Spiritualität der Ökumene - Ökumenische Spiritualität. Группа авторов
auch zum ursprünglich Eigenen führen, nämlich weiterer und wachsender Gemeinschaft, auch wenn das fast immer erst nachträglich sichtbar wird?
Was ich hier ausgeführt habe, gilt an vielen „Baustellen“ der Ökumene und macht etwas von der Kehrseite der dunklen Aspekte der Kirchengeschichte deutlich, dass da auch Umkehr-, Erneuerungs- und Veränderungsprozesse vorkommen, in den Vordergrund treten und das Bild bestimmen.
2. Haltungen
2.1 Logik der Spaltung und Logik der Versöhnung
Es geht in ökumenischer Spiritualität und in der Spiritualität der Ökumene um Versöhnung, nicht nur um Lehrkompromisse und Lehrkonsense; es geht um Heilung von Verletzungen, nicht nur um Weite und den größeren Horizont. Die Wahrheit eint nicht schon als solche, sondern nicht ohne Liebe in konkreten Schritten gegenseitiger Vergebung und auf dem Weg der Versöhnung und daher nicht ohne Erkenntnis und Bekenntnis der eigenen Fehler. Weil es keine Ökumene ohne Umkehr gibt, deswegen geht es nicht ohne (gegenseitige) Bitte um und Zusage von Vergebung und Versöhnung.
Auch dazu macht das Ökumenismusdekret Unitatis redintegratio deutliche Aussagen. Es gibt keine Ökumene ohne Erneuerung (renovatio, UR 6), nicht ohne innere Bekehrung, nicht ohne Neuheit des Geistes (UR 7). Dann dort wörtlich: „In demütigem Gebet also erbitten wir Verzeihung von Gott und von den getrennten Brüdern, so wie auch wir unseren Schuldnern vergeben“ [wörtlich aus dem Vater unser].3 „Diese Bekehrung des Herzens und der Heiligkeit des Lebens sind zusammen mit privaten und öffentlichen Bittgebeten für die Einheit der Christen als Seele der ganzen ökumenischen Bewegung zu erachten und können mit Recht geistlicher Ökumenismus genannt werden.“ (UR 8)
Ohne Ökumene fehlt jeder Erneuerung einer Kirche etwas; umgekehrt gelingt Ökumene nie ohne Erneuerung der Kirche. Erneuerung, Umkehr, Bekehrung und Ökumene sind untereinander verbunden wie kommunizierende Röhren.
Es gibt, weil die Geschichte der Christen auch eine Geschichte gegenseitiger Verletzungen ist, – und die erfahrenen Verletzungen werden bei jedem ökumenischen Gespräch zur Sprache kommen oder unausgesprochen im Hintergrund stehen – keine Ökumene ohne Vergebung und Versöhnung. Lehrkonsense, auch weiter reichende differenzierte Lehrkonsense, reichen nicht, Spaltungen und Verwundungen zu heilen. Mögliche Konsense sind nur ein – notwendiger – Teil solcher Heilung.4 Ein klassisches Beispiel für das Gemeinte (bzw. Angemahnte) ist die Nachgeschichte der gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigung (1999 unterzeichnet). Auch da, wo in der Lehre der trennende Charakter der Rechtfertigungslehre überwunden erscheint (nicht von allen wird diese Sicht und Entscheidung geteilt, gerade wegen der ekklesiologischen „Konsequenzen“), können unter dieser Oberfläche einer geschlossenen Wunde noch alle bisherigen Verletzungen leicht wieder aufbrechen, alle Nerven angesichts befürchteter Verletzungen angespannt bleiben und die tradierten Urteile und Erinnerungen leicht neu virulent werden. Daher muss jede ökumenische Spiritualität oder Spiritualität der Ökumene in Substanz und Dynamik eine Spiritualität der Sensibilisierung und der Versöhnung sein. Wie wirksam die alten Wunden und Ängste sofort wieder werden und wie sehr die Wahrheit (Lehrkonsens) in ihrer Wirksamkeit an der glaubwürdigen Liebe hängt, zeigen ebenso die Erfahrungen des katholisch-orthodoxen Dialoges, der in der Frage des Uniatismus zum Stillstand kam und bis heute nicht weiter trägt als das gegenseitige Vertrauen. Wahrheit hilft oder eint nur im Maße der für den Partner glaubwürdigen Liebe, wenigstens der glaubwürdigen Achtung und des Verzichtes auf Überlegenheit durch Macht.
2.2 Leben aus der Begegnung
Wer bereit wird, vom anderen zu lernen, dass ihm etwas und was ihm selber fehlt (das ohne den anderen gar nicht wahrzunehmen ist), und so von der Logik der Selbstgenügsamkeit, der Selbstverteidigung und Selbstbehauptung zur Logik der Versöhnung wechselt; wer an der eigenen Beschränktheit (oder gar Borniertheit), die ihm am anderen aufgeht, diese Beschränktheit mit Hilfe des anderen in Selbstumkehr überwindet, beginnt, statt aus der Logik des Gegensatzes aus der Logik der Begegnung zu leben.
