Endlich gut drauf!. Gunter Harnisch

Endlich gut drauf! - Gunter Harnisch


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von der Ernährung ab. Kohlenhydrate können helfen, die Nerven zu beruhigen. Aus diesem Grunde essen Menschen, die zu Depressionen neigen, in den dunkleren Wintermonaten mehr Süßigkeiten und mehr Kohlenhydrate als im Sommer. In der Jahreszeit des helleren Lichts befindet sich der Serotoninspiegel auf einem höheren Niveau. Ein hoher Serotoninspiegel senkt den Appetit und stärkt das Sättigungsgefühl. Besteht Serotoninmangel, so fühlen sich die Betroffenen dauernd hungrig. Sie leiden unter Heißhunger. Eine Untersuchung mit 294 Übergewichtigen ergab, dass dicke Menschen einen um die Hälfte niedrigeren Serotoninspiegel hatten. Auch bei anderen Essstörungen wie Ess- und Brechsucht (Bulimie) oder Magersucht (Anorexie) zeigte sich ein deutlicher Serotoninmangel.

      Mehrere klinische Studien weisen nach, dass Serotonin selbst den Schlaf- und Wachzustand kontrolliert. Ohne Serotonin kann man nicht einschlafen. Erst wenn jemand schon eine halbe Stunde geschlafen hat, bildet der Körper aus dem vorhandenen Serotonin in der Zirbeldrüse das Schlafhormon Melatonin, das für mehr Tiefschlaf sorgt.3

      Jede Information – sei es ein Bild, das unser Auge sieht, ein Schmerzreiz oder der Duft von Blumen – wird innerhalb von tausendstel Sekunden über Nervenzellen in das Gehirn weitergeleitet. Dabei muss die Information von einer Nervenzelle auf die andere übertragen werden, denn die Nervenzellen sind nicht direkt, sozusagen nahtlos, miteinander verbunden. Zwischen ihnen ist ein nur etwa 20 bis 30 tausendstel Millimeter breiter Spalt.

      Die Übertragung einer elektrischen Information über diesen Spalt hinweg erfolgt mithilfe sogenannter Neurotransmitter, also biochemischer Botenstoffe, die Reize von einer Nervenzelle zur anderen transportieren. Ort des Geschehens sind dabei die Synapsen (siehe Abbildung Seite 17) als spezielle Kontaktstellen, über die die Nervenzellen miteinander in Verbindung stehen.

      Die synaptische Übertragung von Nervensignalen ist entscheidend für alle Funktionen des Körpers und der Psyche, für Lernen und Gedächtnis, für Bewegung und Erholung, für Stoffwechsel und Organfunktionen. Serotonin spielt hierbei eine entscheidende Rolle.

      Bei Alzheimerdemenz und den vielfältigen Erkrankungen des sogenannten Serotoninmangelsyndroms liegt eine Störung der Übertragung von Nervensignalen vor.

      Synapsenendknöpfchen bei der Freisetzung von Neurotransmittern

      In den 80er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts begann in den USA die Serotoninforschung, die zu einem völlig neuen Blickwinkel auf ein ganzes Bündel unterschiedlicher Krankheiten führte, zwischen denen bis dahin ein Zusammenhang nicht ohne Weiteres erkennbar war. Der Verdacht entstand, dass verschiedene Gesundheitsstörungen letztlich nur Symptome ein und derselben Grunderkrankung sind: des Serotoninmangels. Diesem Verdacht ging eine deutsch-schweizerische Forschergruppe der Universitätsklinik Basel nach und fand ihn komplett bestätigt. Sie fasste alle Krankheiten, die auf einer Störung der Neurotransmitterfunktion beruhen, zu einem Bündel zusammen. Diesem Krankheitspaket gaben die Forscher den Namen „Serotoninmangelsyndrom“.

      Wenn Menschen sich plötzlich einer Gefahr ausgesetzt sehen, mobilisiert ihr Körper sofort alle Kräfte, um der Angst auslösenden Situation zu begegnen und zu fliehen oder sich der Problematik zu stellen (fight oder flight – Kampf oder Flucht). Das geschieht auf diese Weise seit Menschengedenken. Das Gehirn nimmt die Gefahr über die Sinnesorgane wahr und schüttet vor allem den Botenstoff Adrenalin aus. So aktiviert der Körper alles, was für Kampf oder Flucht notwendig ist: Die Muskeln werden angespannt, die Adern verengen sich, damit im Falle einer Verletzung möglichst wenig Blutverlust eintritt. Das Immunsystem gerät in höchste Alarmbereitschaft, um möglichen Infektionen entgegenzuwirken. Endorphine setzen die Schmerzgrenze herauf, sodass man bei frischen Verletzungen zunächst oft überhaupt keinen oder nur geringen Schmerz empfindet. Kurz gesagt: Der ganze Organismus läuft auf Hochtouren.

