Kurzhantel-Training. Jan Pauls
vorgebenen Bewegungsrahmen, den starren Rotationsachsen und oft limitierten Anpassungsmöglichkeiten an die individuellen Körpermaße nicht möglich ist. Dieser Vorteil der Hantel schützt langfristig vor Fehlbelastungen.
Allerdings kann man mit Maschinen bestimmte Muskeln »einfacher« erreichen, wenn man noch wenig Gefühl für den differenzierten Einsatz einzelner Muskelpartien entwickelt hat. Hanteltraining ist schwieriger zu lernen. Doch insgesamt ist der Effekt auf die allgemeine Sportlichkeit, das Körpergefühl, die alltagsnahe und sportspezifische Kraftentwicklung und den Energieverbrauch höher als im Maschinentraining. Die Hantel fordert einfach eine stetige, sehr komplexe Auseinandersetzung mit den natürlichen Bedingungen der Schwerkraft, was die Maschine in dem Maße nicht leisten kann (und auch nicht leisten soll). Und speziell die Kurzhantel bietet Trainingsmöglichkeiten, die eine Langhantel meist überflüssig machen. Es gibt kaum Langhantelübungen, die man nicht mit zwei Kurzhanteln durchführen könnte, aber viele Kurzhantelübungen, die mit einer Langhantel nicht funktionieren. Lediglich im Schnellkrafttraining mit Gewichthebertechniken, wie Reißen und Stoßen und für schwere Kniebeugen würde ein Leistungssportler eine Langhantel vermissen. Somit ist ein Kurzhanteltraining, wenn man es mit einigen Übungen mit dem eigenen Körpergewicht (Bodyweight-Übungen) kombiniert und nach Möglichkeit über eine Art Trainingsbank verfügt, ein hocheffektives Ganzkörpertraining für Fitness, Gesundheit und Leistungssport.
1.2Die Methodik – Eine kleine Kraft-Trainingslehre für Einsteiger
Ganz gleich, ob mit dem Hanteltraining ein Muskelaufbau, ein Kraftzuwachs oder eine Körperformung angestrebt wird: Damit ein Muskel sich verändert, muss ein ungewohnter Trainingsreiz gesetzt werden. Dass heißt, dass entweder die Höhe der Spannung im Muskel (also das Trainingsgewicht) oder die Dauer einer Spannung (also die Zahl der Wiederholungen und Serien) die alltäglichen Beanspruchungen der Muskeln in Freizeit und Beruf übersteigen sollte, um einen Trainingseffekt zu bewirken.
Da die Beanspruchung eines Muskels durch eine Last von sehr vielen unterschiedlichen Faktoren abhängt (beispielsweise vom Hebelarm, vom Gelenkwinkel und von der Zugrichtung), ist es am einfachsten, wenn man die Trainingsbelastung über das subjektive Anstrengungsempfinden steuert: Wenn eine Trainingsübung am Ende der (je nach Zielsetzung) festgelegten Anzahl der Hantelhebungen (= Wiederholungen) als anstrengend empfunden wird, kann man von einem effektiven Training ausgehen.
Ein leichtes bis deutliches Ziehen und Brennen in der trainierten Muskulatur am Ende der Trainingsserie (zum Beispiel nach 12 Wiederholungen) ist ebenfalls ein Indikator für eine trainingswirksame Beanspruchung. Aber Vorsicht: Bei ungewohnten Übungen, insbesondere beim Trainingsanfänger, kann eine Überlastung auftreten. Deshalb am Anfang bitte nicht übertreiben! Muskeln, Sehnen und Bänder müssen sich erst an die neuartigen Belastungen gewöhnen. Ein »Muskelkater« ist allerdings normal und tritt häufig am nächsten Tag nach ungewohnten Belastungen auf (vgl. Kap. 1.5.3).
Kernfragen der Trainingsgestaltung im Hanteltraining, die nun ausführlicher behandelt werden, sind:
•Welche Muskeln kann ich trainieren?
•Wie viele Übungen muss ich machen?
•Wie viele Hebungen muss ich in der Trainingsserie einer Übung durchführen?
•Wie viele Serien muss ich pro Übung durchführen?
•Wie lange sind die Pausen zwischen den Serien innerhalb einer Übung?
•Wie oft in der Woche muss ich trainieren?
