Lebendig alt sein. Heribert Arens

Lebendig alt sein - Heribert Arens


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fit. Beides macht den Menschen zwar nicht an Jahren jünger oder älter, aber es gibt den Jahren eine eigene Qualität: Frische, Energie, Lebenslust auf der älteren, Initiativlosigkeit, Trägheit, Unbeweglichkeit auf der jüngeren Seite. Alter definiert sich nach der Anzahl der Jahre, aber das ist nicht die einzige Definition.

      „Man kann nicht früh genug anfangen, alt zu werden“, sagt der Volksmund. Das will nicht sagen, dass ich als Kind schon lernen soll, ein Greis zu sein. Vielmehr ist es die beste Vorbereitung auf die hochbetagten Lebensjahre, wenn der Mensch der Phase gemäß lebt, in der er sich befindet: Bist du ein Kind, lebe wie ein Kind. Bist du ein Jugendlicher, lebe wie ein Jugendlicher. Bist du in der Lebensmitte, lebe diese Phase. Einüben ins hohe Lebensalter geschieht dadurch, dass ich einfach jede Lebensphase im Hier und Heute so lebe, wie es ihr angemessen ist. Dann bin ich vorbereitet, auch im Altsein entsprechend zu leben.

      Die Altersforschung kennt für diese Phase viel Anregendes. Dabei geht es nicht nur um Pragmatisches, sondern auch um Spirituelles, um Nahrung für Geist und Seele. Dazu haben wir Nachdenkenswertes in der Hl. Schrift und auch rund um das Leben des heiligen Franziskus entdeckt. In diesem Dreiklang – Lebenshilfe, Biblisches, Franziskanisches – sind die Überlegungen des vorliegenden Bandes entstanden.

      Dieses Buch haben wir zu zweit in folgender Arbeitsweise geschrieben:

      Gemeinsam haben wir Kurse zum Thema „Alter“ erarbeitet und mit zahlreichen Teilnehmern und Teilnehmerinnen durchgeführt. Viele Früchte sind aus der Kursarbeit entstanden und in die Überlegungen dieses Buches eingeflossen. Wichtige Stichworte aus unserem Buch „Du hast mein Klagen in Tanzen verwandelt“ – siehe Literaturhinweise „zum Weiterlesen“ – haben wir aufgegriffen, weitergeführt und vertieft, denn sie sind uns für die Behandlung des Themas wichtig. P. Heribert Arens schrieb die ersten Textentwürfe, Sr. Martino Machowiak hat sie durchgearbeitet, gekürzt oder erweitert – und zu einem Gedanken aus jedem Kapitel eine kurze vertiefende Meditation geschrieben.

      Lange haben wir in der Entstehung dieses Buches vom „Altwerden“ gesprochen. Die Reflexion des eigenen Lebensalters ließ uns spüren: Es geht nicht um Altwerden, sondern um Altsein. Diese Sichtweise unterstreicht James Hillmann in seinem Buch „Vom Sinn des langen Lebens“2. Er entfaltet, dass wir Dinge gerade deshalb schätzen, weil sie alt sind. Das sollte auch für den alten Menschen gelten. Dazu braucht es ein Umdenken. Wir sprechen, so Hillmann, zu viel von „altern“. Altern aber meint einen Prozess mit einem Abwärtssog, der im Tod endet. Hier und heute alt sein aber bedeutet einen großen Wert, denn es weiß um den Reichtum an Leben und Erfahrung. Um das zu erkennen und zu bejahen, braucht es den Mut, alt zu sein.

      Diese Lebensphase „Altsein“ soll uns nicht ächzend und depressiv vorfinden, sondern lebendig und mit Lust am Leben. So entstand der Titel: „Lebendig alt sein“. Mit Freude übergeben wir Ihnen unsere Gedanken.

      Dieses Manuskript konnten wir Ende März abschließen. Unter dem Eindruck der Corona-Pandemie geben wir es aus der Hand. Der alte Mensch ist durch dieses Virus besonders gefährdet, weil sein Immunsystem an Stärke verloren hat und in Konfliktsituationen dem Leben von Jüngeren ein Vorrang eingeräumt wird. Unser Wunsch ist es, dass viele alte Menschen die Pandemie überleben und auch weiterhin ein Schatz unserer Gesellschaft sind.

