Die Heilkraft christlicher Rituale und Symbole. Dr. Norbert Weidinger
Pfingsten (Apg 2,1–42) kommt eine weitere Quelle in den Blick: der Heilige Geist, der göttliche Funke, der sich in jedem Menschen niederlässt in Taufe und Firmung. Hildegard von Bingen preist ihn mit den Worten:
»O du Feuergeist und Tröstergeist, Leben des Lebens aller Geschöpfe, heilig bist du, der du lebendig machst die Gestalten. Du Heiliger, mit deiner Salbe rettest du die Verletzten. Heilig bist du, durch deine Reinigung heilst du die eitrigen Wunden. O du Hauch der Heiligkeit, o du Feuer der Liebe, … beschütze alle, die vom Feind in die Kerker geworfen wurden, befreie, die in Banden liegen, mit göttlicher Kraft willst du sie ja retten. … Du bringst auch immer wieder die Menschen zur Einsicht, beglückst sie durch den Anhauch der Weisheit … du Freude des Lebens, du Hoffnung und mächtige Ehre, du Schenker des Lichts. Amen.«18
Impuls
Nehmen Sie sich etwas Zeit, und lesen Sie das Gebet Hildegards noch einmal langsam für sich. Streichen Sie dann jene Stellen an, die Sie berührt haben. Sie können auch eine Zeile für sich selbst ergänzen, um der christlichen Quelle der Heilkraft näherzukommen.
Wie alle Mystikerinnen glaubt Hildegard an den göttlichen Funken, Gottes Geist, in jedem Menschen. Am ersten Tag der Schöpfung schwebte er über den Wassern (Genesis). Beim ersten Pfingstfest kam er über die junge christliche Gemeinde im Sturm und in Feuerzungen (Apostelgeschichte). Diese Geisteskraft rührt das Innerste im Menschen an, stiftet eine vitale Beziehung zwischen Gott und Mensch, fördert Können und Erkenntnis in allen Bereichen der Wissenschaft und Kunst, auch der Heilkunst. Er weckt den Glauben an den dreieinigen Gott: Vater – Sohn – Heiliger Geist. Ein äußerst dynamisches Gottesbild! Ein aus gegenseitiger Beziehung wirkender Gott, der auch die Beziehung zu den Menschen sucht. Er ist die Quelle und Ursprung aller Heilkraft und Heilung.
In Ritualen und Symbolen des christlichen Glaubens bahnen sich die heilenden, verwandelnden Kräfte dieses dreieinigen Gottes ihren Weg. In ihnen dürfen Glaubende schon im Hier und Jetzt etwas von der verheißenen Lebensfülle erfahren:
• in Meditation und Gebet – in all seinen Formen und Facetten
• in Segensworten zu vielen Anlässen – im »Benedictionale«, dem Segensbuch der Kirche mit 150 Segensritualen
• in gottesdienstlich-liturgischen Feiern, einschließlich der Sakramente
Zusammenfassung
Der große Bogen ist gespannt vom allgemeinen Verständnis der Rituale und Symbole zum spezifisch christlichen: Zu Beginn hielten wir Ausschau danach, wie Menschen Rituale und Symbole ganz allgemein verwenden, nämlich als Kommunikationsmittel in Politik, Kunst, Psychotherapie sowie im ganz alltäglichen Austausch von Erfahrung und Lebenswissen. Rituale und Symbole haben ihren spezifischen, unersetzbaren Platz und bilden die Brücke zwischen Sagbarem und Noch-nicht- oder vielleicht In-Worten-nie-Sagbarem. Schon allein deshalb übernehmen sie eine enorm wichtige Funktion im Leben des Einzelnen wie im Zusammenleben aller Menschen. Diese lässt sich zutreffend mit heilsam umschreiben. Ihre Heilkraft erweist sich, wo geistig-seelische Prozesse ins Stocken geraten, gestört oder blockiert sind und wieder in Gang gesetzt werden, wo Wunden der Vergangenheit heilen sollen – im privaten, im politischen wie im therapeutischen Bereich.
Durch alle Erscheinungs-, Funktions- und Wirkungsschichten der Rituale und Symbole hindurch suchen glaubende Menschen, auch Christen, nach einem ersten und letzten verlässlichen Bezugspunkt ihres Lebens, nämlich nach Gott. Auch hierbei übernehmen sie eine unersetzbare Rolle. Das Spezifische der christlichen Rituale und Symbole ist ihre Verwurzelung in den Glaubenszeugnissen der Menschen, vor allem der Bibel. Die Bibel verstehen Christen als Gotteswort im Menschenwort. Die gleiche Qualität haben auch die in der Bibel überlieferten Rituale und Symbole, insbesondere die von Jesus Christus gestifteten. Somit werden für Christen Beten, Meditieren, Segnen und Sich-segnen-Lassen und die Sakramente zu Orten und Feiern der Begegnung mit Gott. Sie bilden die Brücke, über die sie mit Gott in Verbindung treten und mit seiner Heilkraft in Berührung kommen. Er weckt auch unsere inneren Heilkräfte und den inneren Heiler in uns.
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