Willy Garaventa. Rebekka Haefeli
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Der Verlag Hier und Jetzt wird vom Bundesamt für Kultur mit einem Strukturbeitrag für die Jahre 2016–2020 unterstützt.
Dieses Buch ist nach den aktuellen Rechtschreibregeln verfasst. Quellenzitate werden jedoch in originaler Schreibweise wiedergegeben. Hinzufügungen sind in [eckigen Klammern] eingeschlossen, Auslassungen mit […] gekennzeichnet.
Coverbild: Die Rothorn-Seilbahn in Zermatt (Baujahr 1967).
Lektorat: Rachel Camina, Hier und Jetzt
Gestaltung und Satz: Simone Farner, Naima Schalcher, Zürich
Bildbearbeitung: Benjamin Roffler, Hier und Jetzt
Druck und Bindung: Kösel GmbH, Altusried-Krugzell
ISBN Druckversion 978-3-03919-476-6
ISBN E-Book 978-3-03919-949-5
E-Book-Herstellung und Auslieferung:
Brockhaus Commission, Kornwestheim
© 2019 Hier und Jetzt, Verlag für Kultur und Geschichte GmbH, Baden, Schweiz
Inhalt
Die ersten Garaventa-Seilbahnen
Garaventa-Bahnen werden zum Geschäft
Ein Wendepunkt kündigt sich an
Ein Gespräch zur Zukunft der Seilbahnen
Einleitung
Seilbahnen verbinden Berge und Täler, überspannen tiefe Schluchten und wilde Flüsse. Sie bringen uns an Orte, die zu Fuss unerreichbar sind, machen unwegsame, unentdeckte Gegenden zugänglich. Seilbahnen lassen uns neue, ungewöhnliche Ansichten der Welt gewinnen. Die Vogelperspektive verschafft uns atemberaubende Überblicke über Landschaften und lässt uns selbst winzig klein erscheinen. Eine Fahrt mit der Seilbahn vermag manches in die richtige Relation zu bringen.
Zweifellos gehört zur Faszination von Seilbahnen, dass ihre Entwicklung in den letzten Hundert Jahren mit einem immensen Tempo vorangetrieben wurde. Hinzu kamen Abenteuerlust, Entdeckungsdrang und Wissensdurst, die eine ganze Industrie entstehen liessen und diese voranbrachten. Die Erkundung von Berggipfeln mit fantastischen Aussichten, aber auch die Bewirtschaftung abgelegener Gegenden wäre ohne den Seilbahnbau nicht möglich gewesen. Die grosse Dichte an Seilbahnen, die es in den Alpenländern gibt, hängt eng mit dem Aufschwung des Tourismus zusammen.
Das Skifahren konnte erst durch den Bau von Luftseilbahnen sowie von Ski- und Sesselliften zu einem Volkssport werden. Die Bergwelt stand plötzlich allen offen, die sich das Hobby mit der entsprechenden Ausrüstung leisten konnten. Umgekehrt wirkte die Tatsache, dass der Wintersport für viele zur beliebten Freizeitbeschäftigung wurde, als Motor für das weitere Wachstum der Seilbahnindustrie. Die weltweite Nachfrage spornte die Schweizer Seilbahnbranche an, nach Wachstum zu streben und mit verrückten Innovationen aufzutrumpfen. Die Berge blieben aber freilich nicht den Wintersportlern vorbehalten: Auch im Frühling, Sommer und Herbst erschliessen Seilbahnen heute den Weg zu spektakulären Aussichtspunkten und sorgen während anstrengender Wanderungen für willkommene Verschnaufpausen.
Geht man den Ursprüngen des Seilbahnbaus auf den Grund, kommen spannende Geschichten zum Vorschein. Die ersten Konstruktionen entstanden, als es noch keine Reglementierungen gab. Dem Erfindungsreichtum waren keine Grenzen gesetzt, und so staunen selbst Laien über das technische Können, mit dem vor Jahrzehnten sichere Seilbahnen gebaut wurden. Bereits im letzten Jahrhundert waren Seilbahnen ein wichtiges Vehikel zum Transport schwerer Lasten in den Bergen. Förster und Waldarbeiter nutzten die Bahnen, um Holz ins Tal zu bringen, und Bergbauern bauten einfache Seilkonstruktionen, um Heuballen talwärts zu schicken.
