Die Überlebenden von Atlantis. Frank Joseph

Die Überlebenden von Atlantis - Frank Joseph


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Angriff gegen Merenptahs Ägypten zerschmetterten die Seevölker diesmal die vordersten Verteidigungslinien. Mit massiver Kraft breiteten sich die Marinesoldaten und die Infanterie über das Delta aus. Eine Stadt nach der anderen fiel vor dem Ansturm, bis sogar die großen administrativen und religiösen Zentren in Memphis und Heliopolis besetzt waren.

      Diesmal drangen die atlantischen Kriegsschiffe auch tatsächlich in den Nil vor. Lange Reihen der riesigen Schiffe begannen, den heiligen Fluss hinaufzusegeln. Ihre Breitsegel und die monströsen vogelköpfigen Vordersteven versetzten die einheimische Bevölkerung in Panik, so dass sie mit ihrer Armee nach Süden floh. Inzwischen überwältigten libysche Truppen die Grenzbefestigungen im Westen und drangen so tief in ägyptisches Gebiet ein, dass sie sich bald mit den nördlichen Invasoren zu verbinden drohten. Nach wenigen Tagen waren die meisten Hauptziele von den Atlantern eingenommen, darunter wichtige Städte wie Busiris. Das gesamte Delta war kurz davor, in ihre Hände zu fallen.

      Doch kurz vor Sais, als die Streitkräfte der Seevölker sich daran machten, die massiven Tore dieser antiken Stadt anzugreifen, wurden die eindringenden Schlachtkreuzer, die Vorhut der gesamten Armada, von einem Geschwader kleinerer Kriegsschiffe herausgefordert. Angesichts der Bedeutung von Sais war der wilde Mut der Ägypter keine Überraschung. Doch auch sie konnten sich nicht gegen die viel größeren angreifenden Schiffe durchsetzen. Die Reste des dezimierten Geschwaders flohen den Fluss hinunter, die angreifenden Eroberer dicht hinter sich. Nicht weit vom Schauplatz ihrer Niederlage entfernt verließen die anscheinend fliehenden Kapitäne den Nil und fuhren in einen seiner Nebenarme. Die Atlanter nahmen an, der in Panik geratene Feind sei auf dem Weg zu seinem Heimathafen, und folgten den Booten, begierig darauf, das Hauptquartier der ägyptischen Seestreitmacht zu zerstören.

      Die Flüchtigen bogen von dem Nilarm ab und durchquerten eine lange, schmale Bucht, die auf beiden Seiten von Steilhängen beherrscht wurde. Dicht auf ihren Fersen segelte der Hauptteil der atlantischen Schiffe, doch keine Werften, Hafenanlagen oder vor Anker liegenden Kriegsschiffe säumten die beiden Ufer. Nur ein paar Schiffe des kürzlich geschlagenen Geschwaders kamen in Sicht. Die Invasoren gruppierten sich zum Kampf um. Ihre größeren Kriegsschiffe manövrierten sich in Position. Ihre tiefen Kiele liefen jedoch einer nach dem anderen auf unsichtbaren Untiefen auf Grund. Die Schlachtkreuzer stauten sich kreuz und quer, während sich die Seeleute unter lauten Befehlen und Gegenbefehlen mit Tauen und Stangen abmühten.

      Während sie noch mit der wachsenden Verwirrung im seichten Wasser mit zu wenig Platz zum Manövrieren beschäftigt waren, schossen plötzlich neue Geschwader ägyptischer Kriegsschiffe von beiden Enden in die Bucht. Zusammen mit den Resten der Flottille aus Sais fielen sie die unbeweglichen feindlichen Ungetüme von allen Seiten an. Brandsätze wurden an Bord der Schiffe geworfen, bis ihre riesigen Segel in Flammen aufgingen. Große schwarze Rauchschwaden stiegen von der sich ausbreitenden Feuersbrunst auf den Schiffen in den Himmel. Weitere ägyptische Schiffe, mit regulären Truppen beladen, drängten in die überfüllte Bucht. Taue mit Enterhaken wurden über die Seitendecks geworfen, und ganze Meuten von Enterern folgten, die inmitten der Brände auf den halbzerstörten Schiffen zum Nahkampf ansetzten.

      Währenddessen erhielten die Krieger der Seevölker, die immer noch in Sais wüteten, Nachricht von den Kämpfen. Daraufhin entsandten sie eine große Zahl von Streitwagen, die mit voller Geschwindigkeit zur Rettung eilen sollten. Dunkle Rauchwolken, die von dem brennenden Pech aufstiegen, wiesen ihnen schon von weither den Weg. In ihren Karren und Streitwagen trugen sie Faltflöße, die ausreichen würden, um bewaffnete Männer über die kurze Wasserstrecke in die Kampfzone zu tragen. Ihre Ankunft an dem Ufer, das den Kämpfen am nächsten war, wurde von den bedrängten Soldaten an Bord der atlantischen Schiffe mit lautem Jubel begrüßt. Während sie noch hastig ihre Flöße zusammensetzten, erschienen jedoch plötzlich mehrere Kompanien von Bogenschützen und Schleuderern, die von Ramses persönlich angeführt wurden, auf den Hügeln hinter und neben ihnen. Sie ließen einen Hagel von Pfeilen und Steinen auf die überraschten Invasoren niederregnen, die zu Hunderten unter dem unerbittlichen Trommelfeuer fielen (siehe Abb. 2.3). Vielleicht hundert Mann, meist Wagenlenker, suchten ihr Heil in der Flucht. Kaum mehr überlebten auf dem Schlachtfeld und kapitulierten schließlich.

