Spirituelle Sterbebegleitung. Rüdiger Maschwitz

Spirituelle Sterbebegleitung - Rüdiger Maschwitz


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       Ausgewählte Literatur

       Autorinnen und Autoren

       Quellenvermerk

       Stichwortverzeichnis

       Hinweis

      Der besseren Lesbarkeit

      halber haben wir immer

      nur ein grammatikalisches

      Geschlecht verwendet –

      also der Seelsorger oder

      die Begleiterin –, um solch

      mühsame Barrieren, wie zum

      Beispiel der Seelsorger/die

       Seelsorgerin verabschiedet sich

       von seinen/ihren Kollegen/

      Kolleginnen zu vermeiden.

      Selbstverständlich ist immer

      das andere Geschlecht mit

      gemeint. Wir hoffen, Sie

      haben dafür Verständnis,

      denn es gehtschließlich nicht

      um einen Gesetzestext oder

      eine politische Verlautbarung.

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       Leben, um zu sterben – sterben, um zu leben

      Alles auf der Erde hat seine Zeit,

      geboren werden und sterben.

       Prediger Salomo 3

      Die Auseinandersetzungen mit dem Sterben und dem Tod begleitet uns seit vielen Jahrzehnten, sowohl aus privaten als auch aus beruflichen Gründen.

      Nach vielen Beerdigungen, die Rüdiger in seiner Zeit als Gemeindepfarrer gestaltet und verantwortet hat, geriet in dieser Zeit langsam die Sterbebegleitung wieder in den Blickpunkt der Menschen. Anfang der achtziger Jahre erlebten wir Elisabeth Kübler-Ross bei einem Seminar in Lahnstein. Mir (Rüdiger) erging es ähnlich wie Michael de Ridder es in seinem Buch »Wie wollen wir sterben?« beschreibt. Am meisten irritierte mich die Information über die unterschiedliche medizinische und besonders medikamentöse Behandlung der Sterbenden in Deutschland. Ich recherchierte weiter und schrieb dazu einen kleinen Artikel im Gemeindebrief, der eine für ein solches Medium erstaunliche Resonanz erzeugte. Sterbebegleitung geschah in der pfarramtlichen Praxis damals eher selten. Sie erfolgte auf Anfrage und durch Mundpropaganda.

      So sprach es sich schnell herum, dass der Pfarrer bereit sei, sich an das Bett eines sterbenden Menschen zu setzen. Die meisten Gespräche über das Sterben geschahen allerdings nebenbei, zum Beispiel bei Geburtstags- oder Hausbesuchen. Manche dieser Besuche sind mir nachdrücklich in Erinnerung. Sie zeigen die Schwierigkeit, über das Sterben zu reden. Ein Beispiel, das andere in ähnlicher Weise erlebt haben, ist symptomatisch für die damalige Einstellung zum Sterben.

      Ich besuchte des Öfteren ein älteres Ehepaar. Bei einem Besuch, als der Ehemann auf die Toilette ging, teilte mir die Ehefrau leise mit, dass ihr Mann sterbenskrank sei und nur noch einige Wochen zu leben habe. Sie wollte ihrem Mann aber nichts verraten. Sie hatte die Aussage ihres Arztes so gedeutet: »Es ist besser, wenn ihr Mann nichts weiß.« Als die Frau kurz darauf in der Küche einen Tee bereitete, informierte mich der Mann flüsternd: »Ich bin sterbenskrank, aber meine Frau weiß nichts davon. Sie soll es auch nicht erfahren, sie macht sich sonst zu viele Sorgen.« Er hatte seinen Arzt so verstanden, dass es besser sei, seine Frau nicht zu informieren.

