Nach Gott fragen zwischen Dunkel und Licht. Mirjam Schambeck

Nach Gott fragen zwischen Dunkel und Licht - Mirjam Schambeck


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erleben ihn einmal als Verborgenen, einmal als Nahen, als einen, der sie erfüllt, und als den, der fern gerückt ist.

      Die Wege zu Gott sind so vielfältig wie die Menschen selbst. Von daher existieren ganz unterschiedliche Weisen, ihn zu vernehmen oder aber auch, sich von ihm zu verabschieden. Ein erstes Kapitel beleuchtet diese Wege des (Nicht-)Fragens nach Gott und bringt sie in einem zweiten Kapitel ins Gespräch mit dem, was Franziskus von Gott erahnt und verstanden hat. Das mag angesichts des zeitlichen Abstands von rund 800 Jahren erstaunen. Was kann uns ein mittelalterlicher Mensch, der in ganz anderen gesellschaftlichen Systemen lebte und sich in uns fremden Denkmustern äußerte, heute sagen ? Es ist wahr : Mit Franz von Assisi ins Gespräch zu kommen, ist nicht einfach ungebrochen möglich, sozusagen über den Sprung des zeitlichen Abstands hinweg. Dazu bedarf es mehr als nur der „Übersetzung“. Die Wege, auf denen Gott sich Franziskus zeigte, können nicht einfach „nachgegangen“ werden. Sie sind vielmehr Marker, die ins Nachdenken bringen wollen, welche Wege sich heute auftun, um Gott zu begegnen, wo Gott heute gesucht werden will und Menschen heute von Gott gefunden werden. Denn so beredt Zeug/-innen vergangener Zeiten von Gott sprechen mögen, so leer bleiben deren Zeugnisse, wenn sie nicht je neu vom Menschen ausgelotet, durchbuchstabiert, in der eigenen Lebensgeschichte lebendig werden.

      Dieses Buch versteht sich als ein Versuch, diese alten Texte der franziskanischen Tradition und die in ihnen eingewobenen Gotteserfahrungen zum Sprechen zu bringen, Akzente franziskanischer Spiritualität zu markieren, das eigene Leben mit seinen Fragen in sie hineinzuhalten, um dadurch manches bislang Ungesehene zu entdecken oder vielleicht sogar Hoffnungen gelten zu lassen, die noch gar nicht existierten.

      1. Wege des (Nicht-)Fragens nach Gott

      Nach Gott zu fragen ist auf ganz unterschiedliche Weise möglich. Das Verstummen vor ihm gibt es genauso, wie Gott in der Tiefe zu vernehmen. Menschen sehnen sich nach diesem Gott – und doch bleibt über allem die Frage aufgerichtet, ob Gott überhaupt existiert, ob es lohnt, über das hinauszudenken, was auf der Hand liegt, bzw. ob nicht die in säkularen Gesellschaften immer selbstverständlicher werdende Erfahrung ausreicht, dass ohne Gott das Leben auch ganz gut gelingen kann. Die im Folgenden aufgezeigten unterschiedlichen Weisen, die Gottesfrage zu stellen, gelten für die meisten Menschen wohl kaum in „Reinform“. Eher sind es Facetten dieses und jenes Weges, die die eigene Gottsuche kennzeichnen, bzw. ist es je nach Lebensphase mal dieser und mal jener Aspekt, der in den Vordergrund tritt, wenn die Gottesfrage ansteht. Von daher mag es hilfreich sein, sich unterschiedliche Wege des (Nicht-)Fragens nach Gott zu vergegenwärtigen, um den eigenen Weg deutlicher in den Blick zu bekommen und die eigenen Fragen bewusster zu stellen.

      Auf den Menschen geworfen – atheistische Gottesfrage

      Gott zu bestreiten ist so alt wie nach Gott Ausschau zu halten. Im Grunde gehört beides zusammen. Es ist nicht möglich, nach Gott zu tasten, sich nach ihm zu sehnen, ohne die Erfahrung zu kennen, ihn radikal in Frage gestellt zu wissen. Die unterschiedlichen Religionskritiken der Vergangenheit und der Gegenwart bezeugen das auf ihre Weise.

      Ein besonders nachdenklich stimmender Einwurf stammt von Albert Camus (1913–1960). Er stellt mit seinen unterschiedlichen literarischen Figuren die schicksalshafte Ahnung in den Raum, dass da vielleicht doch nichts ist als nur das Leben, die Natur, eventuell noch der Zufall und die selbstlose Solidarität mit den Leidenden. In klaren Strichen entfaltet Camus in seinem Roman „Die Pest“ einen Atheismus, der nicht einfach von der Hand zu weisen ist. Dieser Atheismus arbeitet sich ab an diesem Gott, der erklärungsbedürftig geworden ist angesichts des Leids der Menschen, gerade der Unschuldigen und derer, die dem Leben, ob sie es wollen oder nicht, ausgeliefert sind. Angesichts aller vergeblichen Versuche, das Leid der Menschen zu beseitigen, es zu erklären oder ihm gar Sinn abzugewinnen, muss der Mensch – so Camus – schließlich die Wahl vollziehen und zu der Einsicht kommen, dass es da nichts gibt, wo Menschen früherer Tage Gott vermuteten.