      Als alle Hoffnung auf Rettung vom Land her verloren war, gaben auch die meisten der Atlanter an Bord der belagerten Schiffe auf. Einigen wenigen gelang es mit dem Mut der Verzweiflung, aus der Bucht des Todes auszubrechen, doch ihre Erleichterung war nur von kurzer Dauer. Zu ihrem Entsetzen versperrten hunderte weiterer ägyptischer Kriegsschiffe voller Feuertöpfe und Bogenschützen den Nil in ganzer Breite. Einige der Schlachtkreuzer verfingen sich in einem Gewirr von Tauen, die zwischen den Booten gespannt waren, und wurden in die Gefangenschaft gezogen, aber die Strömung war mit denen, die standhielten und so schnell wie möglich zum Mittelmeer weiterfuhren. Als die halbverbrannten Schiffe endlich die Freiheit des offenen Meeres erreichten, um sich der Reserveflotte am nördlichen Ufer des Deltas anzuschließen, war fast die Hälfte der Invasionsflotte verloren gegangen.

      Abb. 2.3. Atlantische Invasoren fallen durch ägyptische Bogenschützen, die das Nildelta verteidigen. Kampfszene an den Wänden der Tempelanlage von Medinet Habu.

      Der Hauptteil der Truppen der Seevölker – etwa vierzigtausend Mann – war jedoch immer noch bestrebt, die Kontrolle über Sais zu übernehmen. Die Ägypter behaupteten jetzt den Nil zu beiden Seiten des südlichen Deltas. Ohne ihre unterstützenden Schiffe waren die Eindringlinge auf zwei von drei Seiten eingeschlossen. Ramses landete praktisch seine gesamten Streitkräfte, etwa fünfzigtausend Krieger, oberhalb der Stadt, marschierte in Eilmärschen von einem Arm des Flusses zum anderen und schloss den Feind im unteren Delta ein. Sobald die Falle zugeschnappt war, befahl er den Vormarsch.

      Plötzlich erfuhr der Pharao, dass weitere dreißigtausend Libyer vom westlichen Delta aus herbeieilten, um ihren in die Enge getriebenen Verbündeten zu Hilfe zu kommen. Er war jetzt in Gefahr, von beiden Seiten von Feinden eingekesselt zu werden. Um seine südliche Offensive gegen die Seevölker nicht abbrechen zu müssen, ging er das Risiko ein, alle seine Streitwagen abzuziehen. Er formierte sie zu einer einzigen Kompanie und schickte sie ohne Infanterieunterstützung los, um die Libyer aufzuhalten. Die Wagenlenker protestierten, weil sie zahlenmäßig mindestens eins zu fünf unterlegen waren, aber Ramses weihte sie in seine Pläne ein und konnte ihnen damit zeigen, dass die Operation nicht so selbstmörderisch war, wie es schien. Er gab ihnen seine Befehle und schloss sich dann wieder dem Vormarsch gegen die Atlanter an.

      Der zähe Widerstand der Seevölker wurde nicht nur von ihrer prekären Lage angefacht, sondern auch durch ihr Wissen, dass die Libyer im Anmarsch waren, um sie zu befreien. Wenn die umzingelte Truppe nur lange genug durchhielte, bis diese kämen, würden die Ägypter zwischen den zwei Hälften der Invasionsmacht zerrieben werden. Ramses trieb seine Offensive stetig voran, und der Feind gab jedes Stück Boden nur widerwillig auf. Allerdings waren die Verluste auf beiden Seiten hoch, und der ägyptische Fortschritt verlangsamte sich, da die Streitwagen des Pharaos fehlten. Die Last des Kampfes ruhte ausschließlich auf der Infanterie. Die Feinde im Westen – die Libyer – müssten jeden Moment auftauchen, und die Ägypter wären dann von beiden Seiten mit Angreifern konfrontiert.

      Die Strategie des Pharaos war jedoch vorausschauender und wurde auch genauestens ausgeführt. Seine Wagenlenker vermieden nämlich die Konfrontation mit dem anmarschierenden libyschen Gegner und schwärmten stattdessen den ganzen Weg um ihn herum nach hinten aus. Die Ausführung dieses Manövers dauerte so lange, dass die angreifenden Libyer die Streitmacht von Ramses beinahe schon erreicht hatten, als seine Streitwagen endlich ihren koordinierten Überraschungsangriff aus drei Richtungen starteten – von Norden, Nordosten und Nordwesten. Die Abruptheit dieses dreifachen Angriffs versetzte die Libyer in Panik, so dass sie buchstäblich in die Speere der Nachhut des Pharaos hineinstolperten und kapitulierten, bevor viel Blut vergossen worden war und die hoffnungsvollen Atlanter Zeit gehabt hatten zu reagieren.

      Die Seevölker widersetzten sich zwar weiterhin den Ägyptern, waren nun jedoch hoffnungslos unterlegen. Ihre Invasion brach zusammen, doch der Krieg war damit noch


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