze Zeit über genau beobachtet.«

      Zehn Sekunden, zwanzig Sekunden, Himmel, wann entschloss er sich ...

      In dem Augenblick schoss Benno hoch wie eine Rakete, der Tisch kippte um, er hatte zum Sprung angesetzt, aber Kilis Aufmerksamkeit unterschätzt, der mit einer Hand elegant, fast lässig, die rutschende Pistole aus Bennos Reichweite wischte und mit der anderen nach dem Heranhechtenden schlug. Der Totschläger traf Bennö genau unterhalb des Halses, das hielt das stärkste Schlüsselbein kaum aus, und Benno brüllte vor Schmerz, während er zu Boden krachte, dass die Dielen knackten und das ganze Häuschen erbebte. Ob Kili ihn wirklich für so gefährlich hielt oder irgendwie seine Wut über den verpatzten Nachmittag mit Jasmin rauslassen musste - plötzlich bewegte er sich sehr schnell und landete mit beiden Knien in Bennos Nieren und das Gebrüll ging in ein Geheul über, das Steine erweichen konnte. Dann klickten die Handschellen, Kili erhob sich und schnipste den Staub von den Hosenbeinen: »Ein selten dummer Bock, Chef. Willst du nicht ein paar Minuten frische Luft schnappen?«

      »Ich brauche ihn lebend, Kili.«

      »Das halte ich für einen Fehler. Dreck gehört in die Mülltonne.«

      »Vergiss nicht, wir sind Polizisten.«

      »Klar, aber seine Aussage steht gegen unsere beiden. Was ist nun, Chef? Nur zwei Minuten.«

      »Nein, erst mal sehen, ob er nicht vernünftig geworden ist.«

      Was Benno von diesem Dialog mitbekommen hatte, war nicht klar, er wimmerte und schluchzte leise.

      »Steh auf, du Hurensohn.«

      »Ich kann nicht ...«

      »Wetten, dass du kannst?« Kili hob einen Fuß und Brockes wälzte sich herum: »Nein, nein ...«

      »Na siehst du, geht doch.«

      Rogge schwieg. Er verabscheute Gewalt, und das nicht nur, weil die Dienstvorschrift sie verbot. Aber er konnte den Spaziergang mit Monika nicht vergessen und deshalb gönnte er dem Hinkenden die Schmerzen, Gewalt war eine Sprache, die der verstand, vielleicht sogar die einzige. Auf allen vieren kroch Benno zum Sofa und quälte sich hinauf; die Handschellen saßen stramm.

      »Lass mir die Waffe hier und sieh dich mal um. Mich interessiert vor allem ein Gewehr.«

      »Mach ich, Chef, und falls er muckt - nur ein Wort und ich bin da.«

      »Also, Brockes, der 15. September.« Rogge steckte die Waffe in die Jackentasche.

      Der Zeuge lag Brockes schwer im Magen, vor allem, dass Rogge von dem Mercedes, der da weggefahren war, etwas wusste.

      Ja, er war oben gewesen. Rogge schaute an ihm vorbei und fragte nicht, was er auf der Feltenwiese getrieben hatte. Der Luxusschlitten war weggefahren und Benno war aus lauter Langeweile auf den Parkplatz gelaufen. Nur so, wirklich, ohne Grund. Ob er den Zuhälter für Andrea spielte und sich in der Nähe aufhielt, falls einer ihrer Freier schwierig wurde oder nicht löhnen wollte? Oder, auch das traute Rogge dem Kerl zu, Autos ausräumte, wenn Andrea es unbedingt im Gras treiben wollte? Auf dem Parkplatz war niemand gewesen, als Benno ankam. Kein Mensch, kein Auto. Bennos Blick flackerte und Rogge nickte nachdenklich. Jödel zum Beispiel, der unbedingt pinkeln musste: Ob der für die zwei, drei Minuten, die er im Wald verschwunden war, wirklich seinen Wagen abgeschlossen hatte? Viele Fahrer warfen wichtige Dinge einfach auf die Rückbank, da genügte ein schneller Griff, und wenn die Bestohlenen den Verlust bemerkten, waren sie weit weg und konnten sich nicht mehr daran erinnern, wann sie die Jacke, den Fotoapparat, die Aktentasche zuletzt gesehen hatten. Wenn Brockes sich als Parkplatzräuber betätigte, war er jedenfalls nicht aufgefallen, Rogge erinnerte sich an einen Bericht der Autobahnpolizei in Grems Akten, wonach auf dem Parkplatz Feltenwiese keine besonderen Ereignisse bekannt geworden waren. Benno hatte da einen Moment rumgestanden und überlegt, was er jetzt machen sollte. Und dann kam plötzlich dieser dicke BMW auf den Parkplatz gerollt, ein Riesenschlitten. Dunkelblau. Ein Siebener, aber so genau kannte Benno sich damit nicht aus. Und hielt vor den Tischen, eine halb nackte Frau stieg aus und setzte sich auf eine Bank. Ganz einfach so, die Fahrertür hatte sie nicht abgeschlossen, sie saß da wie ein Ölgötze und starrte geradeaus. Bewegte sich nicht, rührte sich nicht, also, die hatte sich von dieser Welt verabschiedet. Natürlich war Benno hingegangen, war ja wirklich komisch, so was, nicht? Setzt sich in Slip und BH auf eine Holzbank und lässt die Fahrertür weit offen. Aber sie hatte ihn nicht bemerkt, bestimmt nicht, und er, er hatte sie nicht angefasst, nein, ganz bestimmt nicht, ihm war sogar ziemlich mulmig zumute gewesen, nicht mal angesprochen hatte er sie, viel zu riskant. Tja, und dann - also, wie es genau passiert war, wusste er selbst nicht mehr, irgendwas musste bei ihm ausgerastet haben, plötzlich saß er in dem Wagen hinter dem Steuer, schlug die Tür zu, ließ den Motor an und brauste los. Wirklich, heute könnte er das gar nicht im Einzelnen erklären. Ehrlich nicht. Hatte sich einfach in das Auto geworfen, den Schlüssel gedreht und war losgefahren. Und die Frau hatte sich nicht gerührt, nicht den Kopf gedreht, nicht gerufen, war nicht aufgestanden, nichts. Mensch, Benno schwitzte richtig, als er auf die Autobahn bretterte. Nichts wie weg.

      Rogge lächelte hässlich und Benno fuhr zusammen. Na ja, nun saß er da in dem Wagen, was hätte er machen sollen ...?

      »Wohin haben Sie den BMW gebracht?«

      Hierher. In Dreschbach/Bellhorner Berge runter von der Autobahn und hierher. In den Stall, den er als Garage benutzte. Bennos Augen funkelten hasserfüllt, aber auf seiner Stirn glänzten Schweißtropfen und deswegen regte sich Rogge nicht auf, sondern grinste nur dünn.

      »Was haben Sie mit dem Wagen gemacht?«

      »Verkauft.« Benno quetschte jeden Buchstaben heraus.

      »Sie meinen - verschoben. Woher hatten Sie denn einen Abnehmer? Oder haben Sie schon häufiger gestohlene Autos verkauft?«

      Nein, nie, es war der erste Wagen. Bestimmt. Und einen Abnehmer hatte Benno nicht, er hatte schließlich mit Olli gesprochen, im Vertrauen, und dieses Schwein von Wirt hatte die Hälfte des Geldes als Vermittlungsgebühr eingestrichen.

      »Das Kennzeichen, Brockes.«

      »Weiß ich nicht mehr. Eine Hamburger Nummer.«


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