Naturphilosophische Emergenz. Maximilian Boost
not present in A; and in C a kind of relation, not yet present in B or in A. If then one lived and gained experience on the B-level, one could not predict the emergent characters of the C-level, because the relations, of which they are the expression, are not yet in being. Nor if one lived on the A-level could one predict the emergent character of b-events, because ex hypothesi, there are no such events as yet in existence. What, it is claimed, one cannot predict, then, is the emergent expression of some new kind of relatedness among pre-existent events. One could not foretell the emergent character of vital events from the fullest possible knowledge of physico-chemical events only […].“86
4.3 Charles Dunbar Broad: „The Mind and its Place in Nature“
Als herausragendes Werk unter den Hauptwerken der Britischen Emergentisten muss Charles Dunbar Broads „The Mind and its Place in Nature“ (1925) angesehen werden. Broads Theorie der Emergenz besagt, dass eine systemische Eigenschaft eines komplexen Systems genau dann emergent ist, wenn sie nicht aus dem vollständigen Wissen um die Anordnung der Bestandteile dieses Systems und den Eigenschaften, die diese isoliert oder in anderen Systemen zeigen, abgeleitet werden kann:
„Put in abstract terms the emergent theory asserts that there are certain wholes, composed (say) of constituents A, B, and C in a relation R to each other; that all wholes composed of constituents of the same kind as A, B, and C in relations of the same kind as R have certain characteristic properties; that A, B, and C are capable of occurring in other kinds of complex where the relation is not of the same kind as R; and that the characteristic properties of the whole R(A, B, C) cannot, even in theory, be deduced from the most complete knowledge of the properties of A, B, and C in isolation or in other wholes which are not of the form R(A, B, C).“87
Im Zusammenhang mit der Emergenz greift Broad auch die Millsche Definition der letzten Gesetze wieder auf. Denn nach Broad ist ein Gesetz, das die emergente Eigenschaft eines komplexen Systems mit den Eigenschaften der Bestandteile des Systems verknüpft, ein letztes Gesetz („ultimate law“88):
„By this I mean (a) that it is not a special case which arises through substituting certain determinate values for determinable variables in a general law […]. And (b) that it is not a special case which arises by combining two more general laws […]. It is (c) a law which could have been discovered only by studying samples of silver-chloride itself, and which can be extended inductively only to other samples of the same substance.“89
Wie schon seine Vorgänger, nimmt auch Broad sein Beispiel für Emergenz aus dem Bereich der chemischen Verbindungen. Dem Laplaceschen Dämon bei Alexander ähnlich, führt er einen mathematischen Erzengel („mathematical archangel“90) ein, um zu beweisen, dass es eine theoretische Begrenzung des Wissens gibt:
„[A] mathematical archangel, gifted with the further power of perceiving the microscopic structure of atoms as easily as we can perceive hay-stacks, could no more predict the behaviour of silver or of chlorine or the properties of silver-chloride without having observed samples of those substances than we can at present.“91
Selbst wenn man davon ausgeht, dass die mechanistische Theorie der Chemie wahr ist, verschließen sich dem mathematischen Erzengel zumindest die sogenannten sekundären Qualitäten ihrer Ableitung:
„If the mechanistic theory be true the archangel could deduce from his knowledge of the microscopic structure of atoms all these facts but the last. He would know exactly what the microscopic structure of ammonia must be; but he would be totally unable to predict that a substance with this structure must smell as ammonia does when it gets into the human nose. The utmost that he could predict on this subject would be that certain changes would take place in the mucous membrane, the olfactory nerves and so on. But he could not possibly know that these changes would be accompanied by the appearance of a smell in general or of the peculiar smell of ammonia in particular, unless someone told him so or he had smelled it for himself. If the existence of the so-called “secondary qualities,” or the fact of their appearance, depends on the microscopic movements and arrangements of material particles which do not have these qualities themselves, then the laws of this dependence are certainly of the emergent type.“92
