Die Liebe ist ein schreckliches Ungeheuer. Franziska Schläpfer
beschrieben werden kann» – und betont, dass ihre Mutter, «dieses ‹Kind›, auch das erwachsene Kind, immer wieder ihren Mann auch als väterlichen Beschützer brauchte und wollte und bei ihm ein Stück jener Geborgenheit nachholte, die sie in der Kindheit vermisst hatte – ein äusserer und innerer Rückhalt, ohne den wohl ihre grosse Aktivität nicht möglich gewesen wäre».
«Die Jahre werden kürzer, der Film läuft schneller» – auch für Martin Hürlimann. «Weltwenden nützen sich ab, aber die Weltneugier hält mich weiter wach.» Die nicht ersehnte Musse beschränke sich auf ein erträgliches Mass. Bettina sei unverdrossen hinter dem Unkraut her, stöbere immer neue Robinsonaden auf und lasse kein neues Buch von Frisch aus. «Bücher, immer wieder Bücher. Und dann ist es wieder da, das lange Weihnachtsmahl.»
In ihren Aufzeichnungen skizziert Bettina Hürlimann jedes ihrer «Sieben Häuser» als Zentrum eines Lebenskreises. Das achte Haus ist die Chesa Barbara, im neunten, dem Zürcher Neumünster-Spital, liegt sie lange vierzehn Monate. «Kann man im Paradies lesen?», fragt sie ihre Tochter Regine und meint: «Hier ist es so dunkel; wir brauchen mehr Licht.» Es ist der 8. Juli 1983, blendend heller Nachmittag, ihr letzter Nachmittag. Sie möchte das Märchen von den Sterntalern nochmals hören – und über das Buch streichen: «Fritz Kreidel, eine schöne Ausgabe.»
Epilog
In seinen letzten Jahren gehören zwei kleine Kreise zu Martin Hürlimanns engsten Begleitern: die Freunde vom Streichquartett und die Kalligrafiegruppe, in der er laut seinen Kindern «immer neu begeisterungsfähig, japanische Schriftzeichen wunderbar schrieb und mit der er eine Japanreise plante». Eine Operation mit Komplikationen, dann eine Lungenentzündung. Seine erste ernsthafte Krankheit habe er mit bewundernswerter Gefasstheit hingenommen und sich bis zum Schluss «fast leidenschaftlich» für das politische Geschehen interessiert. Doch die Betriebsamkeit täuscht, Martin Hürlimann stirbt am 4. März 1984. Für die Abdankungsfeier in der Kirche Zollikon hat er sich den dritten Satz aus Beethovens «Quartett Nr. 15 in a-Moll» gewünscht: «Heiliger Dankgesang eines Genesenen an die Gottheit».
Das Sommerhaus in Caputh, nach dem Krieg von einer Familie aus Leipzig genutzt, 1984 von den DDR-Behörden enteignet, wird 2005 an die Familie Hürlimann rückübertragen und von einem in Berlin lebenden Enkel wieder als Wochenendhaus genutzt. Den Atlantis Verlag – vom Ehepaar Hürlimann «nach eigenen Interessen geformt und verzweigt» – in eine erfolgreiche Zukunft zu führen, war schwierig, steht in der Jubiläumsschrift «80 Jahre Atlantis Kinderbücher». Im Spannungsfeld zwischen alten Idealen und neuer Marktsituation gerät das Unternehmen in eine heikle Phase. 1982 wird der Verlag neu aufgestellt, die Stiftung Pro Juventute übernimmt die Sparte Kinderbuch. 1992 erlischt der verbliebene Verlagsteil, die Rechte an den Musiktiteln erwirbt der Schott Verlag in Mainz. Seit 2003 ediert Orell Füssli das Kinder- und Jugendbuchprogramm unter dem Label «Atlantis». Bettina Hürlimanns Kinderbuchsammlung mit einem exakten Verzeichnis der 4500 Kinderbücher beherbergt das Schweizerische Institut für Kinder- und Jugendmedien.
Quellen
Archiv Christoph Hürlimann und Gespräche mit Christoph Hürlimann.
Hürlimann, Bettina: Sieben Häuser. Aufzeichnungen einer Bücherfrau. Zürich 1976.
Hürlimann, Martin: Zeitgenosse aus der Enge. Erinnerungen. Frauenfeld 1977.
Schwarzenbach, Alexis: Emigrant der allerletzten Stunde. In: Die Zeit, 7.10.2004.
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