Personalentwicklung im Bereich Seelsorgepersonal. Christine Schrappe
Abbildung 2: Wirkungsweise von Veränderungen. Organisationsmodell von Porras et al, aus: Schubert, Hans-Joachim, Change Management, Studienbrief PE 0910, Kaiserslautern 2001, 98.
Unter der Überschrift „Organisatorische Regelungen“ sind spezifisch formale Elemente zusammengefasst, mit denen die Koordination gewährleistet werden soll. Sanktions- und Belohnungssysteme beeinflussen das Mitarbeiterverhalten ebenso wie Ablauf- und Aufbaustrukturen.
Mit „Sozialen Faktoren“ sind die eher informellen Merkmale der Zusammenarbeit beschrieben. Auf der Ebene der Gesamtorganisation sind es Normen und Werte, die sich in Interaktionsprozessen und Führungsstilen niederschlagen. Unter den Begriff „Technologie“ fallen Merkmale wie Stand der technischen Ausstattung, Gestaltung von Kommunikations- und Arbeitsabläufen. Die Einrichtung technischer Kommunikationsmittel (z.B. Intranet) verändert die Kommunikation in einer Organisation. Die Handhabbarkeit moderner Kommunikationstechniken erhöht die Geschwindigkeit der organisationsinternen „Wissensströme“. Wissensmanagement trägt Sorge dafür, dass vorhandenes Wissen und Kompetenz flächendeckend genutzt werden und zum Einsatz kommen. Das hat mit Arbeitsstrukturen und Technik zu tun. Transparente Postverteilungssysteme, Systeme zur fristgerechten Beantwortung von eingehender Post erhöhen den Dienstcharakter von Behörden.
Die Kategorie „Bauliche Bedingungen“ meint Aspekte wie Anordnung und Gestaltung von Arbeits- und Aufenthaltsräumen und die architektonische Gesamterscheinung. Die Planung von Pfarrhäusern beeinflusst die Kommunikationsstruktur zwischen Pfarrer, Pfarrbüro und haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern. Dies hat Einfluss auf Arbeitsstil und Arbeitsleistung. In Baumaßnahmen spiegelt sich Wertschätzung oder Missachtung von Berufsgruppen.121 In der konkreten Planung kirchlicher Gebäude wie Pfarrzentren und Kirchenvorplätzen bilden sich auch Kirchenbilder ab. Gebäude- und Informationsästhetik, z.B. von Kirchenbaukörpern und Außenanlagen, haben ihrerseits Einfluss auf die Pastoral. Die Theologie einer Gemeinde, bestimmte Menschen-, Kirchen- und Gottesbilder finden ihre Konkretion und ihren Niederschlag in Bauten und Kommunikationsstrukturen.
Vorgaben des Personaleinsatzes und Arbeitsstrukturen, Beschaffenheit von Arbeitsplätzen und innerbetrieblichen Kommunikations- und Prozessabläufen müssen daraufhin überprüft werden, ob sie der Personalentwicklung und damit der Qualität der Arbeit dienen. Das Ausblenden der „harten“ Rahmenbedingungen wäre eine Vereinfachung komplexer Systeme. Die in der Kirche übliche Form der spirituell durchdrungenen Appelle an das Umkehrbewusstsein und die Veränderungsbereitschaft der Gemeinden und des Personals kann die sachliche Analyse der Arbeitsstrukturen und Arbeitsbedingungen nicht ersetzen. In der Gestaltung von Transformationsprozessen wäre es naiv zu glauben, „Kirche lasse sich einfach, leicht von oben nach unten oder von unten nach oben verändern. Ein Hirtenbrief verändert vielleicht die Herzen, eine Predigt kann erbaulich sein. Aber Organisationen haben kein Herz, sondern Strukturen. Appelle verändern sie nicht. Ein wirkungsvolles Handeln in und durch Organisationen ist keine triviale Selbstverständlichkeit, sondern eine anspruchsvolle soziale Praxis des Aushandelns von Kommunikation, Spielregeln und Entscheidungen.“122
Kirche ist immer auch sichtbarer Leib Christi und gewachsene Organisation und muss in dieser „inkarnatorischen“ Existenz in allen Organisationsabläufen prüfen, ob sie dem Heil der in ihr Arbeitenden und dem Heil der Mitglieder dient. Veränderungspostulate können nicht nur der Reformbereitschaft des Einzelnen anheim gestellt und „ans Herz gelegt“ werden. Metanoia ist nicht nur eine individuelle Verhaltenseinstellung, sondern muss sich in kirchlichen Strukturen und Systemen niederschlagen.
