Gestalten eucharistischer Anbetung. Stefanie Maria Höltgen

Gestalten eucharistischer Anbetung - Stefanie Maria Höltgen


Скачать книгу
ebenso intensiv verfolgt wie in Beni-Abbès, hebt einen wichtigen Akzent innerhalb seiner Theologie der eucharistischen Anbetung hervor. Seine Methode, die Botschaft Jesu zu den Menschen zu bringen, ist, trotz seines Wissens um das gute Mittel eines Gespräches über Gott106, weniger eine der großen Worte oder der Predigten, sondern vielmehr ein gelebtes Beispiel der Liebe Gottes. In seinen vielen Briefen erwähnt er immer wieder, wieviele Besucher sich ohne Unterlass in seiner Hütte einfinden. Foucauld schickt keinen einzigen von ihnen weg, sondern ist allein darauf bedacht, den Menschen durch seine eigene Gegenwart die Liebe Jesu nahe zu bringen. Bis zum Schluss ist es sein größter Wunsch, Menschen aus der Sahara zum christlichen Glauben zu bekehren107. Wenngleich er bis auf eine alte blinde Frau, ein kleines Kind und seinen Gehilfen Paul Embarek niemanden taufen kann, so verliert er doch niemals den innigen Willen dazu. Charles de Foucaulds Art, in den Menschen etwas zu rühren, ist keine fordernde, donnernde oder zwingende. Es ist ein geduldiges Warten, währenddessen er nichts anderes tut als an seiner ganzen Existenz das Leben und die Liebe Jesu Christi zu demonstrieren, in der Hoffnung, den Menschen dadurch etwas von der Botschaft des Evangeliums mitzuteilen: „Es handelt sich um die Verkündigung des Evangeliums, nicht durch Worte, sondern durch die Gegenwart des heiligsten Sakramentes, durch Darbringung des göttlichen Opfers, Gebet, Buße, Ausübung der evangelischen Tugenden, Liebe“108.

      Foucauld betreibt Theologie innerhalb eines Apostolates durch gütige Gegenwart: Indem er durch sein eigenes Sein, sein eigenes Leben das Wesen Gottes zum Ausdruck, zur Sprache bringen will, sagt er den Menschen etwas über diesen Gott. Dies zeigt sich besonders in der Ansicht Foucaulds, die schon für seine eigene Bekehrung ausschlaggebend war: „Wenn man mich sieht, muß man sagen: ‚Weil dieser Mann gut ist, muß auch seine Religion gut sein‘“109. Mittels einer Art des Für-die-Menschen-da-seins will Foucauld Mission betreiben, und er legt ausschließlich sie als die Art und Weise fest, mit der auch seine erhoffte Gemeinschaft „der kleinen Brüder“ unter der islamischen Bevölkerung Nordafrikas leben soll, deren Einsiedeleien er aus diesem Grund verstreut gelegen plant.

      Alles, was Foucauld sein will, ist sichtbares Zeichen und Werkzeug des Heils im Sinne der Kirche. Darum geht er als Priester dorthin, wo diese kaum mehr hinreicht, um Gottes Gegenwart weiterzutragen, um den Raum der Wirksamkeit Christi bis in den letzten Winkel der Wüste zu vergrößern. Der Grund ist wiederum in der Erfahrung Foucaulds des unüberbietbar nah und wirklich vorhandenen Jesus in der heiligen Hostie zu suchen. Er versteht seinen Auftrag, Gott zu den Menschen zu bringen, sehr konkret und räumlich: Der Gedanke der riesigen Wüste ohne eucharistische Gegenwart ist ihm unerträglich110: „[…]baut eure Stätten der Einkehr mitten unter denen, die Mich nicht kennen; tragt Mich in ihre Mitte, indem ihr dort einen Altar, einen Tabernakel errichtet, und bringt das Evangelium hin, nicht mit dem Munde, sondern mit dem Beispiel, nicht indem ihr es verkündigt, sondern indem ihr es lebt“111. Daher trägt er das Allerheiligste mit der Überzeugung in die Wüste hinein, dass die eucharistische Präsenz Christi dieses Land und seine Bewohner heiligt112. Charles de Foucauld missioniert die Wüste, indem er einfach dort ist und dafür Sorge trägt, dass die Heilige Messe gefeiert wird und Christi Gegenwart durch das Allerheiligste gesichert ist113. Dies wird unter anderem darin offensichtlich, wie sehr Charles de Foucauld darunter leidet, über eine lange Zeit hinweg keine Heilige Messe feiern zu können, da kein Ministrant vorhanden ist. Als Bischof Guérin ihm die Erlaubnis erteilt, alleine die Heilige Messe feiern zu dürfen, ist er überglücklich.

      Die Wüste wird für Foucauld der vorrangige Ort des vertrauten Umgangs mit Gott114. In ihrer geologischen Kargheit lenkt sie den Blick des Herzens auf den eucharistischen Christus und die in ihr lebenden Menschen. Sie erhält als Ort eine Symbolgestalt115. Masse und Anonymität existieren hier nicht und dem einzelnen Antlitz kann nicht aus dem Weg gegangen werden. Dadurch wird sowohl die Not als auch die Freundschaft des Mitmenschen zu einer Begegnung mit Christus.

