Tinnitus. Kompakt-Ratgeber. Eberhard J. Wormer

Tinnitus. Kompakt-Ratgeber - Eberhard J. Wormer


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      Am Mischpult kann man die Eingangsempfindlichkeit des Mikrofons aussteuern. Einen solchen Mechanismus gibt es auch im Ohr. Wenn man auf einem Rockkonzert laut beschallt wird, wird die Eingangsempfindlichkeit des Ohrs abgesenkt. Nach dem Konzert ist das Ohr noch einige Zeit gedämpft, normalisiert dann aber rasch wieder seine Aufnahmeempfindlichkeit. Achtung: Alkohol erhöht die Eingangsempfindlichkeit des Ohrs!

       Frequenz/Tonhöhe

      Der Begriff Frequenz kennzeichnet physikalische Schwingungen in der Luft (oder einem anderen Medium) bezogen auf eine Zeiteinheit. Die übliche Einheit dieser Größe ist Schwingungen pro Sekunde = Hertz (Hz). Der Begriff Tonhöhe kennzeichnet die subjektive Empfindung einer Tonfrequenz: z. B. a1 auf dem Klavier = ca. 440 Hz.

       Lautstärke/Schalldruck

      Die Lautstärke (Lautheit) eines Schallereignisses gibt an, wie (subjektiv) laut ein Mensch ein gehörtes Geräusch empfindet. Der Schalldruck (Schalldruckpegel) entspricht der physikalischen Energie eines Geräusches. Das Trommelfell ist der Sensor für Druckschwankungen in der Luft. Es überträgt Schwingungen, die bis zu einem Milliardstel Zentimeter klein sind. Die Beziehung zwischen Lautheit und Schalldruckpegel ist annähernd logarithmisch. Die Einheit des Schalldruckpegels ist Dezibel (dB). Wegen der logarithmischen Beziehung führt bei niedrigen Lautstärken eine Lautstärkeerhöhung von weniger als 10 dB zu dem Gefühl der Verdoppelung der Lautheit.

      Das Innenohr enthält unter anderem den körpereigenen »Tonabnehmer« (Hörschnecke, Cochlea) und das Gleichgewichtsorgan – insgesamt mehr als eine Million mechanische Teile! Es ist ein komplex geformter knöcherner Hohlraum im Felsenbein (knöchernes Labyrinth). Dieser Hohlraum ist mit einer Flüssigkeit gefüllt (Perilymphe). Darin ist ein häutiges Labyrinth eingespannt, das gleichfalls mit Flüssigkeit gefüllt ist (Endolymphe). Nach der mechanischen Vorverstärkung über die Gehörknöchelchen erreichen Schallschwingungen über die Fußplatte des Steigbügels das ovale Fenster, die Abgrenzung zum Innenohr. Von dort tragen Wellenbewegungen der Flüssigkeit die Schallinformation weiter (Wanderwellen).

      Das Tonabnehmersystem befindet sich in der Hörschnecke (Cochlea). Sie ist von superhartem Knochen umgeben und macht zweieinhalb Windungen. In der Hörschnecke werden Wellenbewegungen in elektrische Signale verwandelt. Dies geschieht im Corti-Organ, das mit 48.000 winzigen Tonabnehmern ausgestattet ist, den sogenannten Haarzellen – sie haben haarförmige Fortsätze, die in der Flüssigkeit des Schneckengangs beweglich sind. Haarzellen sind in vier Reihen angeordnet: Drei Reihen dienen als akustischer Filter und eine Reihe übernimmt die Umwandlung der mechanischen Schwingungen in Nervensignale (Transduktion).

       Querschnitt durch die Hörschnecke

      Schallübertragung

      Erreichen Schallwellen über das Mittelohr die Steigbügelplatte am ovalen Fenster, entstehen in der Flüssigkeit des Innenohrs Wanderwellen, die sich bis in die Hörschnecke ausbreiten. Die Flüssigkeitsbewegung führt zur Auslenkung der Fortsätze der Haarzellen. Dadurch wird eine Aufladung der Zelle durch Ionenströme in Gang gesetzt und eine elektrische Erregung erzeugt. Anschließend zieht sich die Sensorzelle ruckartig zusammen.

      Dies wird »Motormechanismus der Haarzelle« genannt, führt zur Signalverstärkung und ermöglicht präzises Hören.

      Mithilfe chemischer Botenstoffe der Zelle wird die Erregungsinformation über eine »Schnittstelle« (Synapse) auf den Hörnerv übertragen und zum Gehirn weitergeleitet. Aus der mechanischen Schallwelle ist nun elektrophysiologische Klanginformation geworden.

       INFO

      TINNITUS-URSACHEN IM INNENOHR

       Ausfall der Härchen der Hörsinneszellen

      Chronischer Lärm und Knalltraumen können Haarzellen direkt schädigen. Betroffene Frequenzen werden dann nicht mehr wahrgenommen. Haarzellenschäden durch Lärm gehören zu den häufigsten Ursachen für akute oder chronische Ohrgeräusche.

       Störung des Ladungs-/Erregungsmechanismus der Haarzellen

      Verändert sich die Funktion der Ionenströme, können Überreaktionen auftreten, die Tinnitus erzeugen. Bekannt ist, dass Medikamente wie Acetylsalicylsäure oder manche Antibiotika in hoher Dosierung solche Störungen verursachen. Auch die sogenannten Ionenpumpen der Haarzelle reagieren empfindlich auf Zellgifte (z. B. Genussgifte wie Nikotin).

      Die Kontraktion der Haarzelle verstärkt und präzisiert die Frequenzinformation – damit wir einzelne Instrumente eines Symphonieorchesters heraushören können. Störungen können den sogenannten »Motor-Tinnitus« verursachen, unkontrollierte und unkoordinierte Kontraktionen der Haarzelle. Das Besondere an diesem Tinnitus ist, dass er durch äußere Schalleinwirkung verschwinden kann: Geräusche von Elektrogeräten, Musikinstrumenten oder Fahrgeräusche. Man nennt dieses Phänomen Residuale Inhibition. Ein HNO-Arzt kann diese Störung feststellen. Der Motor-Tinnitus lässt sich erfolgreich mit Tinnitus-Maskern, die Dauertöne oder Rauschen erzeugen, behandeln.

       Störung der Signaltransduktion an der Synapse

      Dies ist ein wichtiges Forschungsgebiet, bei dem es um Nervenbotenstoffe geht, die für Depressionen, Hirnleistungsstörungen, chronischen Schmerz und Tinnitus eine Rolle spielen. Man erhofft sich hier Fortschritte für die Behandlung dieser Störungen durch positive Beeinflussung des synaptischen Funktionssystems.

      Damit akustische Informationen zu Hörempfindungen werden, bedarf es weiterer Verarbeitungsschritte, die von einem Netzwerk verschiedener Hirnzentren durchgeführt werden. Man nennt dies zentrales Hören (zentrale Hörbahn). Im Heimstudiovergleich wäre dies die auf einem Computer installierte Software. Damit wird Audiomaterial am digitalen Mischpult mit Filtern, Effekten und Equalizern bearbeitet. Am Ende steht der finale Audiomix eines Musikstücks.


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