Mitarbeiter als „interne Kunden“ trennen in ihrem subjektiven Erleben von Berufs(un)zu-friedenheit nicht zwischen Personalentwicklung, Personalverwaltung oder Personaleinsatz. Aber an der Ausstattung eines Wartezimmers im Ordinariat oder durch das Bereitstellen von Besucherparkplätzen für Personalgespräche erkennen Mitarbeiter, welchen Stellenwert Personalarbeit hat. Unbeantwortete Post, nicht bestätigte Mails, falsch besprochene Anrufbeantworter oder nicht eingehaltene Sprechzeiten in diözesanen Behörden sind Indizien für mangelndes internes Dienstleistungsbewusstsein. Organisationsabläufe und Technologie, das Bauwesen wie der Service einer EDV-Abteilung müssen sich wie Personalentwicklung und Personalverwaltung daran messen lassen, ob sie im Dienst des Evangeliums stehen, den Mitarbeitern dienen und damit die Arbeitsqualität der Gesamtorganisation erhöhen.
3.7 Fazit: Personalentwicklung – mehr als ein Schönwetter-Phänomen
Weil jede Form von Seelsorge immer innerhalb von konkreten kirchlich oder säkular geprägten Organisationsbedingungen stattfindet, gilt es diese Strukturen nicht nur wahrzunehmen, sondern sie normativ-kritisch daraufhin zu analysieren, ob in ihnen und durch sie das Anbrechen des Reiches Gottes, d. h. Nächstenliebe, Barmherzigkeit und Gerechtigkeit befördert oder eher blockiert werden. Investition in die Personalentwicklung ist Beitrag zum Erhalt der Würde und der Freiheit des Menschen in bestehenden Abläufen und Strukturen und dient damit der Menschwerdung Gottes.
Kirchliche Einzel-Organisationen wie Bildungseinrichtungen oder Beratungsstellen sind es gewohnt, im Wettbewerb mit anderen Anbietern zu stehen und unterziehen sich intensiven Professionalisierungsprozessen. In der Gesamtkirche römischer Ausprägung und in den ortskirchlichen Diözesen setzt sich die Perspektive der Personal- und Organisationsentwicklung erst langsam durch. Mehr noch: In Zeiten finanzieller und damit auch personeller Reduzierung besteht die Gefahr, dass Personalentwicklung als „Schönwetter-Phänomen“, als „Konzept der fetten Jahre“ des Ausbaus und unternehmerischen Wachstums relativiert und zurückgefahren wird. Die in öffentlichen Verlautbarungen so oft betonte Bedeutung der Humanressourcen und damit der Personalentwicklung für das Gesamt einer Organisation wird im Rahmen des praktischen unternehmerischen Handelns oft vernachlässigt. Diese Problemanzeige berührt das Selbstverständnis von Kirche, die sich als Heilszeichen in der Welt versteht. Deswegen gilt es im Folgenden, das Proprium kirchlicher Personalentwicklung herauszuarbeiten.
88 Münch Joachim, Personalentwicklung als Mittel und Aufgabe moderner Unternehmensführung, 17.
89 Vgl. ebd., 22.
90 Kruip Gerhard, Das Humankapital pflegen, in: HerKorr 53(1999), 245-249, hier 246.
91 Ebd.
92 Wunderer Rolf / KuhnThomas, Innovatives Personalmanagement. Theorie und Praxis unternehmerischer Personalarbeit, Neuwied 1995, 16.
93 Arnold Rolf, Personalentwicklung – neu gedacht, Kaiserslautern 2006 (= Pädagogische Materialien der Technischen Universität Kaiserslautern Heft 28), 118.
94 Münch Joachim, Personalentwicklung als Mittel und Aufgabe moderner Unternehmensführung, 20.
95 Ebd., 19.
96 Ebd., 21.
97 Vgl. Arnold Rolf, Grundlagen, Strukturen und Qualitätssicherung, Studienbrief PE 0810 des Fernstudiums „Personalentwicklung im lernenden Unternehmen“, Kaiserslautern 2000, 79.
98 Ebd., 77.
99 Vgl. ebd., 81.
100 Ebd., 21.
101 Ebd., 13.
102 Münch Joachim, Personal und Organisation als unternehmerische Erfolgsfaktoren, 7.
103 Berkel Karl, Warum Priester auch Manager sein müssen, in: zur debatte 37(2007/1), 1-3, hier 2.
104 Vgl. Jacobs Christoph, Salutogenese. Das Leben gesunder Menschen bereichern. Pastoralpsychologische Perspektiven zur Förderung der Gesundheit von Priestern und Ordensleuten, in: Grün Anselm / Müller Wunibald (Hg.), Was macht Menschen krank, was macht sie gesund? Münsterschwarzach 1997, 71-108.
105 Jacobs Christoph, Mit Leidenschaft für Gott und sein Volk: Berufen zur Seelsorge in Zeiten pastoralen Wandels, in: ThPQ