      Das Tun des Bruders Karl, die Offenheit für die Einheimischen und die Soldaten, ergibt sich notwendigerweise aus der Gegenwart des Allerheiligsten: Die Liebe Jesu gilt allen Menschen, und Foucauld macht sich zu ihrem Verkünder. Durch einfaches, stilles Apostolat will er die Frohe Botschaft verkünden und zwar denen, die am verlassensten sind und die am weitesten von Jesus entfernt sind. Deren räumliche Entfernung von Christus bricht er ganz konkret durch das Hineintragen der Gegenwart Jesu im eucharistischen Brot in das Gebiet der Wüste. Ihre innerliche Entfernung versucht er sekundär – auch durch sein eigenes Beispiel – zu brechen, indem er sich den Menschen aussetzt wie Christus in der Monstranz sich der Welt aussetzt. Dementsprechend versteht Foucauld seine eigene sowie die göttliche Sendung der Kirche; und in seinem priesterlichen Dasein will er für die Menschen der Sahara ganz zur Kirche werden, indem er sich in der radikalen Nachahmung Jesu zu dessen Werkzeug des Heils macht116. Ebendiesen Gedanken legt er auch der Existenz seiner Gemeinschaft der Kleinen Brüder (und auch Schwestern) vom heiligsten Herzen Jesu zugrunde. Sie sollen dorthin gehen, wo niemand etwas von Jesus weiß, das Allerheiligste dorthin tragen und dessen Heiligkeit durch unablässige Anbetung sichtbar machen117. In diesem Sinne will er Kirche da sein lassen, will er missionieren, nicht anhand zu zählender Taufen, sondern als Gegenwärtig-machen der Liebe Christi.

      Schon unmittelbar nach seiner Bekehrung hatte Charles de Foucauld das biblische Wort von der Selbstidentifikation Jesu mit dem Geringsten seiner Brüder zum Mittelpunkt seiner ganzen Existenz und schließlich auch seiner Ordensgründung gemacht. So bestand Foucaulds innigstes Bestreben ausschließlich darin, sich in allem dem in Jesus von Nazareth inkarnierten Gottessohn gleich zu machen und selbst zum Geringsten zu werden. Dieser Entschluss beruhte vor allem in der eucharistischen Frömmigkeit Foucaulds und in der Erfahrung, dass ihm in der Heiligen Eucharistie der erniedrigte und sich klein-machende Jesus begegnet. Unscheinbar wie ein alltägliches Stück Brot geht die Liebe Gottes verborgene Wege: „Wenn man jemand liebt, ist man tatsächlich sehr wirklich in ihm, man ist in ihm durch die Liebe, man lebt in ihm durch die Liebe, man lebt nicht mehr in sich, denn man hängt nicht mehr am eigenen «Ich», man ist von sich losgelöst, außer sich; man lebt nicht mehr in sich selbst, man ist in dem, den man liebt, man lebt von seinem Leben, lebt in ihm“118.

      In der nordafrikanischen Wüste wird Charles mehr und mehr die Unerlässlichkeit bewusst, sich für die Anderen zum Geschenk dieser Liebe zu machen. Das eigene Ich soll so sehr in den Hintergrund treten, die Gleichheit mit Jesus Christus soll so vollkommen sein, dass in der Person des Charles de Foucauld nur mehr die Liebe Jesu sichtbar wird. Das Fundament dieser Spiritualität ist Foucaulds Glaube an die reale Gegenwart Jesu in der Eucharistie. In der Anbetung, dem ganz Bei-Gott-sein, tritt alles andere derart zurück, dass die einzig angemessene Art, sich zu dieser Nähe in Beziehung zu setzen, diejenige ist, sich selbst liebend zu schenken. Anbetung wird somit neben dem Erkennen des liebenden Wesens Gottes zu einem Akt der tätigen Liebe. Charles de Foucauld spricht von seiner Verähnlichung mit dem Geliebten119. Wenn man Jesus unendlich liebt, kann man gar nichts anderes wollen, außer es dem Geliebten gleich zu tun, sich selbst und sein eigenes egoistisches Wollen zu vergessen und zu verleugnen, um in sich nichts als die Fülle und Liebe des Geliebten zu tragen. Es gilt, Christus mit seiner ganzen Existenz in allen Momenten des Lebens nachzufolgen: „Das vollkommene Leben besteht darin, Christus innerlich und äußerlich nachzufolgen; innerlich, indem wir unsre Seele der Seinen ähnlich werden lassen, äußerlich, indem wir eine der drei Arten von Leben führen, die er uns als Beispiel gegeben hat“120. Die Gleichförmigkeit umfasst also jedes Denken und Tun. Indem Foucauld sich selbst ganz und gar aufgibt und in den Gott eingestaltet, der sich ihm in der Eucharistie aussetzt, kann er die liebevolle Beziehung Gottes zu seiner Schöpfung verleiblichen, kann er – wie die Kirche – Werkzeug Gottes werden.

      Charles de Foucaulds Nachfolge Jesu in Armut und Gehorsam macht in allen Momenten seines Lebens konkret und sichtbar, was in der Anbetung für ihn Wirklichkeit ist: das Hineinversenken in die Liebe Gottes. Auf diese Weise eignet er sich das „klein, immer kleiner“ an; indem er im eucharistischen Brot das kleine, verborgene Dasein Jesu schaut.

      In der Wüste wird das kontemplative Leben Charles de Foucaulds immer öfter unterbrochen von tätiger Nächstenliebe.


Скачать книгу