Am ehesten wahrnehmbar wird diese Logik durch ihr Fehlen, wenn sie nicht zur Wirkung und Geltung kommt: Wenn nämlich die Resultate eines Dialoges oder auch eines Konzils einfach als unmittelbar umsetzbare Fertigprodukte weitergegeben und übernommen werden (sollen). Ohne dass die Adressaten und intendierten Rezipienten eines Dialogs oder einer Synode den entsprechenden Dialog- oder Synodalprozess durchgemacht oder wenigstens nachvollzogen haben, fehlen ihnen für die Übernahme und Anwendung der Ergebnisse wesentliche Veränderung ihrer Erfahrung und Prägung ihres Denkens durch den Begegnungsprozess. Kann jemand die Spitze eines Berges als Gipfel und die dort neue und weite Sicht wirklich in ihrer Bedeutung für die Perspektive im Tal einschätzen, wenn er mit dem Hubschrauber hinaufgebracht wurde, statt die Mühen des Aufstieges durchzumachen und seine Sicht Schritt für Schritt zu weiten?
Anders gesagt: Spiritualität der Ökumene lebt, wo Begegnung mit dem anderen geschieht. Sie lebt aus der Begegnung. Sie lebt zutiefst aus dem Überraschenden, aus dem Ungeahnten und in diesem Sinne aus dem Eigenen des anderen, das mir unvertraut war, aber nicht ganz fremd ist bzw. bleibt. Sie lebt vom Neuen, im Glauben so noch nicht Gesehenen, Erlebten, Bedachten, das mich anfragt, in mir arbeitet, mich verändert. Dann ist zu unterscheiden, ob es mehr zur gemeinsamen Mitte und zum gemeinsamen Grund hin oder davon wegführt. Ob es verbindet, einen gemeinsamen Weg eröffnet oder weiter auseinanderführt.
Zwei Beispiele: In der Begegnung mit evangelischen Christen, Kirchen und Theologien haben Katholiken und katholische Kirche deutlich gemerkt, dass die Verkündigung im katholischen Gottesdienst zu kurz kam. Das Wort Gottes musste einen anderen Stellenwert für das Leben des einzelnen, der Kirche, des Gottesdienstes und der Theologie bekommen. Katholische Exegese ging bei den Protestanten in die Schule, besonders in die historisch-kritische Klasse. In dieser Rezeption stellten sich viele bekannte Fragen in einem neuen Kontext. Es blieb nicht bei den bisherigen Antworten und die neuen wirkten auf die alten zurück. Vor allem: Wozu dieses historisch-kritische Unterscheiden? Damit wir, wenn wir das Nötige und das nötige Unterscheiden gelernt haben, wieder intern katholisch sind auf etwas höherem Niveau? Ohne weitere Veränderungen!?
Oder damit wir eine andere Art des Denkens lernen, die methodisch sogar über die Exegese hinausgreift? Was macht dieser „Bazillus“ historisch-kritischen Denkens mit den Katholiken? Lernen wir, zu unterscheiden, genau hinzuschauen, um der Sache und der intellektuellen Ehrlichkeit willen? Das wäre schon sehr viel. Oder um wissenschaftlich auf der Höhe zu sein? Auch nicht schlecht. Oder – und jetzt kommen Interessen und „Ideologien“ ins Spiel, eben die Motive –: Unterscheidet man, um zu vereinen, so ein Buchtitel von Jacques Maritain: Distinguer pour unir5 (so auch der Hl. Geist, vgl. 1 Kor 12.14.), oder unterscheidet man, um Trennung und Autonomie aufrecht erhalten zu können? Um den status quo zu bewahren? Um die Selbstbehauptung nur intelligenter zu gestalten? In den gleichen Fragestellungen kann die gleiche Intelligenz und sogar die gleiche Feststellung mit sehr verschiedenen Motiven verbunden werden, die zu entsprechend verschiedenen Antworten, Haltungen und Strategien führen. Hier kommt erneut und anders die Spiritualität ins Spiel: Von welchen Motiven lässt sich jemand bestimmen, welche sind in ihm am Werk?
Im Ringen der Motive spielen Begegnungen eine entscheidende Rolle. Motive klären sich meistens in Begegnungen.
In der Ökumene entscheiden die Motive über die Ergebnisse mit. Es bleibt nie bei bloßen Feststellungen. Ist Versöhnung gewollt oder nicht? Wer gleicht sich wem an? Wer behauptet sich? Wer ist oder wird stärker? Hier werden leicht alle Ängste und Befürchtungen wach, aber auch alle Machtinstinkte.
Muss der Schwächere weichen? Regiert der Porporz? Gelingt gegenseitige Rücksicht oder Abstimmung oder gar Bereicherung? Kommt es zu einer größeren, gemeinsamen Annäherung an Christus, an die Schrift? Darf das Entdeckte verändernde, verwandelnde Kraft entfalten?
Darf ich mich auf den bisherigen Gegner einlassen? Die letzte Frage kann man klar antworten: Wir haben es getan, bewusst und unbewusst, seit der Reformation. Gestaltbar ist nur das Wie des Sicheinlassens.
Die Reformation und dann auch die katholische Antwort (ob in Trient, als Gegenreformation