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mit ihren Söhnen Jakobus und Johannes zu Jesus kam, um für sie um besondere Anerkennung zu bitten, wusste Jesus den damit heraufziehenden Konflikt für seine Gemeinschaft im Keim zu ersticken (Mt 20,20–28). Die Botschaft Jesu lautete: Verschwendet nicht eure Kraft damit herauszufinden, wer von euch der Größte ist, sondern setzt eure Kraft und euren Verstand dafür ein herauszufinden, wie und wo ihr einander und allen Menschen, denen ihr begegnet, dienen könnt, damit alle bekommen, was sie zum Leben brauchen, und teilhaben an einer Gemeinschaft, die trägt. „Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele“ (Mt 20,28).

      Jakobus und sein Bruder hatten die Zurechtweisung Jesu verstanden und Jesus konnte in der Gemeinschaft weiter mit ihnen rechnen und ihnen vertrauen. Jakobus erkannte, dass für eine gute Zusammenarbeit in einem Team ganz unterschiedliche Begabungen wichtig sind. Es braucht Träumer und Visionäre, die bei allen gegenwärtigen Schwierigkeiten mit Hoffnung und Zuversicht in die Zukunft blicken und neue Wege für die Verbreitung der Frohen Botschaft erkennen. Es braucht Zielsetzer, die Wegmarken setzen und Pläne ausarbeiten, um sie zu erreichen. Es braucht Macher, die mit einem gewissen Eifer an die Arbeit gehen und an konkreten Schritten und Aktionen interessiert sind. Schließlich braucht es einen Friedensstifter, der zwischen den verschiedenen Positionen und Sichtweisen im Team vermitteln kann und sich dafür einsetzt, den Konsens herzustellen.

      Jakobus hatte den Auftrag Jesu, die Liebe Gottes auf Erden in Wort und Tat zu verkünden, immer mehr zu seinem Auftrag werden lassen. Als Jesus am Ölberg betete, war Jakobus ganz in seiner Nähe (Mt 26,36–46). Er schlief zwar immer wieder ein, doch er konnte den Kelch trinken, den Jesus ihm reichte. Im Jahr 44 starb er als Märtyrer. Nach alter spanischer Überlieferung soll sein Leib in Santiago de Compostela begraben sein. Wenn Menschen heutzutage dorthin pilgern und diesen Weg wirklich als Glaubensweg begreifen, können sie wie einst Jakobus die Erfahrung machen, von Jesus Christus gerufen, ermahnt, ermutigt und gesendet zu werden. Doch nicht nur auf einem besonderen Pilgerweg, sondern auf unserem ganzen Lebensweg sind wir eingeladen, mit jedem Schritt alles hinter uns zu lassen, was uns von Gott und den Menschen trennt, und mit jedem Schritt hineinzugehen in das Reich Gottes, das durch Jesus Christus bereits in dieser Welt angebrochen ist. Solche Schritte bedeuten, sich dem Herrn zu (über)lassen. Auf viele solcher Schritte wird es bei der Lokalen Kirchenentwicklung ankommen, besonders bei der Bildung von Gemeindeleitungsteams. Betend könnten sich diese so anhören:

       Gebet

      Ich lasse mich dir, Herr, und bitte dich:

      Mach ein Ende aller Unrast!

      Meinen Willen lasse ich dir.

      Ich glaube nicht mehr, dass ich selbst verantworten kann,

      was ich tue und was durch mich geschieht.

      Führe du mich und zeige mir deinen Willen.

      Meine Gedanken lasse ich dir.

      Ich glaube nicht mehr, dass ich so klug bin,

      mich selbst zu verstehen,

      dieses ganze Leben oder die Menschen.

      Lehre mich deine Gedanken denken.

      Meine Pläne lasse ich dir.

      Ich glaube nicht mehr, dass mein Leben seinen Sinn

      findet in dem,

      was ich erreiche von meinen Plänen.

      Ich vertraue mich deinem Plan an.

      Meine Sorgen um andere Menschen lasse ich dir.

      Ich glaube nicht mehr,

      dass ich mit meinen Sorgen irgendetwas bessere.

      Das liegt allein bei dir.

      Wozu soll ich mich sorgen?

      Die Angst vor der Übermacht der anderen lasse ich dir.

      Du warst wehrlos zwischen den Mächtigen.

      Die Mächtigen sind untergegangen, gestorben, du lebst.