      Dorsten/Neuenbeken, März 2020

      P. Heribert Arens ofm – Sr. Martino Machowiak cps

      ich bin alt

      ich

      werde alt

      oft zu hören

      bei betagten menschen

      aber wieso

      ich werde alt –

      nein

      ich bin alt

      ich darf alt sein

      in gelassenheit

      und

      in dankbarkeit

      für alles

      was erst jetzt möglich wird

      1. Faszination Alter – „erst jetzt!“

      Auch wenn jeder weiß, dass sich im Altsein Mühsal und Beschwerden einstellen können, lenken wir den Blick zunächst bewusst in eine andere Richtung: Das Alter ist eine spannende Lebensphase, ganz gleich ob ein Mensch die dritte, die vierte oder gar die Phase der Langlebigkeit/Hochaltrigkeit erreicht hat. Alter kann faszinierend sein – nicht erst seit dem fantastischen Roman von Jonas Jonasson: „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“3. Auch wenn nicht jeder alte Mensch die Abenteuerlust des hundertjährigen Allan Karlsson hat: Im älter werdenden Menschen steckt immer noch viel an Lebenslust, an Kreativität, an Lebensenergie und Lebenssattheit, die einfach Freude an jedem neu geschenkten Tag erleben lässt.

      Nur bedingt gültig ist darum heute die Weisheit des Psalm 90, in dem es heißt: „Unser Leben währt siebzig Jahre, und wenn es hochkommt, sind es achtzig. Das Beste daran ist nur Mühsal und Beschwer“ (Ps 90,9–10).

      Für manche mag dieses Psalmwort ja stimmen. Aber auch das stimmt: Alter kann zwar Last sein, aber auch Lust; Alter bedeutet nicht Kranksein, auch wenn der alte Mensch krank sein kann, sondern auch Gesundheit und Vitalität; Alter verbindet sich nicht in erster Linie mit Demenz und Alzheimer, sondern auch mit geistiger Frische, Interesse und Teilnahme am Leben der Umgebung und der Welt.

      Samuel Ullmann, amerikanischer Dichter, vor allem bekannt durch sein Buch „Youth“ (Jugend), findet dafür treffende Worte, deren deutsche Übersetzung dem „Urwalddoktor“ Albert Schweitzer zugeschrieben wird (in Auszügen):4

      Du bist so jung wie deine Zuversicht

      „Jugend ist nicht ein Lebensabschnitt, sie ist ein Geisteszustand.

      Sie ist Schwung des Willens, Regsamkeit und Fantasie, Stärke der Gefühle,

      Sieg des Mutes über die Feigheit, Triumph der Abenteuerlust über die Trägheit.

      Niemand wird alt, weil er eine Anzahl Jahre hinter sich gebracht hat.

      Man wird nur alt, wenn man seinen Idealen Lebewohl sagt.

      Mit den Jahren runzelt die Haut,

      mit dem Verzicht auf Begeisterung aber runzelt die Seele.

      Sorgen, Zweifel, Mangel an Selbstvertrauen, Angst und Hoffnungslosigkeit,

      das sind die langen, langen Jahre, die das Haupt zur Erde ziehen

      und den aufrechten Gang in den Staub beugen. …

      Du bist so jung wie deine Zuversicht, so alt wie deine Zweifel,

      so jung wie deine Hoffnung, so alt wie deine Verzagtheit. Solange die Botschaft der Schönheit, Freude und Kühnheit,

      der Größe der Erde, des Menschen und des Unendlichen dein Herz erreicht, so lange bist du jung.

      Erst wenn die Flügel nach unten hängen und das Innere deines Herzens

      vom Schnee des Pessimismus und vom Eis des Zynismus bedeckt ist,

      dann erst bist du wahrhaftig alt geworden.“

      Gelingendes Alter ist eine Frage der Lebendigkeit und der Freude am Leben. Es ist die Kunst, auch da, wo sich Einschränkungen melden, dem Leben den Vorrang zu geben, Chancen und Möglichkeiten, die da sind, wahrzunehmen und ihrer Einladung zu folgen.

      In unseren Kursen zur Dritten und Vierten Lebensphase wurde die Fragestellung: „Was will ich erst jetzt?“ zum Schlüssel, über lebendiges Altsein nachzudenken. Die Antworten lesen sich eindrucksvoll. Sie sind Zeugnisse, dass das Alter reich sein kann an zunehmender Kompetenz und zunehmenden Möglichkeiten. Voraussetzung ist, den Blick vom Starren auf das „nicht


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