      Das alles sind biologisch sinnvolle Schutzreaktionen. Nur: Bleibt der Körper infolge von Dauerstress, dem die Menschen heute verstärkt besonders in seelischer Hinsicht ausgesetzt sind, ständig in Alarmbereitschaft, so kann er sich nicht mehr entspannen. Bei zu wenig Stressabbau durch Bewegung lagern sich die mobilisierten Blutfette dann in den Adern ab und führen auf lange Sicht zu typischen Zivilisationskrankheiten wie Herzinfarkt, Schlaganfall und Arterienverkalkung.

      Deshalb ist es so notwendig, regelmäßig für wirksame Entspannung zu sorgen und auf diesem Weg möglichst viel Glücksbotenstoffe zu aktivieren, denn sie sind die Gegenspieler der Stresshormone und können Stressfolgen verhindern.

      Ständiger Stress, Unruhe in der gesamten Lebensführung, ständige Berieselung durch Fernsehen und Radio, Verkehrslärm, berufliche Überforderungen, Kummer, negatives Denken, Hetze, Termindruck, Angst und Aufregungen schaden der Gesundheit ungemein.

      Nach neueren wissenschaftlichen Untersuchungen leidet heute rund ein Drittel aller Kinder und Jugendlichen unter psychosomatischen Krankheitsbeschwerden. Vor allem Mädchen sind betroffen. Sie klagen über Allergien, Asthma, Bronchitis, Hautausschläge und Neurodermitis. Verantwortlich sind längst nicht nur die Schadstoffe aus dem Lebensumfeld. Ursachen sind Stress durch massive Reizüberflutung – nicht nur, aber auch durch die modernen Massenmedien – und Überforderung durch von den Eltern ausgeübten Leistungsdruck. Auch leiden die Kinder häufig unter den Beziehungskrisen der Eltern. „Der Körper sucht sich zur Gegenwehr ein Ventil und findet es in allen möglichen Krankheiten“ – so der bekannte Bielefelder Gesundheits- und Jugendforscher Professor Klaus Hurrelmann. Jedes vierte Kind leidet heute bereits im Grundschulalter an Depressionen.4

      Unsere Gesellschaft lebt immer schneller, wir alle sind gezwungen, unseren Alltag auf der Überholspur zu verbringen. Überall versucht man, noch mehr Zeit herauszuholen – am Arbeitsplatz, aber immer mehr inzwischen auch im Privatleben. Man schläft kürzer, man isst schneller. Selbst das Duschen passiert in aller Eile. Trend-Forscher kommen zu dem Ergebnis, die Generation der sogenannten Netzwerkkinder (damit sind die ab 1980 Geborenen gemeint) sei bereits daran gewöhnt, mehrere Dinge gleichzeitig zu tun. Ruft man heute in einer Firma an, so geschieht es nicht selten, dass der Gesprächspartner zugleich noch ein Gespräch auf einer anderen Leitung führt und seine Aufmerksamkeit zwischen beiden teilt. Um Zeit zu sparen, trinken heute viele Menschen bereits ihren Kaffee (schon der Name „to go“ sagt alles) auf dem Weg zur U-Bahn. Sie verfolgen die neuesten Nachrichten beim Training im Fitnessstudio und telefonieren beim Fernsehen. Nach Umfragen essen und unterhalten sich 24 Prozent der Deutschen vor ihrem Fernsehgerät. Acht Prozent schlafen sogar, während Fernsehsendungen weiterlaufen.

      Multitasking lautet das Fachwort für diesen durchaus umstrittenen Lebensstil. „Multitasking macht krank“, warnen inzwischen Forscher aus den USA. Sie verweisen auf deutliche Aufmerksamkeitsdefizite bei den Untersuchten. Die ständige Überdosis an Informationen aufgrund moderner Technologien führt zu verkürzten Aufmerksamkeitsspannen. Sogar Probleme mit dem Kurzzeitgedächtnis können durch die ständige Reizüberflutung entstehen. Offenbar gibt es Unterschiede in den Reaktionen. Die US-Wissenschaftlerin Carol Kallendorf geht davon aus, dass extravertierte Menschen sich durch „Multitasking“ eher auf Hochtouren gebracht fühlen. Introvertierte klagen dagegen, sie könnten sich nicht mehr auf eine Aufgabe konzentrieren. Alle Energien würden aufgezehrt. Bei ihnen kommt es gehäuft zu psychischen Störungen, wie Schlafproblemen oder Depressionen.

      Allerdings scheint zum Multitasking in den letzten Jahren auch eine Gegenbewegung zu entstehen. Mehr Stress versuchen die Menschen durch mehr Wellness auszugleichen. Wellness ist so gesehen ein Versuch, Zeit zurückzugewinnen. Wir sollten uns alle Mühe geben, wo immer es möglich ist, unser Leben zu entschleunigen und uns mehr Gelassenheit anzutrainieren.

      Nach Untersuchungen der Weltgesundheitsorganisation WHO haben rund achtzig Prozent aller chronischen Erkrankungen einen Bezug


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