Krebszellen mögen keine Sonne. Vitamin D - der Schutzschild gegen Krebs, Diabetes und Herzerkrankungen. Jorg Spitz

Krebszellen mögen keine Sonne. Vitamin D - der Schutzschild gegen Krebs, Diabetes und Herzerkrankungen - Jorg Spitz


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sonst stoppt die Produktion. Genau die gleichen Voraussetzungen gelten auch für die Zellen in unserem Körper.

      Den benötigten Nachschub erhalten wir vor allem über die Nahrung. Sie muss sämtliche Substanzen enthalten, die der Körper für den ständigen Betrieb seiner Zellen braucht und nicht selbst herstellen kann. Dabei hat der im Deutschen übliche Begriff „Lebensmittel“ eine doppelte Bedeutung: Zum einen kann er aussagen, dass es sich um „lebendes“ Material handelt. Und in der Tat haben die Menschen, bevor ihnen das Feuer zum Kochen zur Verfügung stand, ihre Nahrung roh verzehren müssen. Für viele Menschen heute ein unvorstellbarer oder gar ekliger Gedanke! Der rohe Zustand der Nahrung hat jedoch eindeutig den Vorteil, dass keinerlei Inhaltsstoffe durch die Zubereitung verloren gehen oder verändert werden. Wir werden auf die besondere Bedeutung der Ernährung für unsere Gesundheit am Ende des Buches noch einmal gesondert eingehen.

      Die zweite Interpretation des Begriffes „Lebensmittel“ geht dahin, dass wir dieses Material für den Erhalt unseres eigenen Lebens benötigen. Und auch dieser Gedanke ist vielen Menschen fremd oder verloren gegangen. In der Regel isst man heute irgendetwas, weil man Hunger oder auch nur Appetit auf etwas hat, aber nicht um dem Körper das zuzuführen, was er für den Stoffwechsel dringend braucht!

      Da der Zellstoffwechsel viel komplizierter und dennoch effektiver abläuft als die Produktion in einer Fabrik, kann die Zelle in der Regel vorübergehende Defizite in der Zufuhr ausgleichen. Auf Dauer geht dies jedoch nicht. Dann wird die Funktion der Zelle beeinträchtigt und natürlich auch die des jeweiligen Organs, zu dem diese Zelle gehört. Der Körper wird krank!

      Dieses Prinzip gilt allerdings nicht nur für Material, das wir mit der Nahrung aufnehmen müssen, sondern auch für Substanzen, die der Körper selbst herstellt. Und damit sind wir endlich beim Thema dieses Buches angelangt: bei Vitamin D – dem Sonnenhormon!

      Vitamin D wird zusammen mit den Vitaminen A, E und K zu den fettlöslichen Vitaminen gezählt. Es zeigt jedoch aufgrund vieler neuer Erkenntnisse über seinen Ursprung, seine Herstellung und seine Funktionen auch eine chemische Verwandtschaft mit anderen bekannten Hormonen des Körpers wie den Sexualhormonen Östradiol und Testosteron oder den Schilddrüsenhormonen. Auch diese Hormone steuern ja bekanntlich eine ganze Reihe von Funktionen in unserem Körper.

      Bis in die 1970er Jahre hinein wurde Vitamin D nahezu ausschließlich mit dem Knochenstoffwechsel und hier insbesondere mit der Rachitis von Kindern in Verbindung gebracht. Mit dem Nachweis der aktiven Form von Vitamin D, dem Calcitriol, begann die Suche nach den exakten Wirkungsmechanismen. Bald darauf führten diese Arbeiten dann zur Entdeckung der Vitamin-D-Rezeptoren (VDR) in den Zellen.

      Diese Rezeptoren sind unter anderem in den Zellwänden vorhanden und wirken dort wie ein Sicherheitsschloss, das sich nur mit einem bestimmten Schlüssel öffnen lässt. Vitamin D ist ein solcher Schlüssel. Die Zellen verfügen über eine ganze Reihe von Rezeptoren für sehr unterschiedliche Substanzen, sowohl in den Wänden als auch innerhalb der Zelle selbst.

      Die Sensation war jedoch perfekt, als die Rezeptoren für Vitamin D nicht nur in den bekanntlich am Knochenstoffwechsel beteiligten Organen (Knochen, Darm und Niere), sondern auch in vielen anderen Organen gefunden wurden. Die Vermutung, dass die aktive Form des Sonnenhormons, das Calcitriol, auch in diesen Zellen durch Umwandlung einer Vorstufe entsteht und eine Wirkung hat, wurde in den folgenden Jahren durch zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen belegt.