Die Technik entwickelte sich seither sprunghaft. Heute dienen Seilbahnen selbstverständlich immer noch den Menschen, die in den Bergen arbeiten. Und auch im Tourismus spielen sie weiterhin eine wichtige Rolle. In der heutigen Zeit, in der die Bevölkerung und mit ihr das Verkehrsaufkommen wachsen, erfüllen Seilbahnen aber noch andere Funktionen. Grossstädte in aller Welt haben Seilbahnen als öffentliche Verkehrsmittel entdeckt, mit denen überfüllte Strassen entlastet werden können. Schwebebahnen fügen sich leise, platzsparend und umweltfreundlich ins urbane Leben und Geschehen ein. Ein Beispiel: In der bolivianischen Stadt La Paz ist ein ganzes Netz von Seilbahnen entstanden, das verschiedene Stadtteile miteinander verbindet.
Als Passagierin oder Passagier in einer Seilbahn zu fahren, ist eine der aufregenderen Arten, sich fortzubewegen. Die Kabine, die hoch über dem Boden von A nach B durch die Luft schwebt, kommt einem alten Menschheitstraum nahe: dem Traum vom Fliegen. Wir alle kennen das Gefühl beim Betreten einer Gondel. Es kribbelt ein wenig in der Magengegend, eine freudige Aufregung macht sich bemerkbar, das Herz schlägt ein bisschen schneller. Viele haben in einer Seilbahn schon besondere Geschichten erlebt. Ich erinnere mich an einen chinesischen Touristen in der Seilbahn zwischen Weggis und Rigi Kaltbad, der offensichtlich unter ausgeprägter Höhenangst litt. Er hatte sich in der hintersten Ecke der Kabine auf den Boden gesetzt und klammerte sich mit den Händen rechts und links an zwei Metallstangen. Er hielt sich mit solcher Kraft fest, dass die Knöchel weiss hervortraten. Der Tourist war Teil einer Reisegruppe. Der Gruppendruck war wohl zu stark gewesen, und er hatte sich nicht getraut, der Angst nachzugeben und auf die Seilbahnfahrt zu verzichten. Mit einer Mischung aus Mitleid und Verwunderung beobachteten wir anderen Fahrgäste, wie der arme Mann immer bleicher wurde und dann schliesslich in der Bergstation erleichtert die Kabine verliess.
Bei einer Recherche für einen Zeitschriftenartikel über Kleinseilbahnen lernte ich vor ein paar Jahren einige Menschen kennen, die vernarrt waren in Seilbahnen. Es waren Betreiber von Kleinseilbahnen, die mitunter nur einen einzigen Bergbauernhof erschliessen, für diesen aber lebenswichtig sind. Kleinseilbahnen sind Bahnen, die pro Richtung maximal acht Personen befördern. Einigen von ihnen droht das Aus, weil die Behörden kostspielige technische Anpassungen verlangen. Bedroht war vor einigen Jahren etwa die Seilbahn von Vitznau (LU) zum Gasthaus Wissifluh. Der Wirt des Gasthauses, ein kämpferischer Typ, setzte sich zur Wehr. Man erzielte schliesslich eine Einigung, und die Seilbahn fährt weiter.
Der Kampfgeist, den dieser Kleinseilbahnbetreiber an den Tag legte, scheint mir charakteristisch. Seilbahnen sind nicht nur praktische, effiziente Transportmittel – viele Menschen haben auch einen emotionalen Bezug zu ihnen. Seilbahnen, die seit Jahrzehnten im Betrieb sind, lösen nostalgische Gefühle aus. Doch Jahr für Jahr werden in der Schweiz ältere Modelle durch neue Anlagen ersetzt, oder sie verschwinden ganz. Insgesamt umfasst der Bestand aller Seilbahnen, die vom Bund und von den Kantonen reglementiert sind, in der Schweiz gegen 3000 Anlagen.1 Einige dieser Seilbahnen besitzen einen denkmalpflegerischen Wert; sie