Kartoffelschaukochen, illegale Kämpferinnen und Krieg. Katharina Scharf
Aufmarsch der Jugendlichen des BDM und der HJ bei Wettkämpfen der Deutschen Arbeitsfront zugunsten des Winterhilfswerks in Salzburg, Oktober 1938.
Noch einschneidender für die Frauenschaft war die Gründung und Etablierung des großen Konkurrenten, der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV), die nun wesentliche karitative Aufgabenbereiche übernahm.27 Die NS-Frauenschaft hatte von Beginn an Kindergärten, Kindergruppen, Mütterheime und Pflegestationen betrieben und versuchte weiterhin, sich als „die“ wohlfahrtspflegerische Organisation zu präsentieren – ohne Erfolg: Die Fürsorgeaktivitäten der Frauenschaft und des Frauenwerks wurden, mit Ausnahme der Mütterschulungen28 und Kindergruppen, zwangsweise auf ein Minimum reduziert. Erst 1939 konnte die NSF noch einmal einen „Zugewinn“ für sich verbuchen: Im April des Jahres übergab ihr die NS-Volkswohlfahrt die Nähstuben samt Inventar. Auch die Kindergruppen der Frauenschaft konnten ausgebaut werden. Durch den steigenden Bedarf an Unterbringungsmöglichkeiten für Kinder appellierte die NSV sogar an die NSF, die Angebote diesbezüglich auszubauen. So sehr die NS-Frauenschaft Konkurrentin war, so sehr war man doch auch auf Kooperation angewiesen. Die NSV-Führung schaltete die NSF zwar als Akteurin auf dem Gebiet der Fürsorge aus, doch die Mitglieder der Frauenschaft sollten für die Volkswohlfahrt durchaus mobilisiert werden. In Salzburg betraf das zum Beispiel die Betreuung von Bedürftigen, das Sammeln und Sortieren von Kleidungsstücken, die Ausgaben von Lebensmitteln oder Gutscheinen, den Bahnhofsdienst, die Lazarettbetreuung, Hilfeleistungen im Rahmen der Rachitisbekämpfung, Schulausspeisungen oder den Einsatz für die Wehrmacht.29
Werbung für den Beitritt zur Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt, hier vor dem Schloss Mirabell 1938.
Wenngleich also die NS-Frauenschaft und das Deutsche Frauenwerk in einigen Bereichen beschnitten und die Tätigkeitsfelder der Frauen eingeschränkt wurden, so konnte Reichsfrauenführerin Scholtz-Klink die Institutionen doch festigen und als große Frauenorganisationen etablieren. Die NS-Frauenschaft war ab 1931 die einzige parteiamtliche Frauenorganisation und wurde durch die „Verordnung der Durchführung des Gesetzes zur Einheit von Partei und Staat“ am 29. März 1934 eine Gliederung der Partei. Das Deutsche Frauenwerk blieb neben der NSF als Ergänzung bestehen, war aber ein eingetragener Verein mit eigener vereinsrechtlicher Vermögensverwaltung, der an die Partei angegliedert war. Das heißt, die Frauenschaft (NSF) und das Frauenwerk (DFW) waren zwar eigentlich zwei getrennte Einrichtungen, doch realiter so eng miteinander verbunden, dass sie häufig als eine Einheit beschrieben wurden – als NSF/DFW. Die NSF war allerdings die Eliteorganisation, in der die „Führerinnen“ tätig waren und ausgebildet wurden; das DFW hingegen fungierte als das Sammelbecken für alle Frauen, die entweder aus den vorhergehenden Vereinen aufgenommen wurden oder als Einzelmitglieder eintraten. Die Leiterinnen in der NS-Frauenschaft hatten automatisch auch Führungspositionen im Deutschen Frauenwerk inne – dies galt von der Reichsfrauenführung bis zu den untersten Ebenen.
Die NS-Frauenschaft sollte vor allem für die politische Schulung ihres „Nachwuchses“ verantwortlich sein. Im Organisationsbuch der NSDAP von 1937 heißt es: „Die NS-Frauenschaft hat die Aufgabe, dem Führer politisch und weltanschaulich zuverlässige Führerinnen zu erziehen […].“30
„Wir wollen eine Weckung, Erziehung und Erneuerung der Frau zu ihrer Aufgabe als Hüterinnen des Quellgebietes der Nation: des nationalen Liebeslebens, der Ehe, Mutterschaft und Familie, des Blutes und der Rasse, der Jugend und des Volkstums. Von der leiblichen und geistigen Mutteraufgabe der Frau im Volksganzen aus ist ihre gesamte Erziehung, Bildung, Berufsausübung und Stellung in Volk und Staat zu regeln.“31
Grundsatz der NS-Frauenschaft
Die NSF strebte eine „Frauen-Erneuerungsbewegung“ an, die sich gegen die „Zerstörung der Frauenehre“ wandte. Dagegen wollte man einen „neuen deutschen Frauenwillen“ errichten und sich beim Kampf zur Errichtung des „Dritten Reiches“ engagieren. Die alte „demokratisch-liberalistisch-internationale“ Frauenbewegung sei abzulehnen, da diese nur einen Konkurrenzkampf mit dem Manne hervorgerufen und nicht auf die „in Gott und ihrem Volkstum verwurzelte Frauenseele“ geachtet habe.32 Bereits der Deutsche Frauenorden hatte seine christliche Gesinnung durch das Motto „Glaube, Hoffnung, Liebe“ zum Ausdruck gebracht – die Schlagworte aus Paulus’ ersten Brief an die Korinther. Auch die NS-Frauenschaft sah eine wichtige Aufgabe darin, die christlich-weibliche Bevölkerung anzuwerben. Der Eindruck der Kirchenfeindlichkeit der NSDAP sollte widerlegt und dagegen die Übereinstimmung zwischen den Auffassungen des Nationalsozialismus und der Kirchen auf sittlich-moralischer Ebene betont werden. Während die NS-Propaganda bei den strenggläubigen Katholikinnen nur schwer Anklang fand, gewannen die NSDAP und damit auch die NSF unter den evangelischen Frauen schneller an Terrain.33 In Österreich sollte durch die beschönigende Werbung hinsichtlich der Kirchen- und Religionspolitik in erster Linie freilich die Wählerinnenschaft der Christlichsozialen Partei abgeworben werden.