      Ich saß da nun zwischen Hilflosigkeit, Ohnmacht und dem inneren Gefühl: »Das darf doch nicht wahr sein!« Ich hatte die Bitte beider im Ohr, dass ich den anderen nicht informieren sollte. Damit ging ich nach Hause. Die Supervision war noch in den Kinderschuhen und der Rat der Kollegen auch nicht hilfreich. Er schwankte zwischen dem Hinweis auf das Beichtgeheimnis und eigener Hilflosigkeit. So entschied ich mich zu einem zweiten Besuch. Ich wurde herzlich empfangen, und beide strahlten mich an. Ich weiß nicht, wer es zuerst sagte: »Wir haben uns miteinander ausgetauscht. Ihr Gesicht signalisierte uns, dass wir miteinander reden müssen.« Ich war erleichtert und erkannte, dass man auch ohne Worte das Wichtige und Richtige vermitteln kann. Bei der späteren Beerdigung nahm ich diese beiden Besuche in der Predigt auf, und dies erwies sich als eine hilfreiche Trauerbegleitung.

      Eindrücklich war auch, dass die Lebensqualität der gemeinsamen Zeit (die doppelt so lang war wie der Arzt vermutete) einzigartig war. Beide tauschten sich über ihre gemeinsame Zeit und auch über ihre Ängste und Sorgen aus. Es geschah Abschied, es gab Schmerz und Traurigkeit – aber noch mehr Dankbarkeit.

      Heute würde ich wahrscheinlich anders reagieren und bereits beim ersten Gespräch behutsam die Hinweise der beiden Ehepartner aufnehmen und thematisieren. Und ich würde so lange bleiben, bis ein Verständnis und ein Akzeptieren (einigermaßen) möglich wäre. Was besser wäre? Ich weiß es nicht; denn hier gilt: Alles hat seine Zeit!

      Dieses Beispiel, in dem es um die Endphase im Leben eines Menschen ging, macht deutlich, dass es ein Leben vor dem Sterben und erst recht vor dem Tod gibt.

      Wer die Chance hat, bewusst zu sterben, wird im Sterben leben. Wer lebt, ohne das Sterben mit in das Leben einzubeziehen, der stirbt schon im Leben.

       Die Herrin des Todes und ihr Patensohn

       Ein Märchen

      In welchem Verhältnis stehen Leben und Sterben – Sterben und Leben zueinander? Eine sehr anschauliche Antwort darauf gibt das Märchen von der Herrin des Todes. Das Märchen ist eine Variante oder vielleicht sogar die Ursprungsversion von »Gevatter Tod« der Brüder Grimm.

      Es war einmal ein armer Mann, der hatte zwölf Kinder. Es bereitete ihm große Mühe, sie alle zu ernähren. Nun gebar ihm seine Frau ein dreizehntes Kind, ein Knäblein.

      Darüber war er voller Gram und Sorgen. Traurig ging er seines Weges und wusste nicht ein noch aus. Da begegnete ihm auf einmal eine hohe schöne Frau. Es war die Herrin des Todes. Diese fragte ihn: »Warum, mein Freund, bist du so traurig?«

      »Ach, warum sollte ich nicht traurig sein, ich suche einen Paten oder eine Patin für mein neugeborenes Kind. Du musst wissen, ich hab noch zwölf Kinder und kann sie kaum ernähren. Wer kümmert sich nun um dieses, was soll aus ihm werden?«

      Die edle Frau antwortete ihm: »Tröste dich, ich will die Patin dieses Knaben sein.«

      So geschah es. Die Herrin des Todes hielt jenes Kind über die Taufe. Als der Knabe herangewachsen war, ließ die Patin ihn die Heilkunst lernen, denn er war ein kluger und geschickter Jüngling. Dazu schenkte sie ihm die Gabe, der beste aller Ärzte zu sein. Als er seinen ersten Kranken besuchte, sprach die Herrin des Todes zu ihm: »Mein Sohn, ich möchte dir nun ein Geheimnis anvertrauen: Immer wenn du an ein Krankenlager gerufen wirst, werde ich bei dir sein. Niemand außer dir aber wird mich sehen können. Wenn ich am Kopfende des Bettes stehe, so wird der Kranke nicht genesen. Siehst du mich aber am Fußende stehen, so


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