Extra Krimi Paket Sommer 2021. A. F. Morland
abmontiert und am nächsten Tag auf die Müllkippe gebracht.«
»Und was ist mit den Wagenpapieren?«
»Mann Gottes, glauben Sie, die hätt ich aufgehoben? Ab in den Ofen.«
»Wem gehörte denn der Wagen?« Ganz ruhig, Jens, noch durfte der Kerl nicht abblocken oder aus Trotz zu mauern anfangen.
»Einem Zinneck. Hans Zinneck.«
»Den Namen hast du behalten?« Erst hinterher erschrak er, jetzt duzte er Benno auch schon, doch der Hinkende hatte nichts bemerkt.
»Ja, hab ich.«
»Zinneck - wie schreibt sich das?«
»Mit zwei n und ck.«
»Die Frau hatte doch sicher auch einen Führerschein dabei.«
»Ja, hatte sie. Charlotte Zinneck. Dusseliger Name.«
Rogge schwindelte vor Erleichterung. Endlich ein Name, ein Anhaltspunkt. Hans und Charlotte Zinneck. Ein in Hamburg zugelassener BMW der 7er Klasse. Und das Verrückte war, dass er Bennos Geschichte sogar glaubte. Was immer Inge Webers Gedächtnis geraubt hatte - es war nicht auf dem Parkplatz geschehen, sondern früher, bei einer anderen Gelegenheit, bei der sie ihre Kleidung verloren oder ausgezogen hatte.
»Was ist mit den anderen Sachen aus dem BMW? Mit ihrer Handtasche zum Beispiel?«
»Alles gleich auf die Müllkippe.«
Aber vorher hast du schön alles gefilzt, ergänzte Rogge. Die Intelligenz mochte Benno nicht gepachtet haben, aber er war gerissen genug, alle Dinge sofort zu vernichten, die ihn als Dieb überführen konnten. Und wenn nicht Benno so schlau gewesen war, dann hatte Olli dafür gesorgt.
»Na ja, so weit stimmt das mit der Zeugenaussage überein«, murmelte Rogge scheinbar unschlüssig.
Bennos hoffnungsvolles Grinsen erlosch. Was war denn noch? Er hatte doch alles ausgepackt! Draußen war es seit einiger Zeit verdächtig still und Rogge grinste zufrieden, als Kili just in diesem Moment in das Zimmer kam. Unterbrich nie einen Typen, der sich zum Singen entschlossen hat! Erste Vernehmungsregel.
Bennos Gesicht verfiel. Denn Kili schwenkte ein Gewehr, das er mit einem Taschentuch umfasste: »Chef, das Kaliber stimmt. Jede Wette, dass diese Missgeburt auf dich geschossen hat.«
»Nein!«, heulte Benno auf, doch Kili musterte ihn angeekelt: »Gib dir keine Mühe. Morgen liefern uns die Ballistiker den Beweis, dass du nicht nur wegen Raubes, schweren Diebstahls und schwerer Körperverletzung, sondern auch wegen versuchten Mordes dran bist. Dich werden wir für lange Zeit aus dem Verkehr ziehen, Bürschchen.«
Sie lieferten einen sehr kleinlauten Benno auf dem Revier in Herlingen ab; Wibbeke hatte es wohl nicht mehr in seinem Garten ausgehalten und war zum Dienst erschienen.
»Ist dieser Dreckskerl eigentlich schon mal ED-behandelt worden?«, tönte Kili so laut, dass Wibbeke die Stirn runzelte. »Aus diesem Gewehr hat er auf meinen Chef geschossen, darauf nehme ich jede Wette an, und ich sage euch: Manchmal könnte ich ihn auch umlegen, aber das ist mein Privileg, da pfuscht mir so ein Schwachkopf nicht rein!«
Die Revierbeamten staunten, Wibbeke schaltete und kniff vergnügt ein Auge zu.
»Außerdem Widerstand gegen die Staatsgewalt, nee, der Junge ist dran.«
»Okay, die Nacht wird unruhig, unsere beiden Jungen da unten heulen schon, als seien die kalten Puter im Anmarsch.«
Alles Schau, und Wibbeke hatte es durchschaut, aber er spielte mit und deshalb wurde Benno unnötig rücksichtslos in den Keller geschubst.
Rogge seufzte, als sich die Tür geschlossen hatte: »Es war ein Eiertanz. Er glaubt an einen nicht existenten Zeugen, noch. In Wahrheit ist es eine Zeugin, die Benno vergewaltigt und bedroht hat, und sie hat Angst, ihn zu belasten.«
»Ein Scheißspiel«, murmelte der Oberkommissar. »Sie wollen nicht ...?«
»Nein, ich hab ihr mein Wort gegeben. Anders hätte sie mir überhaupt nicht geholfen.«
»Ja«, meinte Wibbeke nach einer Pause flach. »Manchmal muss man ...«Er brachte den Satz nicht zu Ende und das machte ihn noch sympathischer.
