Die Bibliothek des Kurfürsten. Birgit Erwin

Die Bibliothek des Kurfürsten - Birgit Erwin


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seid Ihr sicher«, unterbrach er, als Jakob zu einer hitzigen Antwort ansetzte. »Gut. Die Leiche wurde gestern in den frühen Abendstunden gefunden. Euch festzusetzen, war eine logische Entscheidung.«

      Jakob schnaubte.

      »Und jetzt sagt mir Eure Meinung. Und bedenkt: Je nützlicher Ihr Euch macht, desto geneigter bin ich, ein anderes Quartier für Euch zu finden als das, in dem Ihr bereits genächtigt habt.« Er machte eine bedeutungsvolle Pause. »Ich meine es ernst, Herr Liebig.«

      Jakob rang mit der Versuchung, hier und jetzt den Kerker zu riskieren. Er biss sich auf die Lippen. »Wenn jemand wirklich so tun wollte, als sei es ein Unfall gewesen, ist er schlampig vorgegangen. Ich glaube eher, dass die Identität des Toten verschleiert werden sollte. Getötet hat ihn der Schnitt durch die Kehle. Danach hat ihn sich jemand mit einem Knüppel vorgenommen. Wurde die Kleidung gefunden?«

      »Bisher nicht.« Maxilius deutete auf einen freien Stuhl.

      Jakob setzte sich, um nicht trotzig zu erscheinen.

      »Ich vermute, dass Ihr mir nicht sagen werdet, was Euch nach Heidelberg führt«, bemerkte der Stadtkommandant nach einer Weile.

      »Ich sorge mich um die Menschen, die mir ans Herz gewachsen sind«, erwiderte Jakob giftig.

      »Also nicht.« Maxilius schnippte gegen die Reste der Feder. »Ihr steht noch in den Diensten Herzog Maximilians?«

      »Das tue ich, mit Stolz.«

      »Mit dem Stolz solltet Ihr Euch etwas zurückhalten«, entgegnete Maxilius trocken.

      Jakob presste die Lippen aufeinander. Die drei Männer schwiegen.

      Es war Hermeskeil, der die Stille beendete. »Herr Liebig, Ihr habt Euch vielleicht gewundert, warum der Stadtkommandant mich hinzugebeten hat.«

      Jakob besann sich auf seine gute Erziehung. »In der Tat, Herr Pfarrer.«

      Stadtkommandant und Pfarrer tauschten einen Blick. »Major Maxilius hat mich ersucht, Euch in den nächsten Tagen zu beherbergen.«

      »Beherbergen«, wiederholte Jakob bitter. »So heißt das also.«

      »Ihr könnt gerne in Euer altes Quartier zurückkehren«, beschied ihn Maxilius barsch. »Ganz wie Ihr beliebt. Ohnehin werdet Ihr keinen Schritt machen, ohne dass ich es erfahre.«

      »Das heißt, ich bin Euer Gefangener?«

      »Ihr bewegt Euch in diplomatischen Kreisen«, spottete Maxilius. »Da müsst Ihr doch ein schöneres Wort wissen. Im Übrigen«, er wurde übergangslos ernst, »dient die Maßnahme auch Eurem Schutz. Die Stimmung in der Stadt hat ihren Siedepunkt noch nicht erreicht, das garantiere ich Euch.«

      Jakob dachte an Karius. »Und ich glaube Euch. Daher danke ich Euch, Herr Pfarrer, dass Ihr mich aufnehmt. Ich hoffe, dass ich Euch nicht in Schwierigkeiten bringe.«

      Hermeskeil wollte etwas erwidern, aber Maxilius kam ihm zuvor. »Das wird nicht passieren. Dafür wird mein Leutnant sorgen. Ich sagte doch, dass ich über jeden Eurer Schritte informiert sein werde.«

      »Der Kerker wäre einfacher.«

      Maxilius’ Lächeln wurde breiter, wenn auch nicht wärmer. »Das stimmt, aber solange Ihr auf freiem Fuß seid, könnt Ihr Euch nützlich machen, indem Ihr herausfindet, wer diesen Unbekannten vom Leben in den Tod befördert hat. Denn dazu habe ich wirklich keine Zeit!«

      In der Vorstadt verabschiedete sich Leutnant Karius höflich von Hermeskeil. Was immer die Vereinbarung hinsichtlich seiner Person war, niemand schien es für nötig zu halten, Jakob die Regeln zu erklären. Er dachte an das Heidelberg zurück, das er verlassen hatte, und wieder erfüllte ihn Trauer. In einem hatte Maxilius recht: Es würde schlimmer werden, für sie alle. Natürlich hatte Jakob keine Zweifel, auf wessen Seite Gott letztlich stand, aber der Weg zum Sieg des wahren Glaubens würde blutig werden. Inzwischen öffnete der Pfarrer die Haustür und rief nach seiner Haushälterin. Sie bedachte Jakob mit einem säuerlichen Blick, während sie den Pfarrer begrüßte. Hermeskeil bat sie, für seinen Gast ein Zimmer herzurichten und zu veranlassen, dass sein Gepäck aus Reilings Hof geholt wurde. Bei der Nennung dieses Namens wurde ihr Gesichtsausdruck noch missbilligender. Hermeskeil schmunzelte und führte Jakob die Treppe empor in seine Studierstube. Wenigstens hier hatte sich nichts verändert. Im Kamin knisterten brennende Scheite gegen die Herbstkühle, auf dem Schreibtisch lag eine aufgeschlagene Bibel, und auch das abstoßende Gemälde vom Sündenfall hing am selben Platz. Nur die Schlange starrte noch etwas bösartiger als vor drei Jahren.

