Taping. Kompakt-Ratgeber. Nora Reim
Bis dieser die Sport-Welt in Deutschland eroberte, brauchte es jedoch seine Zeit. In den 60er-Jahren kamen mit den US-amerikanischen Truppen die Pflaster ins Land. Wie man die Streifen zur Stabilisierung von Gelenken anlegt, das schaute sich der deutsche Physiotherapeut Hermann Lohfink bei der Football-Nationalmannschaft der USA ab. Sein Kollege, der Taping-Experte Hans-Jürgen Montag, fasste seine Begeisterung für die Bänder damals wie folgt in Worte: »Kein anderer Verband bietet bei sportlichen Aktivitäten eine derart hohe Stabilität und damit einen so sicheren Verletzungsschutz wie der Tape-Verband.«
INFO
KURZDISTANZ-TRIATHLETINANJA KNAPP WURDE IM JAHR 2006 »ZUGEKLEBT«
»Das erste Mal von Kinesio-Taping gehört habe ich bei der Triathlon-Europameisterschaft in Frankreich im Jahr 2006. Der damalige Physiotherapeut der Deutschen Triathlon Union (DTU) hat die Tapes anschließend nach Deutschland gebracht. Da zu diesem Zeitpunkt nur eine begrenzte Anzahl von Fachleuten davon wusste, wurden wir Athleten als »zugeklebt« abgestempelt. Das erste Tape wurde zur Entlastung an meinem unteren Rücken angelegt. Seitdem will ich auf die bunten Pflaster nicht mehr verzichten. Denn ich habe das Gefühl, dass mir die Tapes helfen, wieder schneller fit zu werden und Schmerzen zu lindern. Besonders geholfen haben mir die Bänder als Narben-Behandlung nach einem schweren Radsturz.
Mittlerweile bin ich sogar in der Lage, ein paar Tapes selbst anzulegen. Wie das geht, hat mir ein Physiotherapeut beigebracht. Am Anfang war es nicht ohne, dennoch denke ich, dass man die Klebetechnik mit der Zeit und unter Anleitung lernen kann. Es sieht zwar einfach aus, aber es steckt mehr dahinter, als nur auf die Haut zu kleben – und fertig.
Für mich persönlich finde ich pinkfarbene und blaue Klebebänder als hilfreich. Größe und Stelle sind bei mir relativ flexibel – dort, wo es zwickt und zwackt, wird behandelt. Allerdings wird nicht wöchentlich oder gar täglich geklebt, sondern gut durchdacht, damit die Reize vom Körper verarbeitet werden können. Derzeit trage ich Tapes an den Beinen, um die Beinachse zu korrigieren. Das Klebeband ist dabei so angelegt, dass meine Muskulatur und die Faszien merken, in welche Richtung sie arbeiten müssen.«
INFO
Anja Knapp, hier auf der Zielgeraden beim Kurzdistanz-Rennen in Stockholm, hat kaum eine Stelle am Körper, die noch nicht mit einem Tape beklebt wurde.
Begriff
Die Bezeichnung »Tape« für die Klebebänder hat sich hierzulande inzwischen eingebürgert. Die deutsche Übersetzung für das englische Wort »Tape« bedeutet »Band, Streifen«. Unter Taping versteht man den entsprechenden Vorgang, also das Anlegen des Tapes auf der Haut. Taping gilt als eine Form der Manualtherapie, die bevorzugt von Physiotherapeuten angewandt wird. Dabei arbeitet der Therapeut mit seinen Händen. Mittlerweile gibt es verschiedene Methoden des Tapings:
Aku-Taping
→ an den Meridianen und Akupunktur-Punkten
Faszien-Taping
→ an den Leitbahnen des Bindegewebes
Dolo-Taping
→ an den Schmerz- und Trigger-Punkten
Alle gehen auf die ursprüngliche im Jahr 1973 von Dr. Kenzo Kase begründete Taping-Methode zurück und nutzen das Prinzip der Kinesiologie (griech. kinese = Bewegung). Im Gegensatz zum rigiden Taping mit starren Verbänden werden beim Kinesio-Taping elastische Streifen eingesetzt. Sie ermöglichen ihrem Träger maximale Bewegungsfreiheit (Free Range of Motion), ohne die Haut zu belasten. Zahlreiche Leistungssportler schwören auf die wohltuende Wirkung eines Tapes.