Vor dem Revier verkündete Rogge leise: »Ich habe Hunger auf Buletten mit Röstzwiebeln und Essiggurken und Schmalzbrot. Und Durst auf Altbier und Samtkragen.«
»Mit anderen Worten: Du willst dich bei Gunda besaufen.«
»Ich lade dich ein.«
»Jasmin wird sich nach mir verzehren.«
»Nein, sie verzehrt irgendwo stilvoll ein Mehr-Gänge-Menü.«
»Und ein anderer zahlt für sie. Bei Kerzenschein und Champagner, ich darf nicht daran denken. Ich nehme deine Einladung an.«
XI.
Schippel hatte Durchfall, ganz ordinären, brutalen Dünnschiss, der einfach nicht aufhören wollte. Alle halbe Stunde packte ihn der Krampf, dann konnte er nur noch wie ein Verrückter aufs WC rasen und beten, dass nicht alle Kabinen besetzt waren. Von Mal zu Mal, so bildete er sich ein, wurden die Schmerzen schlimmer, so was hatte er noch nicht erlebt. Schuld war natürlich dieses verdammte Kraut, er hätte nach der ersten Portion, die wie hart gewordene Essiggurken schmeckte, ablehnen sollen, aber Kitty platzte fast vor Stolz über ihren kulinarischen Frevel. Selbst eingelegt, selbst gewürzt, selbst gesäuert, schmeckte es ihm etwa nicht? Nein, hätte er am liebsten gebrüllt, doch feige, wie er war, hatte er geschwiegen und Bier nachgeschüttet, um diese magenzerfressende Säure zu neutralisieren. Nein, nicht nur feige, zum ersten Mal hatte sie ihn in ihre Wohnung eingeladen und natürlich hatte er sich mehr erhofft als Bier und Essig. Ihr schien es nichts auszumachen, ihr Magen bestand wohl aus - um Himmels willen, es ging schon wieder los!
Pfefferminztee und trockener Zwieback. Wenn er aufstieß, fühlte er, wie es ihm die Speiseröhre spaltete. Im Bett waren sie nicht gelandet; als Schippel ihre Bluse aufknöpfte, bekam sie Migräne. Wozu also das Opfer? Sterbensübel hockte er auf dem Klo und schwor sich, Kitty aufzugeben. So gut konnte sie im Bett gar nicht sein, um diese Qualen zu rechtfertigen.
Und die Scheißkantine hatte natürlich noch geschlossen.
Lauwarmer Tee und Zwieback. Davon hing jetzt sein Überleben ab. Er musste raus aus dem Bau, zum Teufel mit dem Computer, wo war das nächste Geschäft?
Den ersten Zwieback erbrach er umgehend. Und dieser Durst! Eine mitleidige Seele organisierte ihm den Schlüssel für das Krankenzimmer, beim dritten Versuch behielt er Tee und Zwieback bei sich und schlief vor Erschöpfung auf der Liege ein.
Gegen 15 Uhr wankte er wieder in sein Zimmer, hockte sich an seinen Schreibtisch, den Kopf auf beide Fäuste gestützt, und stierte vor sich hin. Der Griff nach der Tastatur zählte zu den unbekannt gebliebenen Heldentaten des männlichen Geschlechts. Achtzig Meldungen waren aufgelaufen und die Anfrage nach Zinneck, Charlotte und Zinneck, Hans hätte er beinahe überlesen.
Pertz schluckte und atmete dreimal tief durch, bis er wieder mit normaler Stimme fragen konnte: »Wann ist die Anfrage eingelaufen?«
»Um 8.06 Uhr.«
»Und das erfahre ich erst jetzt?«
Schippel wollte zu einer Erklärung ansetzen, aber ein gütiges Geschick bewahrte ihn vor diesem Fehler, deshalb schwieg er. Nachdem Jockel Pertz wortlos aufgelegt hatte und nur stumm über die Kooperation von Bundesnachrichtendienst und Bundeskriminalamt fluchte, rief Schippel Kitty an und sagte unter einem Vorwand ihre Verabredung ab.
Montag, 25. September
Seit Sonnenaufgang regnete es, staubfeiner Niesei schwebte herab, genug, um die Windschutzscheibe zu verschmieren, zu wenig, um die knarzenden Scheibenwischer ruhig zu stellen. Es war empfindlich kühl geworden, was Rogge in einem Punkt nicht störte, seine Sommerhosen und -jacketts hatten in den