Herausgeforderter Glaube. Karl Hillenbrand
Karl Hillenbrand
Herausgeforderter Glaube
Zwischenrufe zu Zeitfragen
Karl Hillenbrand
Herausgeforderter Glaube
Zwischenrufe zu Zeitfragen
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation
in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische
Daten sind im Internet über ‹http://dnb.d-nb.de› abrufbar.
© 2012 Echter Verlag GmbH, Würzburg
www.echter-verlag.de Umschlag: Stefan Weigand Umschlagbild: © Sieger Köder, Das Gewand Jesu Satz: Hain-Team, Bad Zwischenahn (www.hain-team.de) Druck und Bindung: CPI – Clausen & Bosse, Leck ISBN 978-3-429-03541-9
Inhalt
– Das Geheimnis der Erlösung heißt Erinnerung
– Der Mauerfall – ein Geschenk mit Langzeitwirkung?
– Europa im Wandel – was wird aus den christlichen Werten?
B. Christsein im gesellschaftlichen Umbruch
– Ethik, Wirtschaft und Politik – Versuch einer Zuordnung
– Wonach richten sich Richter? Fragen an unsere Rechtsprechung
– Kirche und Staat – Kooperation oder Konfrontation?
– Jugend ist Zukunft – ein (zu) selbstverständlicher Satz?
– Ehe und Familie – überholte kirchliche Positionen?
– Das Profil des Priesterberufs
D. Streitfragen im kirchlichen Leben
– Was hat die Kirche aus Jesus gemacht?
– Aus dem Dunkel ans Licht: Konsequenzen aus dem Missbrauchsskandal
– Perspektiven für die Ökumene
– Dialog in der Kirche – Zehn Grundgedanken
Vorwort
Der Dienst eines Generalvikars steht nicht nur im Schnittpunkt vielfältiger innerkirchlicher Lebenslinien, sondern genauso im Spannungsfeld zwischen der Glaubensverkündigung und den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Problemen. Manchmal entwickeln sich aus solchen Herausforderungen regelrechte Zerreißproben – eine Anspielung darauf ist das Titelbild von Sieger Köder, wo Vertreter verschiedener Konfessionen und Kontinente sich buchstäblich um das Gewand Jesu reißen.
Jedenfalls ergaben sich in meiner kirchlichen Tätigkeit viele Anlässe, bei denen in der Situation eines herausgeforderten Glaubens „Zwischenrufe zu Zeitfragen“ angesagt waren. Sie hatten alle einen konkreten Anlass, gingen jedoch oft über eine bloß kurzfristige Aktualität hinaus. Die jeweiligen Gedanken ergaben sich aus der Einsicht, dass Christsein sich immer wieder „einmischen“ muss, um die Konsequenzen deutlich zu machen, die sich aus der Menschwerdung Gottes und seinem Kommen in unsere Welt ergeben. Solche Stellungnahmen stehen auch nicht im Gegensatz zu einer recht verstandenen „Entweltlichung“, wie sie Papst Benedikt XVI. bei seinem Deutschlandbesuch im Herbst 2011 gefordert hat. Sie sind vielmehr konkrete Folgerungen aus diesem Grundgedanken: Dem Papst geht es ja gerade nicht um einen Rückzug aus der Welt, sondern darum, in der Welt deutlich zu machen, dass der Glaube von Voraussetzungen herkommt und auf Ziele hin ausgerichtet ist, die eben nicht rein innerweltlich zu definieren und zu realisieren sind. Die Kirche muss immer wieder versuchen, den Menschen Gottes helfendes Handeln nahezubringen und dies gleichzeitig so zu tun, dass dabei der „Mehrwert“ des Glaubens deutlich wird, indem Perspektiven vermittelt werden, die letztlich in Gottes Ewigkeit gründen. „Entweltlichung“ meint also gerade nicht den Rückzug in einen abgeschotteten kirchlichen Binnenbereich, sondern das Offenhalten des Lebens auf größere Zusammenhänge hin. Darum geht es dem Papst auch im „Jahr des Glaubens“, das er in Erinnerung an die Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils vor fünfzig Jahren für den Zeitraum von Oktober 2012 bis November 2013 ausgerufen hat. Sein Satz bei der Ankündigung (im Motu Proprio „Porta fidei“ Nr. 10) war für mich die Anregung zu dieser Publikation: „Gerade weil der Glaube ein Akt der Freiheit ist, erfordert es auch die gesellschaftliche Verantwortung für das, was man glaubt.“ Die Sammlung der aus den verschiedensten Situationen heraus entstandenen Überlegungen möchte ein kleiner Beitrag dazu sein.
Das Entstehen dieses Buches wäre nicht möglich gewesen ohne die Mithilfe verschiedenster Art. So danke ich dem Echter-Verlag, besonders Herrn Thomas Häußner, für die bewährte Zusammenarbeit. Die Texterfassung besorgten meine Mitarbeiterinnen Frau Angelika Kralik und Sr. Magdalena Wenig OSA. Zugleich bin ich dankbar, dass ich dabei auf Vorarbeiten von Frau Edith Hermann zurückgreifen konnte, die 2010 verstorben ist. Herrn Realschuldirektor a. D. Hans Kralik gilt mein Dank für sein sachkundiges und sorgfältiges Korrekturlesen.
Würzburg, Pfingsten 2012
Karl Hillenbrand
Lernen
aus der Geschichte
Das Geheimnis der Erlösung heißt Erinnerung
Juden und Christen
Der Stein schreit aus der Mauer“ (Hab 2,11). Mit dieser alttestamentlichen Bibelstelle hat ein Zeitzeuge sein tiefes Entsetzen darüber ausgedrückt, was vor mittlerweile mehr als 70 Jahren geschehen ist: In einer bis dahin nicht erlebten Verwüstungsaktion, die von der Naziregierung organisiert war, wurden in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 überall in Deutschland jüdische Synagogen und Friedhöfe geschändet, angezündet oder zerstört, jüdische Geschäfte,