Wohlstand anders denken. Группа авторов

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den Banken geriet die Weltkonjunktur insgesamt ins Schleudern. Import, Export, Investitionen und Konsum gingen zurück, was Arbeitsplätze kostete oder Kurzarbeit und Gehaltseinbußen nach sich zog, was wiederum die Inlandsnachfrage beeinträchtigte, was die Konjunktur und Arbeitsmarktsituation erneut negativ beeinträchtigte usw. Die Weltfinanzkrise vernichtete nach Schätzungen von IWF und ILO 30 000 000 gut bezahlte Arbeitsplätze. Am meisten natürlich dort, wo überhaupt Jobs sind, aber auch dort, wo die Jobsituation ohnehin schon schlecht ist.9 Besonders hart betroffen waren exportorientierte Länder: In Sambia wurde beispielsweise ein Drittel aller Jobs in der Kupferindustrie vernichtet, einem Land ohne Arbeitslosen- und Sozialversicherung, wo jeder Job zwischen 15 und 25 Familienmitglieder ernähren muss.10 Verschärft wird die Situation dort, wo viele Jugendliche heranwachsen und Jobs suchen. Der UNICEF-Jahresbericht 2011 weist darauf hin, dass weltweit 81 000 000 Jugendliche arbeitslos waren, soviel wie noch nie zuvor, dass aber nirgends die Situation so schlimm sei wie in Nordafrika, wo bis zu 25% aller Jugendlichen betroffen sind.11

      Auch der Welthunger stieg wieder an, und dies, obwohl eigentlich niemand bestreitet, dass es auf der Erde genügend zum Essen gibt. Die Preissteigerungen begannen ab der zweiten Hälfte 2007, als viele Investoren ihre Gelder in den Gütermarkt und dort beispielsweise gehandelte „Agrarrohstoffe“ umlenkten, um anderweitige Verluste ausgleichen zu können. Entsprechend berichtet der aktuelle Foodwatch-Report, dass zum März 2011 600 Milliarden US$ durch Versicherungen, Pensionsfonds und andere Anleger in Papiere investiert waren, die Investmentbanken und Hedgefonds für Wetten mit Rohstoffen, darunter Mais und Weizen, aufgelegt haben.12 Damit unterliegen nun auch Agrarrohstoffe den Preisschwankungen, die computergesteuerte Handelssysteme erzeugen, inklusive heftiger Preissteigerungen, die, je nach Berechnungsgrundlage, in den letzten Jahren zwischen 100% und 150% liegen.13 Hinzu kommt, dass Nahrungsmittelpreise in armen Haushalten ganz anders zu Buche schlagen als in reichen Haushalten: Während in einem Industrieland Nahrungsmittel typischerweise 10% bis 20% der monatlichen Haushaltsausgaben umfassen, liegt ihr Anteil in armen Ländern bei 60% bis 80%. Steigen Grundlebensmittel auf dem Weltmarkt um 50%, macht dies im Haushaltsbudget reicher Länder eine sechsprozentige, in armen und Lebensmittel importierenden Ländern eine 21%ige Steigerung aus.14

      Welche Auswirkung eine Kombination von Arbeitslosigkeit und überteuerten Lebensmitteln haben kann, haben der Arabische Frühling und die Aufstände in Marokko, Algerien, Tunesien, Libyen und Ägypten gezeigt, wo bei den Ursachen auch überteuerte Lebensmittel und hohe Arbeitslosigkeit eine Rolle gespielt haben. Aber: Auch in reichen Ländern kommt es angesichts der Auswirkungen zunehmend zu teilweise gewalttätigen Protesten gegen die Sparpolitik der Staaten, die zugunsten der Banken und zulasten der Bürger geht: Was in Athen und London passierte, kann morgen in Paris, Berlin und Spanien geschehen – gerade in Spanien, wo die Jugendarbeitslosigkeit inzwischen bei unvorstellbaren 45% liegt.

       Technische Lösungsansätze

      Natürlich sind sich alle darüber im Klaren, dass ‚man etwas tun muss‘. Und natürlich gibt es technische Lösungsansätze, mit denen im nationalen, europäischen und internationalen Kontext versucht wird, die schlimmsten Auswüchse der gegenwärtigen Krisen zu mildern oder gar aufzufangen. Einige Beispiele sind:

      – Einschränkung des Eigenhandels der Banken, also des Handels der Banken ohne Kundenauftrag,

      – Erhöhung des Eigenkapitals bei Banken, um sie weniger abhängig von öffentlicher Stützung zu machen,

      – Einschränkung des Computerhandels,

      – Verbot von ungedeckten Leerverkäufen und Kreditausfallsversicherungen, die etwa beim Spekulieren gegen den Staatsbankrott eine wichtige Rolle spielten,

      – Transparenz des Schattenbankensektors,

      – Ermöglichen von Bankeninsolvenzen, um Risiken, die von systemrelevanten Banken ausgehen, zu verringern,

      – Verbot des Handels mit Lebensmitteln,

      – Und so weiter.