Um den Elitecharakter der Organisation nicht zu gefährden, wurden genaue Richtlinien festgesetzt, welche Frauen in die NS-Frauenschaft aufgenommen werden konnten. Um Aufnahme konnten jene ansuchen, die über eineinhalb Jahre eine führende Position in anderen NS-Organisationen ausgeübt hatten. Dazu zählten beispielsweise Leiterinnen des Deutschen Frauenwerks, des Bundes Deutscher Mädel, des Reichsarbeitsdienstes (RAD) oder der Arbeitsgemeinschaft Nationalsozialistischer Studentinnen (ANSt). Nachdem zu wenig junge Frauen der NSF beitraten und auch Generationenkonflikte zwischen den älteren Frauen und den jungen Mädchen keine Seltenheit waren, wurden NSF-Jugendgruppen eingerichtet, in welche die jungen Frauen nach ihrer Zeit beim BDM eintraten.
Bernhard Rust, Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, besucht im Mai 1940 das Mozarteum, wo Studentinnen Kostproben ihres Könnens geben.
Die Reichsfrauenführung beziehungsweise die Frauenschaft und das Frauenwerk pflegten eine rege Zusammenarbeit mit anderen NS-Einrichtungen. So kooperierte man mit dem Nationalsozialistischen Lehrerbund (NSLB) zu Fragen der Mädchenerziehung, mit dem Reichsnährstand (RNSt) in der Landfrauenschulung, mit der NS-Volkswohlfahrt im Reichsmütterdienst sowie bei der Schulung von Erzieherinnen, Kindergärtnerinnen und Jugendleiterinnen, darüber hinaus teilweise mit der Reichsjugendführung bei Fragen über die Erziehung der Mädchen im BDM und mit den Studentinnen der ANSt zu Fragen über die weibliche Schulung im Studium. In der Stadt Salzburg betraf das etwa die Studentinnen des Mozarteums. Die Einrichtung wurde im Juni 1939 vom Konservatorium zur Hochschule erhoben und machte damit die ehemaligen Schülerinnen geradezu über Nacht zu Studentinnen, was eine Organisation in der ANSt erforderte.
Albert Reitter, Präsident der Stiftung Mozarteum (sitzend ganz rechts), und Reichsminister Bernhard Rust (sitzend links) lauschen der Sängerin Rosl Schwaiger und der Studentin Ilse Wiedmann auf der Blockflöte.
Die Struktur der NS-Frauenschaft und des Deutschen Frauenwerks wurde der Einteilung der Partei entsprechend in Gau-, Kreis- Block-, Zellen- und Ortsgruppenleiterinnen vorgenommen. Anfänglich hatten die NSF-Führerinnen noch eine sehr schwache Stellung und keine eigenen Befehlsrechte. Disziplinär waren sie ihren männlichen Vorgesetzten unterstellt. Nach massiven Protesten stärkte Reichsorganisationsleiter Gregor Strasser dann aber doch ihre Kompetenzen. Die Gaufrauenschaftsleiterinnen waren nunmehr Mitglieder der Gauleitung und gehörten – zuerst im Rang von Gaufachberaterinnen, dann als Hauptabteilungsleiterinnen – dem Stab des Gauleiters an. Dadurch kam ihnen auch das Recht zu, den ihnen unterstellten NSF-Frauen Anordnungen zu erteilen und in Absprache mit dem Kreisleiter über die Ein- oder Absetzung von Kreisfrauenschaftsleiterinnen zu bestimmen. Die Bedeutungszunahme zeigte sich auch äußerlich. So erhielten alle Frauenschaftsleiterinnen im August 1934, da sie „sinngemäß die Tätigkeit eines Politischen Leiters“ ausübten, einen „allgemeinen Politischen-Leiter-Ausweis – eine Tatsache, die sie nach 1945 vehement abstritten“.34 Sie verfügten