Wie betest du?. Группа авторов
Ich glaube, ihn finden zu können, weil ich weiß, dass er schon da ist.
Josef Bill SJ, Köln, geb. 1927
Geschenkte Verlebendigung
1. Zuerst drängt sich das Bittgebet auf. Ich richte mich an Gott und bete – für Gesundheit, für den erfreulichen Verlauf der Woche, für den stärkenden Kontakt mit Mitmenschen und für gute Jahre. Diese Bitten selbst leben aus Vertrauen auf Gott, kräftigen mich und öffnen mich auf die Evangelien.
2. Das Neue Testament lässt den sorgenden Gott vor mir entstehen. Die Sorge um mich erschließt mir also den sorgenden Geber von Vertrauen und Kraft! Und je mehr ich bitte, desto stärker rückt Er, Gott, in den Blick; und Er weckt bei mir, der ich als Mensch, als offenes Wesen, immer möglichst alle Rahmen sprenge und möglichst alles einbeziehe, die Frage: Was aber ist für Ihn zu besorgen? Irgendetwas? Die Sorge um mich wird so zur Sorge für Ihn.
3. Was für Ihn selbst zu besorgen ist, verlebendigt sich immer stärker: Es ist die zu besorgende, zu erfüllende Pflicht, Ihn zu ehren, zu preisen und anzubeten. Und ich begreife immer wieder und tiefer, dass meine tiefste Bitte und die mir bleibende Sorge der Anbetung gelten sollen.
4. Sobald ich aber die Anbetung ernst nehme, erkenne ich: In dem Maße, wie ich mich auf Ihn hin anbetend ausrichte, antwortet wiederum der angebetete Gott auf seine wunderbare, liebende Weise! Auf jede Anbetung folgen Seine Aufmerksamkeit auf mich, Seine Antwort und Seine Hilfe.
5. Zum einen schenken mir Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist immer klarere Einsicht in mein Leben. Und ich muss mich immer tiefer dafür bedanken, dass ich von diesen Eltern gezeugt bin, dass ich letztlich aber von Ihm dieses Leben geschenkt erhielt und erhalte und dass ich auf dem steinigen, gewundenen Weg und über Stufungen eines bewegten Lebens auf Ihn zugehe.
6. Auch schenkt Er die Erkenntnis, dass ich Seine Hilfe Sekunde für Sekunde empfangen durfte und ständig diese Seine Aufmerksamkeit für mich entgegennehmen und genießen darf.
7. Ich erkenne in Demut, dass Er sich unablässig für mich einsetzt, mich gewissermaßen dadurch ehrt und würdigt.
Norbert Brieskorn SJ, München, geb. 1944
Wie ich bete? Je nach Situation
Es war früher anders als jetzt mit 85 Jahren. Als Kind lernte ich bei der Mutter beten – sicher war das von entscheidendem Einfluss für mein späteres Leben.
Im Krieg kam ich mit der »Kinderlandverschickung« von Duisburg-Hamborn nach Ellwangen. Um dem Militäreinsatz zu entgehen, kam ich im März 1945 auf eine Nazisonderschule in Süddeutschland. Von dort floh ich im April und geriet auf dem Rückweg nach Ellwangen in französische Gefangenschaft. Obwohl ich kein Soldat war, marschierte ich mit 400 gefangenen Soldaten in Richtung Frankreich. Als ich am 30. April morgens den Rosenkranz betete, gelang mir mittags die Flucht. Abends, als die Gefangenen weitergegangen waren, ging ich mit den Leuten, die mich versteckt gehalten hatten, in die Dorfkirche zur Eröffnung der Maiandacht, mit Empfindungen, die ich nur schwer vermitteln kann.
Nachdem ich im Herbst 1945 nach Hause zurückgekehrt war, erlebte ich, wie der Kaplan am Ende der Kindermesse rief: »Herz Jesu, du sollst ganz allein« – und alle fuhren laut fort – »in meinem Herzen König sein!« Das wurde mir ein liebgewordenes Gebet, Programm und Bitte zugleich für mein ganzes Leben.
Nach dem Noviziat (1947–1949) ging es zum Philosophiestudium nach Pullach. Dort empfahl mir unser Spiritual Pater Steger: »Beten Sie oft, ›Jesus, du hast mich lieb!‹, das bringt Sie weiter als das ganze kommende Theologiestudium.« Ich vergaß es zwar im Lauf der Jahre, bis ich in Köln Pater Schuh predigen hörte: »Mensch, du kannst leben, wie du willst. Gut oder nicht, beten oder nicht, in die Messe gehen oder nicht: Du bist immer von Gott geliebt!« Das erinnerte mich an den kurzen Gebetssatz von Pater Steger. Seitdem ist es mir ein vertrautes Gebet.