      Auf ungekannte Schärfe formuliert Camus damit, wie nahe sich Gottesbejahung und Gottesbestreitung sind. Zwischen beiden liegt nur ein hauchdünner Spalt, auch wenn die Deutungen in ganz unterschiedliche Welten weisen. Für Camus heißt das, dass sich alles an der Freiheit des Menschen entscheidet. Sie ist das Vermögen, mit dem der Mensch darüber befindet, ob er von der Existenz Gottes ausgeht und die Welt in diesem Horizont denkt oder aber sich mit der aus dem Abgrund kriechenden Ahnung abzufinden hat, dass da nichts ist, nichts und niemand, wo man Gott erhoffte. Wählt der Mensch diesen letzten Weg, dann bleibt eine Welt, in der der Mensch auf sich selbst geworfen ist, in der nur das Vorfindliche zählt, in der es keine Antwort auf die grundlegenden Fragen gibt. Zu leben bedeutet dann, diese Absurdität auszuhalten. Bei Camus heißt das nicht, dass alles ins Bodenlose oder Unmoralische abgleiten würde. Der Einsatz für die anderen, und insbesondere die Schwachen, wird sogar heroisch, weil er trotz des Wissens geboten ist, dass es keinen tragenden Grund für die Sehnsucht des Menschen nach einem Ankommen bei Gott gibt.

      Mindestens seit dem Existentialismus ist damit die Gottesfrage radikalisiert, weil sie vor die endgültige Möglichkeit gestellt ist, dass es nur noch den Menschen gibt, wo Gott erhofft wurde. Damit aber wird der Mensch, der qua se ein Fragender ist, einer der Ausschau hält, der sucht und umherschweift, zur tragischen Existenz. Als einer, in den die Sehnsucht nach einem Größeren eingezeichnet ist, muss er sich damit abfinden, dass da nichts ist, außer dem Menschen selbst.

      Die Suche nach Transzendenz interessiert nicht – der Indifferentismus

      Diese atheistische Weise, mit der Frage nach Gott umzugehen, findet heute im Indifferentismus eine Zuspitzung. Hier geht es nicht mehr darum, die Gottesfrage zwar zu stellen, aber nach redlicher und sich selbst nicht schonender Weise zu entdecken, dass sie negativ beantwortet werden muss. Im Indifferentismus ist die Gottesfrage selbst obsolet geworden. Sie interessiert nicht mehr. Das Leben geht in dem auf, was der Alltag so bringt. Laut religionssoziologischer Analysen kommen in Deutschland ca. 30 % der Bevölkerung ohne einen Bezug zu einer Religionsgemeinschaft aus. Dieses sogenannte konfessionslose Drittel zeigte sich in den letzten zehn Jahren als stabile Größe. Für die Zukunft lässt sich abschätzen, dass sich immer mehr Menschen von den Kirchen und Religionsgemeinschaften verabschieden werden. Charakteristisch für diese Gruppe und deren Lebenseinstellungen ist, dass sie glücklich sind, auch ohne sich als religiös zu verstehen. Nach eigenen Aussagen fehlt ihnen nichts. Wichtig sind die Familie und die Freunde. Wenn Schweres ansteht, dann müsse man das eben mit sich selbst ausmachen.

      Dass da einer ist, der versprochen hat, bei den Menschen zu sein, mit ihnen zu gehen (vgl. Ex 3,7), weil er die Klage seines Volkes gehört hat, ist für viele Menschen zu einer fremden Erfahrung geworden. Vermuteten Theologen und Theologinnen noch, dass sich der Indifferentismus von selbst auflösen wird, wenn Menschen mit leidvollen Situationen oder gar mit dem Tod konfrontiert werden, so erweist sich diese Annahme zunehmend als hinfällig. Gerade in den neuen Bundesländern verstehen sich Menschen nun schon über mehrere Generationen hinweg als a-religiös und nicht weniger glücklich, aber auch nicht weniger moralisch, als das Menschen tun, für die Gott im Leben wichtig ist. Gott ist aus dem Horizont vieler Menschen verschwunden. Und es scheint auch fraglich, ob er dorthin wieder zurückkehrt.

      Auf der Suche nach dem Ultimaten – mäandernde Religiositäten

      Andererseits erstaunte es nicht nur Kirchenleute, dass die von Religionssoziolog/-innen noch in den 1960er und 1970er Jahren vertretene These, dass sich Religion mit der fortschreitenden Moderne notwendigerweise mehr und mehr verflüchtigen wird (Säkularisierungstheorem), nicht bewahrheitet hat. Im Gegenteil : Studien sprechen heute von einem „Megatrend“ Religion. Auffällig ist allerdings, dass sich diese religionsfreundliche Stimmung jenseits des jüdisch-christlichen Gottesverständnisses abspielt. Die kirchliche Sprache ist zu entleert, die Worte über den Gott Jesu Christi zu lebensfern geworden, als dass sie Menschen in Anspruch nehmen, um darin ihren Lebenssinn zu artikulieren und nach Transzendenz zu fragen.

      Dahinter verbirgt sich einer der


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