Der mathematische Erzengel hat – da in Broads Argument bereits davon ausgegangen wird, dass Chemie und Biologie mechanistisch erklärbar sind – vollkommene Kenntnis aller naturwissenschaftlichen Fakten. Dennoch, so betont Broad, gebe es – aus dem ‚mathematical archangel‘-Argument folgend – in der Welt einiges, was sich prinzipiell und auch in Zukunft nicht mechanistisch erklären lässt, nämlich sekundäre Qualitäten, so z.B. verschiedene Farben, Temperaturen, Gerüche und Tasterlebnisse.93 Dabei gilt:
„[T]he laws connecting the latter [the secondary qualities] with the former [the microscopic particles and events] are certainly of the emergent type. And no complete account of the world can ignore these laws.“94
4.4 Die Hauptmerkmale emergentistischer Theorien
Aus den Theorien der Britischen Emergentisten ergeben sich mehrere Merkmale. Diese sind als Grundlage für die Betrachtung des Emergenzbegriffs in der modernen Diskussion von großer Bedeutung. Problematisch ist jedoch, welche Merkmale man als konstitutiv für den Emergenzbegriff erachten soll: Charbel Nino el-Hani und Antonio Marcos Pereira führen in ihrer Übersicht über die Merkmale des Emergentismus vier95, Philip Clayton acht96, Godehard Brüntrup fünf97 und Achim Stephan neun98 wesentliche Merkmale an. Da Stephan in Bezug auf die historisch-systematische Betrachtung des Britischen Emergentismus als der herausragende Autor gelten muss, wird hier seiner Einteilung und Beschreibung der Merkmale unter teilweisem Einbezug auch der anderen Autoren gefolgt. Dabei gilt es zu beachten, dass keiner der Britischen Emergentisten sämtliche neun Merkmale vertritt. Entsprechend finden sich manche Merkmale bei allen Britischen Emergentisten, manche wiederum nur bei einem von ihnen.
4.4.1 Naturalismus
Die Theorien des Britischen Emergentismus gehen grundsätzlich von einer naturalistischen Sicht der Welt aus. Damit grenzen sie sich vor allem gegen solche Ansätze ab, die – wie der Vitalismus – übernatürliche Entitäten zulassen. Außerdem wird durch die naturalistische Ausrichtung der empirischwissenschaftliche Anspruch der Theorien unterstrichen. Der Naturalismus, dem sich die Britischen Emergentisten verpflichtet fühlen, besagt, dass in der Evolution nur natürliche Faktoren eine Rolle spielen. Die im Universum vorhandenen Entitäten bestehen somit nur aus natürlichen, d.h. materiellen, Bestandteilen. Ebenso ist alles, was entsteht, nur aus diesen natürlichen Bestandteilen zusammengesetzt. Daher gilt auch für lebendige Entitäten und solche, die einen Geist haben, dass sie aus keinen anderen Komponenten bestehen als die zur unbelebten Natur gehörenden Entitäten. Die naturalistische Konzeption, an der sich die Britischen Emergentisten orientieren, muss als eine schwächere Form des Naturalismus verstanden werden. Würden sie sich sich nämlich einer starken naturalistischen Konzeption verpflichtet fühlen, so müsste man davon ausgehen, dass sich auch emergente Eigenschaften ‚naturalisieren‘ – im Sinne von vollkommen auf physische Vorgänge und Eigenschaften zurückführen – lassen.99 Der schwächere Naturalismus der Britischen Emergentisten geht – Stephan zufolge – daher nicht von der Reduzierbarkeit emergenter Eigenschaften, sondern von ihrer Supervenienz über physischen Eigenschaften aus.100
4.4.2 Neuartigkeit und systemische Eigenschaften
Im Laufe der Naturgeschichte kommt es wiederholt zur Entstehung von genuin Neuartigem. Dabei gehen die jeweils vorhandenen (natürlichen) Bausteine neue Konstellationen ein, wodurch sich neue Strukturen ausbilden. Durch diese Neustrukturierung konstituieren sich neuartige Entitäten mit neuartigen Eigenschaften und Verhaltensdispositionen.101 Bei dem, was als genuin neuartig charakterisiert wird, kann es sich nicht um numerisch neue Entitäten, Eigenschaften oder Strukturen handeln. Denn – dem Verständnis Mills und Lewes’ (homopathischer Eigenschaften bzw. Gesetze und Resultants) ähnlich