      Meine Furcht vor meinem eigenen Versagen lasse ich dir,

      Ich brauche kein erfolgreicher Mensch zu sein,

      wenn ich ein gesegneter Mensch sein soll nach deinem Willen.

      Alle ungelösten Fragen, alle Mühe mit mir selbst,

      alle verkrampften Hoffnungen lasse ich dir.

      Ich gebe es auf, gegen verschlossene Türen zu rennen,

      und warte auf dich, du wirst sie mir öffnen.

      Ich lasse mich dir.

      Ich gehöre dir, Herr.

      Du hast mich in deiner guten Hand.

      Ich danke dir.

       (Jörg Zink, aus: Wie wir beten können, S. 207)

       2.4 Die Menge am See

      Es gibt in der jüdischen Tradition der Schriftauslegung eine Methode, die besonders zwischen den Zeilen liest. Man nennt sie Midrasch. In Kapitel 13 des Matthäusevangeliums lädt das Wort „Menge“ zu einer Midrasch-Erzählung ein. Die Menge wird darin zu einer lebendigen Ansammlung von Menschen mit ganz unterschiedlichen Biographien, Berufen, Gefühlen und Gedanken. „An jenem Tag verließ Jesus das Haus und setzte sich an das Ufer des Sees. Da versammelte sich eine große Menschenmenge um ihn. Er stieg deshalb in ein Boot und setzte sich; die Leute aber standen am Ufer. Und er sprach lange zu ihnen in Form von Gleichnissen“ (Mt 13,1–3a).

      Jesus lebte zu dieser Zeit in Kafarnaum, einer Stadt am See Gennesaret. Am Ufer des Sees hatte er einen Lieblingsplatz, an dem er sich gerne in den frühen Abendstunden aufhielt. Das hatte sich herumgesprochen. Nach einem langen und anstrengenden Arbeitstag kamen auch heute wieder viele Menschen aus der ganzen Gegend an den See, um Jesus zu treffen. Andere kamen eher zufällig vorbei. Da war eine Mutter, die sich Sorgen machte um ihre Kinder; da war ein Fischer, der in letzter Zeit nur wenig Fische im Netz hatte; da waren spielende Kinder; da war ein Synagogenvorsteher, der sich über die vielen Menschen wunderte; da waren Menschen, die um einen lieben Angehörigen trauerten … Jesus bemerkte sie, jeden und jede in der Menge nahm er wahr. Er sah sie liebevoll an und las in ihren Gesichtern, ihre Ängste und Nöte, ihre Unruhe und Fragen. Und er redete lange zu ihnen und eröffnete ihnen mit Bildern, die sie verstanden, das Reich Gottes. Bei einigen dieser Menschen begann das Herz immer stärker für Jesus zu schlagen. Seine Worte taten ihnen gut, sie entlasteten. Gnadenlose Überforderung, Leistungsdruck und Versagensängste kamen in der Wirklichkeit, die er verkündete, nicht vor. Als sie erkannten, dass er selbst mit dem Schatz im Acker und mit der besonders wertvollen Perle gemeint war (Mt 13,44–46), fingen ihre Herzen an, für ihn zu brennen, denn sie spürten: Jesus allein genügt, um das Leben zu haben.

      Wenn wir uns heute in seinem Namen versammeln und das Evangelium hören, nimmt Jesus Christus uns besonders in den Blick und liest in unseren Gesichtern. Schlägt, ja brennt unser Herz für ihn? Können suchende und fragende Menschen, die uns Christen im Alltag begegnen oder uns im Gottesdienst und bei Veranstaltungen im Gemeindehaus erleben, mit einem liebevollen und gütigen Blick rechnen? Fragen wir uns bei den Entscheidungen, die wir zu treffen haben, und bei all dem, was wir uns – ob im persönlichen Leben oder im Leben der Gemeinde – vornehmen: Was würde Jesus jetzt tun? Oder vermeiden wir diese Frage lieber, weil sie auch unbequeme Antworten bedeuten könnte?

      Mit dem Blick auf die Menge am See bedeutet Lokale Kirchenentwicklung, im großen Raum der Pfarrei Orte zu pflegen und zu gestalten, die für alle Menschen erreichbar und offen sind; Orte, an denen Menschen mit ihren Sorgen und Nöten Gehör finden, Stärkung erfahren und andere Menschen finden, die von ihrem Glauben an Gott und ihrer Hoffnung erzählen. Solche Orte sind zum einen die eigenen Kirchen, Kapellen und Gemeindehäuser, zum anderen städtische und kommunale Begegnungsstätten,


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