Lebensläufe Zeitläufte. Karlheinz Gerlach

Lebensläufe Zeitläufte - Karlheinz Gerlach


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      König Friedrich II. fällte nach der Thronbesteigung am 31. Mai 1740 hinsichtlich der Freimaurerei zwei grundlegende Entscheidungen. Der Journal de Berlin ou Nouvelles politiques et littéraires brachte in der ersten Ausgabe vom 4. Juli 1740 die von ihm verfaßte Meldung, daß ein „unglücklicher Verein, dem man, wie es scheint, das gleiche Schicksal bereitet wie den alten Templern“, sich „unter dem hochherzigen Schutz S. M. eine Freiheit versprechen“ könne. Friedrich bezog sich auf den 1312 von Papst Clemens V. aufgehobenen und von dem französischen König Philipp IV. dem Schönen blutig unterdrückten Orden der armen Gemeinschaft Christi und des salomonischen Tempels und auf die Bulle In eminenti Papst Clemens’ XII. von 1738. Die Bulle gebot den Katholiken bei Strafe der Exkommunikation, „weder in die Gesellschaft der Freimaurerei einzutreten, noch die Gesellschaft fortzupflanzen, noch sie zu schützen, noch sie in ihre Häuser oder Paläste aufzunehmen“. Friedrich II. nannte die société beim Namen, nämlich die der Freimaurer. „Sie können ihre Loge unter den Schutz des Thrones stellen und sich einer Ruhe erfreuen, die keine Verfolgung stören wird.“ Am 9. Juli 1740 publizierte der Journal de Berlin die Namen der Mitglieder der Loge du Roi. Die Freimaurerlogen erhielten somit in Preußen staatliche Legalität.

      Friedrich II. initiierte zudem wenige Wochen später in der Haupt- und Residenzstadt Berlin eine zweite, diesmal allen sozietätsfähigen Ständen offene Stadtloge. Er beauftragte damit seinen Sekretär Étienne Jordan, zugleich Sekretär der Loge du Roi. Jordan und die Berliner Kaufleute Philippe Simon, Jean Serre, Paul Benezet und Christian Gregory, sie alle Freimaurermeister, gründeten am 13. September 1740 mit sentement de la Cour, welche sie nachgesucht und erhalten hatten, in dem in der Alt-Köllner Brüderstraße gelegenen Hôtel de Montgobert die gerechte, vollkommene und gesetzmäßige Loge Aux trois Globes (Zu den drei Weltkugeln). Die mit der Autorität des Königs gegründete Loge bedurfte keiner förmlichen englischen Konstitution, was, so die Einleitung der Bundesmatrikel, doch immer mit einer Art von Unterwürfigkeit verbunden gewesen wäre von der Großen Loge zu London, die in Seinem Lande anzunehmen, dies wollte und konnte der Große Friedrich nicht. Jordan nahm an den ersten drei Sitzungen der neuen Loge als Besucher (Visiteur) teil.

      Die Große Loge von London erkannte den preußischen König, den Verbündeten Großbritanniens, als natürlichen Großmeister in Seinem Lande an. Die Freimaurerlogen in Brandenburg-Preußen waren organisatorisch von London unabhängig und nur dem König verpflichtet. Darin unterschieden sie sich von Anbeginn von allen übrigen deutschen Logen, die direkt oder indirekt der maurerisch rechtlichen (gerechten) Anerkennung (Konstitutionspatent) der Großen Loge von London bedurften. Dennoch hielt sich die Loge Aux trois Globes, wie Franz August v. Etzel schrieb, an das englische Konstitutionenbuch, die freimaurerische Verfassung, auch wenn die Sprache französisch war. Das Konstitutionenbuch war auch für sie das eigentliche Gesetzbuch, wenn auch in einer „etwas schwankenden, doch von der englischen im Wesentlichen wenig abweichenden Form“.

      Friedrich II. übertrug sein Recht des Großmeisters, Logen zu konstituieren, ihnen maurerische und staatliche Rechtlichkeit zu erteilen, an die Loge Aux trois Globes. Sie übte das königliche Recht erstmals am 9. September 1741 aus, als sie in Meiningen im Herzogtum Sachsen-Meiningen die Loge Aux trois Boussoles (Zu den drei Kompassen) konstituierte. Das Patent verpflichtete eine Tochterloge, Programm und Statut der Mutterloge zu übernehmen und ihre Führung anzuerkennen. Die Mutterloge zu den drei Weltkugeln schuf einen zunächst lockeren, ab den sechziger Jahren zunehmend fest gefügten Logenbund in und außerhalb Preußens, die Große National-Mutterloge zu den drei Weltkugeln.

      Die Berliner Mutterloge zu den drei Weltkugeln konstituierte in den ersten beiden Jahrzehnten nur wenige Logen und diese ausschließlich in Städten überregionaler Bedeutung: 1741 in der Haupt- und Residenzstadt Meiningen und in Breslau, dem Hauptort des Herzogtums Schlesien, durch diese 1742 in der Kaiserstadt Wien, 1742 in Dresden, der Hauptstadt des Kurfürstentums Sachsen, 1743 in der Universitätsstadt Halle an der Saale und in Neuenburg (Neuchâtel), dem Hauptort des Herzogtums Neuenburg, einer brandenburgischen Exklave in der Schweiz.