       Probleme beim Gegensteuern

      Freilich: Ein Gegensteuern ist, selbst wenn man weiß, wie es laufen könnte, nicht so leicht umzusetzen: Staaten haben es extrem schwer, die Deregulierung rückgängig zu machen, selbst dort, wo sie entschlossen dazu sind. Staaten sind an Gesetz und Verträge gebunden sowie demokratischer Kontrolle unterworfen, was ihr Vorgehen deutlich erschwert im Vergleich zu Kapitalgesellschaften, deren Vorstände wichtige Entscheidungen hinter verschlossenen Türen fällen können und bestenfalls einmal im Jahr ihren Aktionären und Anlegern Rechenschaft geben müssen. Konkret: Den eben erwähnten 147 Mega-Finanzmarktakteuren, die über eine gemeinsame Unternehmenskultur und grenzübergreifende Strukturen verfügen, stehen 194 politische Staaten gegenüber, die durch politische, gesellschaftliche, rechtliche, kulturelle und so weiter Unterschiede charakterisiert sind und sich entsprechend schwertun, bei irgendetwas zu kooperieren. Das zeigen weltweit beispielsweise die Positionen innerhalb der G20, wo Länder wie Brasilien, Indien oder China die Weltfinanzkrise (nicht zu Unrecht!) primär für ein Problem der westlichen Staaten erklären. Dann gibt es innerhalb der westlichen Staaten die unterschiedlichen Kulturen des angelsächsischen und des kontinentaleuropäischen Bankensystems, dann gibt es wiederum das sehr spezielle deutsche Dreibankensystem mit Sparkassen, Privat- und Genossenschaftsbanken.

      Darüber hinaus darf man die Macht und den aktiven Widerstand der Finanzmarktakteure gegen alle Versuche, seine Profitabilität zu beschneiden, nicht unterschätzen. Verbündete haben sie durch Vertreter der universitären Lehrstühle, die immer noch der ‚orthodoxen neoliberalen Mainstream-Lehre‘ anhängen, durch Minister oder Mitarbeiter in Regierungsbehörden, die zuvor im Finanzsektor gearbeitet haben und deren Tür entsprechenden Lobbyisten weit offen steht,15 oder durch Redakteure einschlägiger Fachzeitungen. Die Regierungen nicht nur der USA und Großbritanniens stehen unter enormem Druck der Finanzmarktakteure, die drohen, ihre Geschäfte dorthin zu verlagern, wo man sie weiterhin ungestört lässt.

      Und schließlich muss man die menschliche Natur nüchtern einschätzen: Es wird immer Leute und Institutionen geben, die machen, was mangels Kontrolle möglich ist, bevor es jemand anders macht, und so weiter.

      Aber selbst wenn es einer nennenswerten Anzahl von Regierungen gelingen würde, eine Reihe der vorgenannten technischen Lösungsansätze umzusetzen, besteht die Gefahr, dass es sich dabei nur um Lückenstopfen und Flickwerk handelt.

       Grundsätzliche Fragen

      Viel grundsätzlicher wäre zu fragen, wie denn eine gerechtere, funktionsfähige, alternative gesellschaftspolitische Ordnung aussehen könnte, nachdem die reine Planwirtschaft (Sozialismus, Kommunismus) ebenso versagt hat wie die reine Marktwirtschaft. Bundeskanzlerin Merkel preist, etwa auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos 2009, nicht zu Unrecht die Soziale Marktwirtschaft als „dritten Weg“ an, die der Nachkriegs-Bundesrepublik zu großem Wohlstand verholfen hat und die zu wesentlichen Teilen aus der Katholischen Soziallehre inspiriert wurde. „Der Staat ist der Hüter der sozialen Ordnung, aber Wettbewerb braucht Augenmaß und soziale Verantwortung“, so Merkel.16

      Aus ethischer Perspektive darf jedoch nicht übersehen werden, dass auch dieser Ansatz mit Nachteilen behaftet ist. Um nur einen zu nennen: Auch die Soziale Marktwirtschaft konnte nicht verhindern, dass national und weltweit Einkommen und Vermögen immer weiter auseinandergedriftet sind. Das Vermögen der sogenannten „High Net Worth Individuals“ stieg 2010 auf einen neuen Höchststand: Weltweit besaßen 10,9 Millionen Menschen ein Vermögen von 42,7 Billionen US$, während immer noch nahezu eine Milliarde Menschen Hunger leiden.17 Ein Grund dafür ist sicher auch, dass ein wichtiger Aspekt der Katholischen Soziallehre, nämlich die Sozialpflichtigkeit des Eigentums, nie wirklich umgesetzt wurde. Zurückgehend auf die angelsächsische Tradition stand und steht Eigentum in der Verfügung des Individuums. Vom durch unternehmerisches Handeln gemehrten Reichtum profitieren die Armen etwa durch den trickle-down-effect oder durch die Ausübung


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