      Die detaillierte Darstellung des hochkomplizierten Vitamin-D-Stoffwechsels in den Zellen sprengt den Rahmen dieses kleinen Buches aber bei Weitem! Es ist jedoch unser Ziel, die außerordentliche Bedeutung von Vitamin D für die Gesundheit der Menschen und insbesondere seine Rolle beim Krebsgeschehen allgemein verständlich zu dokumentieren.

      Dazu gehört auch darzustellen, weshalb es zu einem Mangel an Vitamin D kommen kann. Daher wollen wir die Grundzüge der Produktion von Vitamin D hier kurz erläutern. Die chemische Formel der für uns am interessantesten Vorstufe des aktiven Hormons haben wir bereits vorgestellt.

      Die in der Leber aus Cholesterin gebildete erste Vorstufe (Provitamin D) wird – an einen Eiweißkörper gebunden – mit dem Blutkreislauf in die Haut transportiert. Dort entsteht unter der Einwirkung des ultravioletten Anteils der Sonnenstrahlen (UV-B mit 280 bis 320 nm Wellenlänge) eine weitere Vorstufe des Vitamins D, das Cholecalciferol, das mit dem gleichen Transporteiweiß wieder zurück zur Leber transportiert wird. Diese bildet dann, sozusagen als Basis für den Vitamin-D-Stoffwechsel im gesamten Körper, das 25-Hydroxycholecalciferol (siehe Abbildung 4).

      Abb. 5: Produktion von Vitamin D in der Haut mithilfe des Sonnenlichtes (Zeichnung: Peter Ruge)

      Wenn nicht ausdrücklich anders erwähnt, bezieht sich die Bezeichnung „Vitamin D“ – nicht nur in diesem Buch – auf diese spezielle chemische Form (auch „25-OH Vitamin D3“ genannt).

      Auf die gleiche Weise wird das in der Regel nur in geringen Mengen aus der Nahrung aufgenommene Cholecalciferol in der Leber weiterverarbeitet und als 25-OH Vitamin D3 in das Blut abgegeben. Erst in den Zellen des Körpers entsteht dann die aktive Form des Vitamin D, das Calcitriol.

      In den Zellen reagiert dieses Calcitriol mit den schon beschriebenen Vitamin-D-Rezeptoren (VDR), die dann auf verschiedenen Signalübertragungswegen in den Zellstoffwechsel eingreifen und dabei auch zahlreiche Gene steuern.

      Der Vollständigkeit halber möchten wir noch erwähnen, dass nicht mehr benötigtes Calcitriol die Zellen nicht verlässt, sondern vor Ort durch ein Enzym inaktiviert und als kalzitroische Säure ausgeschieden wird. In Tabelle 2 haben wir die Abläufe nochmals übersichtlich zusammengefasst.

      Entstehung von Vitamin D (körpereigene Produktion)

Prävitamin D37-Dehydroxycholesterol (7-DHC) in der Leber.
Provitamin D3In der Haut aus 7-Dehydroxycholesterol synthetisiert.
CholecalciferolVitamin-D3-Synthese in der Haut aus Provitamin D3 unter der Einwirkung von UV-B-Licht.
Calcidiol25-Hydroxycholecalciferol oder Calcifediol (25-OH D3). Entsteht in der Leber als erster Schritt der Konversion von Vitamin D3 in seine aktive Form.
Calcitriol1,25-Dihydroxyvitamin D3 (1,25-(OH)2 D3). Die biologisch aktive Form des Vitamins D3. Diese zweite Hydroxylierung geschieht in den Zellen der Niere und vieler anderer Organe.
Anmerkung: In einigen Nahrungsmitteln wie Pilzen und in (vorwiegend amerikanischen) Nahrungsergänzungsmitteln findet sich Ergocalciferol oder Vitamin D2. Dies kann der Körper ebenfalls über eine Umwandlung in der Leber verwerten.

      Die geschilderten Stoffwechselvorgänge unterliegen zusätzlich zahlreichen Steuerungsmechanismen im Körper, auf die wir hier ebenfalls nicht eingehen, da sie nur verwirren und zum Verständnis des eigentlichen Problems, des Vitamin-D-Mangels, nur wenig beitragen. Daher gehen wir zurück zur Bedeutung des Sonnenlichtes und des mit seiner Hilfe hergestellten Vitamins D für den Menschen.

      Mittlerweile steht nicht mehr allein die Wirkung des Sonnenhormons am Knochen im Zentrum der Forschung, sondern die spektakuläre Bedeutung für das Immunsystem, die Tumor-Entstehung, die Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems, des zentralen Nervensystems und zahlreicher weiterer Organsysteme. Diese Zusammenhänge möchten wir in den folgenden Kapiteln insbesondere für ausgewählte Tumor-Erkrankungen näher erläutern.

      Zunächst müssen wir uns jedoch noch einem anderen Punkt widmen: Wie viel Vitamin D braucht der Mensch überhaupt, und haben wir genug davon im Körper?

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