      Die Logen beschränkten in den ersten Jahrzehnten aus praktischen Gründen die Mitgliederzahl. Sie nahmen daher den Kandidaten in zwei Schritten auf, zunächst allgemein als Freimaurer und erst dann, wenn er es wünschte und ein Platz frei war, als Mitglied der Loge. Die damalige Zahl der Freimaurer, lediglich einige hundert, war somit größer als die der Logenglieder.

      Die Freimaurer gründeten 1739-1806 in Brandenburg-Preußen in 70 Städten und auf einigen wenigen Herrensitzen 130 Logen (122 Johannislogen in den Graden I-III sowie acht Schotten- bzw. Andreaslogen im IV. Grad, außerdem Logen höherer Grade, Kapitel, Oriente, Stewardslogen zur Logenverwaltung, deren Mitglieder in der Regel die der Johannislogen waren).

      Der Siebenjährige Krieg 1756-1763 warf die preußische Freimaurerei zurück, eröffnete ihr aber auch neue Perspektiven. Französische Kriegsgefangene, Freimaurer, führten die über die Johannisgrade der englischen Maurerei hinausführenden Hochgrade ein, aber auch Bräuche wie die Tafellogen und die Feste. Die über die wahre Freimaurerei zerstrittenen Freimaurer spalteten nach dem Krieg in bitteren und verletzenden Auseinandersetzungen die ursprünglich einheitliche englische Maurerei unheilbar in Richtungen, die so genannten Systeme ― in die weiter arbeitende englische Maurerei (Royale York de l’Amitié, Logen in Westfalen), das Clermont-Rosaische System, den freimaurerischen Tempelritterorden strikter Observanz (Mutterloge Zu den drei Weltkugeln, Mutterloge Zu den drei Kronen), das Zinnendorf-schwedische System (Große Landesloge der Freimaurer von Deutschland), das System der Afrikanischen Bauherren, das Eklektische System.

      Nach dem Siebenjährigen Krieg und den Nachkriegskrisen setzte ein wohl konfliktreicher, dennoch grandioser Aufstieg der preußischen Freimaurerei ein. Die drei Berliner Mutterlogen verschiedenen Systems gründeten und konstituierten in Brandenburg-Preußen, im Reich und im Ausland zahlreiche Tochterlogen in immer mehr Orten mit wachsender Mitgliederzahl auf einer zunehmend breiten sozialen Basis. Die preußischen Könige erteilten den Mutterlogen nach und nach Protektorien, die staatliche Anerkennung, Friedrich II. 1740 der Loge Aux trois Globes und 1774 der Großen Landesloge der Freimaurer von Deutschland, Friedrich Wilhelm II. 1796 der Mutterloge Zu den drei Weltkugeln.

      Die preußischen Logen waren 1764-1798 unterschiedlicher Provenienz, meist jedoch Glieder der Berliner Mutterlogen sowie der Strikten Observanz mit Ordenssitz in Dresden bzw. Braunschweig:

       Große National-Mutterloge zu den drei Weltkugeln (1740)

       Royale York de l'Amitié (1752; 1798 Große Loge von Preußen genannt Royal York zur Freundschaft, genannt nach dem Protektor August Friedrich Prinz von England, Herzog von Sussex)

       Bauherrenloge der Verschwiegenheit der Freunde freier Künste und schöner Wissenschaften (1765-1775)

       Große Landesloge der Freimaurer von Deutschland (1770)

       Mutterloge Zu den drei Kronen in Königsberg/Pr. mit Tochterlogen in Ost- und Westpreußen

       Johannisloge Zu den drei Degen in Halle (Saale), eine Hauskommende der Strikten Observanz, nach deren Untergang selbstständig, ab 28.10.1787 Konstitution der Großen National-Mutterloge zu den drei Weltkugeln

       Großloge von England bzw. Eklektischer Freimaurerbund in Frankfurt am Main (Zur Hoffnung in Duisburg und Ruhrort, Kleve, Aurora zur vollkommenen Gleichheit in Krefeld)

       Großloge der Vereinigten Niederlande (Den Haag) bzw. Grand Orient de France (Johannisloge Pax inimica malis in Emmerich)

       Loge zur Toleranz 1782-1792 in Berlin

       Andreasloge St. Jean de la Candeur (IV. Grad) 1768-1772 in Berlin

       Hoflogen der Prinzen von Preußen Heinrich und Ferdinand in Berlin, der Markgrafen in Schwedt und des Grafen Johann Nepomuk Gotthard v. Schaffgotsch in Berlin.

      Die preußischen Logen standen nach Irrungen Wirrungen um die Jahrhundertwende vor einer Wende. Es galt, sich veränderten politischen und gesellschaftlichen Umständen, den Folgen der Französischen Revolution


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