      Hermeskeil dagegen strahlte eine Freundlichkeit aus, die von Herzen zu kommen schien. »Nehmt Platz. Machen wir das Beste aus diesen ungewöhnlichen Umständen. Bitte glaubt mir, Ihr seid mir willkommen.«

      »Danke«, erwiderte Jakob steif. »Wenn Maxilius allerdings darauf spekuliert, dass ich Euch Geheimnisse verrate …«

      Hermeskeil hob beschwichtigend die Hände. »Herr Liebig, Ihr seid der Spion, nicht ich. Ich warte darauf, dass die Menschen mir ihre Geheimnisse aus freien Stücken anvertrauen. Wenn sie es nicht tun, nun, dann gibt es immer noch gute Gespräche und guten Wein.«

      »Und Kuchen.« Jakob musste gegen seinen Willen lächeln. »Wie geht es Matthias? Und … Sophie?«

      Hermeskeil ging zum Schrank und entnahm ihm trotz der frühen Stunde zwei Gläser und einen Krug. Jakob kam es vor, als hantiere er unnötig lange damit herum.

      »Herr Pfarrer?«

      »Oh, Euer Freund Matthias hat Ambitionen entwickelt. Nachdem Ratsherr Bonneville gestorben ist, bewirbt er sich um dessen Nachfolge. Außerdem hat er Traugott Krauses Kunden übernommen. Er ist der kommende Mann in Heidelberg.«

      »Hmm«, brummte Jakob. »Und seine Frau?«

      »Sie hatten eine kleine Tochter.« Hermeskeil sah zu, wie der Wein die Gläser füllte. »Sie ist gestorben. Ich leiste der armen Frau Beistand, so gut ich kann, aber … der Schmerz ist sehr frisch. Und sehr tief. Sie hat sich verändert.«

      »Inwiefern verändert?« Endlich stellte sich Jakob den Erinnerungen an die blonde Sophie Abele, ketzerisch, aufmüpfig und absolut reizend. Eine Sekunde lang schien sie leibhaftig im Raum zu stehen und ihm ihr spöttisches Lächeln zu schenken.

      »Sie ist … gläubig geworden.«

      Jakob runzelte die Stirn. »Ist das nicht gut? Ihr seid Geistlicher!«

      Hermeskeil setzte das Glas an. »Natürlich, Ihr habt recht. Es ist immer richtig, Trost bei Gott zu suchen. Und Ihr? Eurer Kleidung nach hat es das Leben nicht schlecht mit Euch gemeint.«

      »Wenn es mich nicht gerade in den Kerker verschlägt.« Jakob rieb an einem Schmutzfleck auf seiner weißen Manschette. »Aber Ihr wolltet mich doch nicht aushorchen.« Er lehnte sich zurück und ließ zu, dass der Wein ihn wärmte. Angeekelt betrachtete er dabei die schwarzen Ränder unter seinen Nägeln. »Und Maxilius ist jetzt Major?«

      »Tja, nach der Niederlage des Kurfürsten hat der Rat händeringend fähige Männer gesucht. Maxilius wurde vor einem Monat endgültig zum Stadtkommandanten befördert. Es gab sonst niemanden, der sich der Verantwortung gestellt hätte.«

      »Nur dass sie keinen Stadtkommandanten brauchen, sondern einen Wundertäter«, entfuhr es Jakob. »Die Spanier stehen im Westen, Tillys Heer im Osten. Eine schier unlösbare Aufgabe.«

      Sie wurden unterbrochen, als die Hauswirtschafterin ein Tablett mit Brot, Käse und einem Krug Dünnbier auftrug. Sie musterte die Gläser strafend. Jakob vermutete, dass Hermeskeil der Gardinenpredigt allein seinetwegen entkam. Als sie den Raum verlassen hatte, schenkte der Pfarrer mit verschmitzter Miene nach.

      »Vielen Dank«, sagte Jakob. »Ein guter Tropfen. Setzen wir unsere Fragestunde fort?«

      »Gerne«, erwiderte der Pfarrer und nippte genießerisch an seinem Wein. »Aber nicht jetzt. Ihr habt ein Bad und eine Rasur nötig. Ich bin sicher, ein Mann wie Ihr ist den Kerker nicht gewöhnt.«

      Jakob errötete leicht. »Nein. Nicht


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