Wer ist dein Gott?. Vitus Seibel

Wer ist dein Gott? - Vitus Seibel


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Reich komme (Klaus Väthröder)

      Kein Gott der Philosophen? (Heinrich Watzka)

      Christus ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes (Kol 1,15) (Ossi Wopperer)

      Anders als gedacht (Hans Zollner)

      Vom Blick eines liebenden Gottes durchdrungen Das Credo von Jorge Bergoglio

      Vom Gottesweg des Ignatius von Loyola Worte des ersten Jesuiten – ausgewählt und kommentiert von Willi Lambert

       Zur Einführung

      Als ich meine Mitbrüder gebeten habe, mir einen Beitrag für dieses Buch zu schreiben, war mir bewusst, dass dies keine leicht zu erfüllende Bitte ist. Dass sich Jesuiten über Gott äußern, ist zwar nicht verwunderlich. Es gehört von Berufs wegen ins Zentrum ihrer Aufgaben. Aber wie sie es hier tun, übersteigt die gewöhnlichen Erwartungen. Es geschieht sehr persönlich, sehr offen, gar nicht überheblich, herzlich, bewegt und bewegend oder auch angefochten.

      Es sind erstaunliche Zeugnisse geworden – wie auch schon in zwei vorausgehenden Bänden dieser Reihe: »Was bedeutet dir Jesus Christus?« (Nr. 33) und »Wie betest du?« (Nr. 68).

      Jesuiten öffnen ihr Herz und geben Einblick in ihr Inneres. Da ist von Lobpreis die Rede, aber auch von unausweichlichen Fragen, vom tragenden Fundament bis hin zu schweren Erschütterungen dieses Fundaments, von der sich durchhaltenden Freude und von der Last des Leidens, von Gottesbildern und dem davon verschiedenen Geheimnis Gottes, vom Finden Gottes in allen Dingen bis zu offen bleibender Ratlosigkeit, von vorgegebenen Formulierungen bis zum hilflosen Stammeln, von Anstrengungen des Verstandes bis zur Ahnung von Mystik, von kindlicher Hingabe bis zu abgründigen Dunkelheiten, von vertrauter Begegnung bis zu demütiger Ehrfurcht, von tapferen Bekenntnissen bis zum Verstummen vor dem ganz Anderen.

      Und immer wieder Jesus als Offenbarer des Vaters, als Antlitz des lebendigen Gottes, als Abstieg aus der Ewigkeit in die unbegreifliche Nähe der Brüderlichkeit und Gefährtenschaft. In der Nachfolge des Gekreuzigten geschehen Teilhabe an seinem Geist der Liebe und der Barmherzigkeit und die Anbetung der heiligsten Dreifaltigkeit.

      Hilfen auf dem Glaubensweg werden genannt. Da sind vor allem Begebnisse und Worte der Heiligen Schrift. Dann auch Aussprüche von Heiligen. Und auch wichtige Menschen werden zitiert, die hilfreiche Formulierungen gefunden haben. Karl Rahner ist für manche einer unter ihnen. Die einen schildern Entwicklungen in ihren Lebensphasen, andere greifen eine bestimmte Thematik auf, die ihnen wichtig ist. Das ignatianische Erbe der Unterscheidung der Geister ist ebenso bemerkbar wie das Einbetten der Erkenntnisse in eine ehrliche Gebetspraxis.

      Fast überflüssig zu sagen, dass es bei diesen Fragen um das zentrale Ringen aller Christen geht, nicht um konfessionelle Abgrenzungen.

      Das Buch verdankt sein Entstehen der Anregung meines Mitbruders Willi Lambert. Er stellt auch in einem eigenen Beitrag die Verbindung her zwischen dem Gott unseres Ordensvaters, des hl. Ignatius, und den Prägungen, die wir in seiner Gründung empfangen haben.

      In allen Computerfragen hat mir mein Mitbruder Gundikar Hock (wieder) geholfen.

      Meine Hoffnung ist, dass die Zeilen dieses Bandes Anregungen für die Leserinnen und Leser sein mögen, um die Spuren Gottes im eigenen Leben neu und vertieft zu entdecken.

       Vitus Seibel SJ

       Wen spreche ich an?

      Meine Mutter hat mir den Glauben an Gott beigebracht. Ich glaube nicht durch die obligatorischen Gute-Nacht-Gebete. Sondern durch ihr Verhalten in der Kirche. Ich war wohl gewollt dabei, aber nicht die Hauptsache. Die war geheimnisvoll vorne, wo ich nichts verstand. Die Aufmerksamkeit meiner Mutter und ihr Gesammeltsein haben mich beeindruckt. Ich kann mich gut daran erinnern.

      So habe ich von klein auf an Gott zu glauben gelernt. An welchen Gott? Das kann ich mir nicht mehr so recht ins Gedächtnis rufen. Vielleicht so: Von Gott kommt die Welt, und er achtet auf ein gutes Verhalten. Das war der Anfang des Glaubens.