1.2.1Welche Muskeln kann ich trainieren?
Grundsätzlich können alle großen Muskeln des Körpers, die sichtbare Bewegungen auslösen, trainiert werden. Die meisten von ihnen auch mit Hanteln. Für die Orientierung, welche Muskeln beziehungsweise Übungen für die persönliche Zielsetzung wichtig sind, sollte man auf die Mustertrainingspläne und auf die Kategorie »Bedeutung« (für jede Übung beschrieben) zurückgreifen.
Die wichtigsten Skelettmuskeln des Körpers werden in den folgenden Abbildungen dargestellt:
Eine typische Einteilung des Körpers in Muskelbereiche, die für sich betrachtet und auch für sich entsprechend trainiert werden können, wird nachfolgend aufgelistet. Diese Einteilungen werden häufig von Fitness-Trainierenden und Bodybuildern gemacht, sind aber für eine bessere Orientierung auch für andere Zielsetzungen hilfreich. Die Muskeln in den Beispielen sind mit der jeweiligen Nummer aus der Muskelübersicht gekennzeichnet.
Exakte Bezeichnung aller dargestellten Muskeln siehe weiter unten
•Hals-Nacken-Bereich (z. B. oberer Anteil der Trapezmuskulatur Nr.1, Halsmuskeln wie der Kopfwender Nr.2)
•Schultern (z. B. Deltamuskel mit seinen drei Anteilen Nr.5, Muskeln der Rotatorenmanschette wie Infraspinatus Nr.9 und Teres minor Nr.8)
•Oberer Rücken (z. B. Latissimus Nr.6, mittlerer und unterer Anteil des Trapezmuskels Nr.1)
•Brust (großer Brustmuskel Nr.4)
•Oberarme (Bizeps Nr. 10, Trizeps Nr. 12 und Brachialis Nr. 11)
•Unterarme (z. B. Strecker der Handgelenks- und Fingermuskulatur Nr. 14, 15, 16, 17 und Brachioradialis Nr. 13 sowie die Beuger z. B. Nr. 37 und 38)
•Bauchmuskeln (gerade und schräge/seitliche Bauchmuskeln Nr. 18 und 19)
•Unterer Rücken (tiefliegende wirbelsäulenstabilisierende Muskeln im Bereich der LWS)
•Hüfte und Becken (z. B. großer Gesäßmuskel Nr. 23, Abduktoren Nr. 22 und 23 sowie Adduktoren Nr. 24–27)
•Oberschenkel (z. B. Quadrizeps Nr. 28, Hamstrings-Gruppe Nr. 30–32)
•Unterschenkel (Wade Nr.34 und 35 sowie Schienbeinmuskel Nr.33)
Exakte Bezeichnung aller dargestellten Muskeln siehe weiter unten
Zu dieser Übersicht ist anzumerken, dass die Unterarme in Trainingsplänen selten speziell trainiert werden, da diese Muskeln bei vielen anderen Übungen mitbeansprucht werden. Dennoch finden sich in diesem Buch Beispiele hierfür (siehe Übungen 15 und 22)
Vorderansicht der oberflächlichen Skelettmuskulatur.
1Kappenmuskel (M. trapezius)
2Großer Kopfwender (M. sternocleidomastoideus)
3Vorderer Sägemuskel (M. serratus anterior)
4Großer Brustmuskel (M. pectoralis major)
5Deltamuskel (M. deltoideus)
6 Breiter Rückenmuskel (M. latissimus dorsi)
10Zweiköpfiger Armmuskel (M. biceps brachii)
11Armbeuger (M. brachialis)
12Dreiköpfiger Armmuskel (M. triceps brachii)
13Oberarmspeichenmuskel (M. brachioradialis)
14Speichenhandstrecker (M. extensor carpi radialis)
15Fingerstrecker (M. extensor digitorum)
16Ellenseitiger Handstrecker (M. extensor carpi ulnaris)
17Langer Daumenabzieher (M. abductor policis longus)
18Gerader Bauchmuskel (M. rectus abdominis)
19Äußerer schräger Bauchmuskel (M. obliquus externus abdominis)
20 Lendendarmbeinmuskel (M. iliopsoas)
23 Schenkelbindenspanner (M. tensor fasciae latae)
24 Kammmuskel (M. pectineus)
25 Langer Schenkelanzieher (M. adductor longus)
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