Zu Beginn des Betens oder der Betrachtung spreche ich gewöhnlich Jesu Gebet der Lobpreisung, des Vertrauens und der Anbetung: »Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde …« (Mt 11,25). Ich fahre fort, indem ich mir mit Paulus auf dem Areopag die Gegenwart Gottes bewusst mache: »In dir leben wir, bewegen wir uns und sind wir« (Apg 17,28), und schließlich noch mit Johannes: »Du hast in unserer Seele Wohnung genommen« (Joh 14,23).
Wenn ich mir Zeit nehmen kann, spreche ich öfter die einzelnen Bitten des Vaterunser, des Gebets ›Seele Christi, heilige mich‹ nach Art des Rosenkranzgebets, jede Bitte zehn Mal langsam wiederholend.
Auch sonst wechsle ich gerne ab: Je nach Anliegen zu Gott, dem Vater als sein Kind, zum menschgewordenen Gottessohn als sein ›Gefährte‹ in der ›Gesellschaft Jesu‹, zum Heiligen Geist als Quell der Gottes- und Nächstenliebe. Dabei wiederhole ich gerne beliebig oft die Kyrie-Rufe.
Ich lasse mich also anregen vom »Geist, der weht, wo er will« (Joh 3,8).
Erwin Bücken SJ, Berlin, geb. 1928
still.sein
Es war am Beginn der 1980er Jahre. Ich hatte gerade das Jesuitennoviziat beendet und in Innsbruck mit meinem Theologiestudium begonnen. Ich war in einer Krise. In mir war ein großes Durcheinander an Gedanken und Gefühlen, an Bedürfnissen, Wünschen und Ängsten. Manchmal wusste ich nicht mehr ein und aus, ich war verzweifelt.
Damals ging ich oft in die Jesuitenkirche. Dort geschah etwas Wichtiges für mein Leben und Beten. Von Kindheit an war ich es gewohnt zu beten. Ich hatte es von meinen Eltern gelernt, wir haben es in unserer Familie gemeinsam getan. So bat ich Gott auch in dieser für mich so schweren Zeit um Hilfe. Ich brachte ihm meine Anliegen vor, teilte ihm meine Gedanken mit und drückte meine Gefühle vor ihm aus. Als ich in meinem inneren Chaos so dasaß, meine Augen auf den goldenen Tabernakel in der dunklen Kirche gerichtet, wurde ich nach einiger Zeit gewahr, wie meine Gedanken und Gefühle allmählich leiser wurden und in den Hintergrund traten. In den Vordergrund traten Ruhe und Frieden und eine stille Freude. Ich wurde mir eines Daseins bewusst, das nicht ich hervorgebracht hatte, eines Seins, das nicht ich, aber in mir war. In solchen Momenten spürte ich kein Bedürfnis mehr, mit Gott zu sprechen. Da war nur noch der Wunsch, bei diesem inneren Empfinden der Gegenwart Gottes zu verweilen und sie wirken zu lassen. In diesen Augenblicken war alles da, es musste nichts mehr weg, und es fehlte nichts. Alles war so gut. Überrascht und erstaunt, aber erfüllt, verließ ich nach solchen Zeiten die Kirche.
Das Erleben in der Jesuitenkirche lockte und schickte mich auf den Weg, immer wieder die Stille zu suchen, sie auszuhalten, sie zu bewahren und sie zu mir sprechen zu lassen. Stille wurde mein Gebet.
Die Stille drängt sich nicht auf. Lärm, Geräusche, Stimmen – äußere wie innere – dringen ständig an unser Ohr. Der Stille aber muss man sich aktiv zuwenden, man muss auf sie lauschen, will man ihrer bewusst werden.
Bis heute versuche ich mich immer wieder der Stille zuzuwenden. In der Natur, in einem stillen Raum, im Atem. Manchmal entdecke ich gleich das Einladende und Anziehende von ihr. Manchmal nicht. Häufig gehen mir tausend Gedanken durch den Kopf, wichtige und unwichtige, interessante und belanglose. Mir kommt etwas in den Sinn, was ich vergessen habe zu erledigen. Oder ich überlege, was ich am Sonntag predigen könnte. Oder es taucht ein Mitbruder auf, mit dem ich einen Konflikt hatte. Und schon bin ich in einer inneren Auseinandersetzung mit ihm. Argumente gehen hin und her, ich werde ärgerlich, ja wütend.
Ich kenne es gut: Wenn es äußerlich still wird, wird es oft innerlich umso lauter. Und dann? Im Laufe der Zeit und unter Anleitung vieler Menschen habe ich gelernt, meine Aufmerksamkeit, die von Gedanken und Gefühlen abgezogen wird, bestimmt und geduldig – sanft – immer und immer wieder der Stille, die ja da ist und da bleibt, zuzuwenden. Ich versuche alles, was mir durch Kopf, Herz und Bauch geht, wahrzunehmen, zuzulassen und wieder loszulassen. Stille wird und ist so der Raum, in dem alles da sein darf, in dem ich da sein darf, wie ich bin. Die Stille