"Bleib schön sitzen!". Eugen Freund


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      FREUND • »BLEIB SCHÖN SITZEN!«

      EUGEN FREUND

       »Bleib schön sitzen!«

       Erlebnisse aus den ersten siebzig Jahren

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      Die Herausgabe dieses Buches erfolgte mit freundlicher Unterstützung des Landes Kärnten.

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      KLAGENFURT/CELOVEC · WIEN · LJUBLJANA · BERLIN

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       www.wieser-verlag.com

      Copyright © 2021 bei Wieser Verlag GmbH,

      Klagenfurt/Celovec

      Alle Rechte vorbehalten

      Lektorat: Josef G. Pichler

      ISBN 978-3-99029-455-0 (Print Ausgabe)

      ISBN 978-3-99047-112-3 (Epub)

       Für Carla und Matthias

      Inhalt

       Als Kind in St. Kanzian

       Sommer am Klopeiner See

       Begegnung mit Friedensreich Hundertwasser

       Auf Visiten mit dem Vater

       Ein Arzt ohne Krankenkassa

       Die lieben Verwandten kommen

       Politisches Erwachen

       Die deutschen Großeltern

       Die Wiener Großeltern

       Der deutsche Großvater

       Nach dem Krieg

       Die Jugendzeit

       Ferialarbeit

       Briefwechsel

       Der Sturm auf die Ortstafein

       Fotogalerie

       Der Anfang im ORF

       Die Galerie meiner Mutter

       Im Außenministerium

       Zu Besuch bei Yoko Ono

       Der Bundespräsident und das Kriegsschiff

       Zurück in den ORF

       Die großen Umwälzungen

       Wieder in den USA

       Neue Rollen

       Nachwort

      U-Boot – das ist die gemeinsame Klammer, die diese Familiengeschichte verbindet. Der eine Großvater war jahrelang auf einem U-Boot unterwegs, der andere Großvater hatte – noch länger – als U-Boot in Wien ge- und überlebt. Der eine im Ersten Weltkrieg, der andere im Zweiten. Der eine als strenger deutsch-nationaler Maschinenbauingenieur, der andere als liberaler Richter, Sohn einer jüdischen Familie aus Prag. Und die Tochter des einen begegnet dann – das Tausendjährige Reich nähert sich bald seinem Ende – in Wien dem Sohn des anderen. Sie gründen eine Familie, ziehen weg aus der Kunst-, Kultur- und intellektuellen Metropole nach St. Kanzian in Südkärnten. Und da beginnen meine Erinnerungen. An die Volksschule, in der Wohnung und Ordination meiner Eltern untergebracht waren; an den Maler Hundertwasser, für den ich als Vierjähriger still sitzen musste; an den beschwerlichen Fußweg zum Bahnhof, an die Zugfahrt, bei der ich in der Gepäckablage über den Sitzen landete; wie sich der Fremdenverkehr am Klopeiner See rasant entwickelte; an die politischen Diskussionen im Gymnasium; an die Briefe von Gerd Bacher und Fred Sinowatz in den 1970er Jahren; an den »Ortstafelkonflikt«; an eine Verfolgungsjagd in New York; an die nicht enden wollende »Waldheim-Affäre«; und an viele andere herausragende Ereignisse. Es ist ein zeithistorischer Rückblick auf vieles, an das sich auch so mancher Leser, manche Leserin erinnern und mit dem er/sie sich auch identifizieren können wird.

      Als Kind in St. Kanzian

      »Vati, schnell, das Auto lollt!« (Wie soll jemand, der noch kein rollendes »r« aussprechen kann, anders über ein rollendes Fahrzeug sprechen?)

      Ganz atemlos kommt der kleine Bub in die Ordination gerannt. Fünf Stufen muss er mit seinen kurzen Beinen erklimmen, dann noch eine, danach zwei lange Gänge, dann noch durchs Wohnzimmer zum Arbeitsplatz des Arztes. Doch der Vater ist nicht interessiert. Er sitzt an seinem Schreibtisch, Marke Gründerzeit, mit einem kleinen Turm, der rechts von der Arbeitsplatte nach oben ragt. In einem kleinen Türchen steckt ein Schlüssel, an der Kette daran hängen zwei weitere Schlüssel. Der Herr Doktor sitzt auf einem hölzernen Sessel, die Sitzfläche und die Rückenlehne sind aus gealtertem Leder. Es knarrt, als er sich zum Buben hinüberdreht. Sein schwarzes, glattes Haar ist streng gescheitelt, der Schnauzer korrekt rasiert, die grauen Augen blicken ernst durch die Brille:

      »Siehst du nicht, dass ich eine Besprechung habe.«

      Neben ihm sitzt eine Dame, vor ihm am Schreibtisch liegt ein Stapel Medikamente. Weil ihm ganz offensichtlich keine Zeit für Argumente gelassen wird (oder weil er noch keine wirklich formulieren kann), läuft der Kleine enttäuscht wieder den Weg zurück: durch die zwei Gänge, dann eine Stufe, über die steinerne Brüstung kann er noch nicht blicken, also muss er wieder ganz hinunter: Vor allem die Stufen, die zum Eingang ins Haus führen, machen ihm zu schaffen. Als er, barfuß wie er ist, im Hof ankommt, ist das Auto, ein VW Kastenwagen, Kennzeichen G 4071, wieder ein paar Meter weiter leicht bergab gerollt, an den vier Gärten vorbei –


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