      Im Laufe der Zeit hat sich vieles, vor allem gefühlsmäßig, angelagert. Wichtig waren mir Naturerfahrungen, vor allem die Berge, aber nicht nur. Weiter die Musik. Auch Erfahrungen im Gewissen bei guten Entscheidungen. Hinter allem wohl, aber kaum bewusst, das Gemochtsein in der Familie und bei Freunden. Das Leben war gut und dahinter stand ein guter Gott. Die Plausibilität des Gottesglaubens in meiner Lebensumgebung tat ihr Übriges.

      Das Studium der Philosophie und Theologie brachte die Auseinandersetzung mit der grundsätzlichen Weltüberlegenheit Gottes. Immer deutlicher wurde mir, dass Gott nicht neben anderen Dingen »vorkommt«. Für mich hat vor allem Karl Rahner, innerlich davon bewegt, die Unbegreiflichkeit Gottes beschworen.

      Lange hat mich die Frage beschäftigt: Wen spreche ich denn an, wenn ich bete? Ich habe keine Vorstellung von Gott. Aber komme ich ohne eine Vorstellung aus? Ich scheine auf irgendetwas angewiesen zu sein, auch wenn es noch so undeutlich ist. Ich meine, für mich etwas gefunden zu haben.

      Ich lebe in der Welt. Sie ist mir gegeben. Etwas anderes habe ich nicht. Von ihr muss meine Vorstellung von Gott ihren Anfang nehmen. Ich nehme wahr, was vor mir ist, was ich in irgendeiner Weise berühre. Aber dann weite ich meine Aufmerksamkeit aus auf alles, was ist. Das Gesamte versuche ich zu umfassen. Auf das Dasein überhaupt gehen mein Blick und mein Empfinden: auf die Welt, in der ich lebe.

      Ich bleibe dabei nicht stehen. Ich denke über die Welt hinaus. Geht das? Meine Erfahrung ist: Es geht. Es muss im Leben mehr als alles geben (Maurice Sendak). Genauer gesagt: Es ist nicht nur ein Denken. Darf ich es auch ein Fühlen nennen? Ich glaube ja, sonst würde ich mich dort, wo Gott ist, nicht zu Hause fühlen. Dann wird mir bewusst: Ich muss die Welt nicht verlassen, um Gott zu finden. Er ist in der Welt. Sie ist seine Sprache für uns. Alles spricht von Gott.

      Und Jesus? Übersetzt er nicht den unbegreiflichen Gott ins Menschlich-Begreifliche? Aber ich komme nicht darum herum: Auch in ihm muss ich den unerforschlichen Gott zu ertasten suchen. Wo zeigt er sich? Es gibt Erstaunliches, vor allem seinen unbeirrt guten Blick auf die »Zöllner und Sünder«. Ihr Fehlverhalten billigt er nicht. Dennoch schaut er auf ihre kostbare Mitte, dorthin, wo ihr wahres Herz ist. Seine Klarheit und zugleich seine Zuwendung ohne jede Spur von Ablehnung ziehen diese Menschen an. Und so ist Gott. Das ist mehr als meine Versuche, mir Gott vorzustellen. Reicht ein Menschenleben, dass beides zusammenwachsen kann?

       Hans Abart SJ, Neumarkt/Opf., geb. 1937

       Die Weltformel des Glaubens

      Gott ist Liebe. Zugegeben: Dieser Satz klingt nicht sehr originell. Und doch, je länger ich darüber nachdenke, desto weniger fällt mir etwas anderes ein. Der französische Jesuit François Varillon hatte einmal sinngemäß geschrieben: »Wenn ihr bei einem Streit um theologische Fragen nicht einseht, dass es letztlich immer um Liebe geht, dann lasst es sein … vorläufig.« Vielleicht ist es meine naturwissenschaftliche Prägung, aber ich bin je länger je mehr davon überzeugt, dass das Eigentliche, um das es im Glauben geht, nicht einfach genug sein kann. Und daher sind es vor allem zwei einfache Formeln, die seit ein paar Jahren meine Erfahrungen mit Gott erhellen und mein Reden über Gott prägen.

      Die erste stammt vom verstorbenen irischen Jesuiten Michael Paul Gallagher, der uns die kürzeste Definition des Wortes »glauben« vorgelegt hatte: »Say yes to a yes!« Sag ja zu einem Ja! Nicht irgendwelche abstrakten Wahrheiten und Lehrsätze stehen im Zentrum des Glaubens, sondern eine Beziehung. Glauben heißt, sich auf den einlassen und auf den vertrauen, der zu mir ja sagt ohne Wenn und Aber. Und dieses bedingungslose Ja Gottes zur Welt und zu uns Menschen ist es, worum es im christlichen Glauben geht und was wir an Weihnachten feiern. Gott, der Schöpfer des Universums, wird selber Mensch in der konkreten Wirklichkeit unserer Welt. Und er tut dies nicht mit Pauken und Trompeten, sondern still und diskret in der Gestalt eines kleinen Kindes. In der gewaltlosen Erscheinung und in der wehrlosen Liebe dieses Kindes beginnt das, was am Kreuz seine Vollendung finden wird: die Offenbarung der Liebe und Barmherzigkeit Gottes durch das Lebenszeugnis von Jesus von Nazareth. Er möchte uns zeigen und erfahren lassen, wer er ist und wer wir sind für ihn. In der ganz konkreten Begegnung mit Jesus


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