Wirksamkeit
Der gesundheitliche Nutzen des Klebebands ist umstritten. Das liegt daran, dass es bisher keine wissenschaftliche Studie gibt, die die Wirksamkeit eines Tapes bei seinem Träger bestätigt. Vielmehr stellten die meisten Forscher bei ihren Untersuchungen kaum messbare oder lediglich vorübergehende Wirkungen fest, die man als Placebo-Effekt betrachten muss. Aus diesem Grund wird die Taping-Methode von den gesetzlichen Krankenkassen medizinisch nicht anerkannt, und die Kosten werden für eine professionelle Behandlung nicht erstattet. Vielmehr gilt das Anlegen eines farbigen Streifens als individuelle Gesundheitsleistung (IGeL), die vom Patienten aus eigener Tasche bezahlt werden muss. Einig sind sich die Experten darin: Taping ist kein Ersatz für eine ärztlich verordnete Behandlung wie etwa eine Physiotherapie, sondern allenfalls eine Ergänzung!
Taping ersetzt keine Physiotherapie, sondern ergänzt sie.
Kosten
Die Kosten sind mangels einheitlicher Gebührenordnung von Therapeut zu Therapeut unterschiedlich. In der Regel belaufen sie sich auf rund 11 Euro für ein Tape mittlerer Größe. Hinzu kommt der Arbeits- und Zeitaufwand des Therapeuten, der mit durchschnittlich 15 Euro zu Buche schlägt. Für etwa zehn Minuten Befunderhebung inklusive Taping zahlen Sie beim Physiotherapeuten also satte 26 Euro! Dieses Geld können Sie sich getrost sparen, indem Sie künftig selbst Hand anlegen. Dazu bedarf es weder einer medizinischen Vorbildung noch einer ausgefeilten Klebetechnik. Sie brauchen lediglich eine Taping-Rolle vom Discounter (im Zweierpack für rund 5 Euro inklusive bebildertem Beipackzettel), zwei Hände und ein bisschen Übung. Sie werden sehen: Je öfter Sie sich selbst tapen, desto besser wird Ihre Technik.
Selbst kleben spart bares Geld.
INFO
»KEIN HEXENWERK« FÜR LANGDISTANZ-TRIATHLETMICHAEL GÖHNER
»Beim Training am Olympiastützpunkt Stuttgart kam ich als Spitzen-Triathlet schon früh mit den Klebebändern in Berührung. Von der Therapie des Kinesio-Tapings erfahren habe ich jedoch erst später durch meinen Schwimmtrainer Steffen Amann. Das erste kinesiologische Tape – ein blaues Band – hat mir mein behandelnder Arzt Dr. Norbert Dehoust vor etwa drei Jahren am Sprunggelenk angelegt.
Ich trage die Streifen am Körper, weil ich von ihrer Wirkung überzeugt bin:
An den Fersen helfen sie mir, in den Laufschuhen mechanische Reibungen zu vermeiden. An der Wade und am Rücken geben sie mir ein gutes Gefühl im Training, lösen Verspannungen und fördern somit die Regeneration.
Inzwischen lege ich bei Beschwerden selbst Hand an. Denn die Klebetechnik ist kein Hexenwerk – jeder kann sie lernen! Am Rücken benötigt man vielleicht etwas Hilfe, ansonsten kann man sich mit etwas Übung selbst bekleben.
Mein persönliches Lieblings-Tape ist ein blauer Streifen an der Ferse, an der ich lange Zeit Schmerzen beim Laufen hatte. Schwarze Bänder wirken dagegen bei mir komischerweise nicht. So hat eben jeder seine Lieblingsfarbe, der dann auch eine verstärkte Bedeutung auf der Haut zukommt.«
Kurse
Die wenigsten Physiotherapeuten lernen das Anlegen der Bänder in der Ausbildung, sondern besuchen irgendwann ein Taping-Seminar am Wochenende, um sich beruflich fortzubilden. Diese Wochenendkurse werden in der Regel von kommerziellen Anbietern zu Wucherpreisen durchgeführt. Letztendlich wird in derartigen Seminaren nichts anderes vermittelt als eine »Anleitung zum Taping« in Form eines Skripts, das sich der Therapeut mit der Teilnahmegebühr »erkauft«. Eine solche Gebrauchsanweisung haben Sie mit dem vorliegenden Ratgeber erworben – und das zu einem weitaus günstigeren Preis! Nur anwenden müssen Sie das auf diesen Seiten vermittelte Wissen noch selbst.
Also trauen Sie sich, die Klebetechnik am eigenen Körper selbst auszuprobieren.