Bilderwechsel. Группа авторов
auf die Lebensräume, die Menschen prägen und die von Menschen geprägt werden; dass wir die differenzierten Lebensentwürfe wahrnehmen müssen, die sie entwickeln, und dass wir gefordert sind, Wege zu finden, mit ihren veränderten Lebensumständen umzugehen: mit Vereinzelung, zerbrochenen Biografien und brüchigen Beziehungen. Immer wieder in Erinnerung rufen müssen wir uns, dass wir auf all diese bedrängenden Fragen nur dann eine Antwort geben können, wenn unser Suchen nach Antworten durchdrungen ist vom Vertrauen in einen Gott, der uns nicht jenseits dieser Wirklichkeit, sondern in den Menschen dieser Zeit entgegenkommt. Ich bin zutiefst überzeugt, dass in einem aufrichtigen und einem dem Menschen zugewandten Suchen für uns als Kirche die wirklichen Aufbrüche und die eigentliche Erneuerung liegen.
Das Hünfelder Symposion zur Landpastoral, das in diesem Band wesentlich dokumentiert wird, hat viele der oben aufgeführten Blitzlichter im Licht der Wissenschaft und der kirchlichen Dokumente in den Blick genommen und hinsichtlich einer zukunftsfähigen Pastoral beleuchtet. Damit leistet es einen wichtigen Beitrag zu all den Prozessen, die im Moment nicht nur im Bistum Fulda zu tief greifenden Veränderungen führen und führen müssen. Viele Beiträge dokumentieren darüber hinaus, dass es bereits viele sehr konkrete Ansätze und gelungene Antwortversuche gibt. Dennoch markiert diese Dokumentation nicht das Ende, sondern einen neuen Abschnitt eines interessanten Weges, den wir vor uns haben − der allerdings durch die Erfahrungen ebendieser Veranstaltung noch einmal neuen Schwung aufgenommen hat.
Einführung
Richard Hartmann
Der vorliegende Band hat eine doppelte Funktion: Er versteht sich einerseits als Tagungsdokumentation der Tagung „Landpastoral“ in Hünfeld vom 10.–12. Oktober 2011 und greift bewusst über die rein wissenschaftlichen Beiträge hinaus eine Vielfalt von Tagungselementen auf: neben der Predigt von Generalvikar Stanke auch Erfahrungsberichte oder gar ein Arbeitsprotokoll. Andererseits soll über den Charakter der Tagungsdokumentation hinaus das Thema in einen weiteren Rahmen gestellt werden, um die Herausforderung der Landpastoral zu neuen Handlungsschritten zuzuspitzen.
Im ersten Abschnitt „Zeichen der Zeit: Neu sehen“ legt Hubertus Schönemann in der Durchsicht bischöflicher Dokumente Texte vor, die verdeutlichen, wie wichtig eine pastorale Neuausrichtung ist. In deren Grundaussagen wird bereits spürbar, dass auch auf höchster Ebene pastorale, konzeptionelle und planerische Veränderungen als notwendig erkannt worden sind. Gerhard Stanke ordnet in seiner Predigt den Prozess in die Rezeption der Rede von den Zeichen der Zeit von Johannes XXIII. und die Aufgaben der Pastoralkonstitution „Gaudium et spes“ ein und stellt die provozierende Frage, was uns hindert, heute diese Zeichen zu verstehen.
Der zweite Abschnitt „Landsichten“ wendet den Blick auf die Landerfahrungen selbst. Der renommierte Geograph Gerhard Henkel entfaltet – auf dem Hintergrund seiner langjährigen Erfahrung und aus gegenwärtigen Begegnungen heraus – die Chancen und Herausforderungen der Landregionen. Er wirft mit uns einen Blick „aufs Land“. Bei der Tagung selbst konnten wir uns dies noch anschaulicher durch die von den Fernsehanstalten produzierten Bilder und Schemen vor Augen führen: Klaus Bassiner vom ZDF präsentierte Einblicke in die Serienproduktionen der öffentlichen und privaten Medienanstalten. Mit dem Referat des Vorsitzenden des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken Alois Glück, das beim Renovabiskongress vom 1.∇3. September 2011 in Freising gehalten worden war, nehmen wir die Erfahrungen jahrzehntelanger politischer Arbeit mit in den Band auf, die nicht unmaßgeblich geprägt war von der eigenen Lebensgeschichte in der Katholischen Landjugend- und Landvolk-Bewegung.
Mehrere Beiträge dokumentieren im dritten Abschnitt den „Gestaltwandel“. Der Theologe und Künstler Stefan Weyergraf gen. Streit, der etliche Projekte der Umgestaltung von Kirchen auf dem Land begleitet, gewährt auch in diesem Beitrag den Leserinnen und Lesern Einblick in die Erfahrungen, die der Blickwechsel nach sich zieht. Richard Stefke befasst sich mit dem Gestaltwandel aus Sicht der Verbände, Stephan Kreye wendet sich der Institution einer Land-Volkshochschule zu. Kirchliches Engagement auf dem Land kann, wie Maria Hensler zeigt, auch als klassisch bürgerschaftliches Engagement verstanden werden. Mit Jürgen Schilling richten wir den Blick auf die Evangelische Kirche, die mit ähnlichen Herausforderungen ringt.
All diese Erfahrungen führen zu etlichen theologischen Fragestellungen, denen sich im vierten, „Theologische Einsichten“ betitelten Abschnitt Hans-Joachim Sander und Birgit Hoyer widmen. Hans-Joachim Sander geht auf das Verhältnis von Stadtreligion und Landreligion ein und fragt nach den Orten Gottes und den Heterotopen. Birgit Hoyer sieht, dass das Land anders ist, anders als viele erwartete Idyllen und auch wesentlich konfliktbeladener. Als Erfahrungshintergrund dient ihr das Schicksal der Vertriebenen in den Dörfern.
Was folgt aus all dem? Im abschließenden Beitrag versucht Richard Hartmann die wichtigsten Herausforderungen zu benennen, um fast schon eine Agenda für die pastoralen Zukunftsentscheidungen vorzulegen. Wer sich dem Thema „Kirche auf dem Land“ stellt, wird sich doppelt „umschauen“ müssen: zunächst einfach im Sinne aufmerksamen Wahrnehmens, dann aber auch im Sinne einer neuen und veränderten Ausrichtung des Handelns.
„Bilderwechsel“ – Akzente zur pastoralen Neuausrichtung im Spiegel ausgewählter aktueller Verlautbarungen deutscher Bischöfe
Hubertus Schönemann
Kirche im Transformationsprozess
Unzweifelhaft befindet sich die katholische Kirche in Deutschland in einem tief greifenden und fundamentalen Transformationsprozess. Unabhängig davon, ob man ihn an einen von außen – durch die veränderten gesellschaftlichen Gegebenheiten – in Gang gesetzten und somit als „aufgezwungenen“ oder als einen von innen heraus im Sinne eines gestalteten Aufbruchs versteht: Das Selbstverständnis, die Strukturen und die pastorale Praxis der Kirche sind im Wandel. Alte Selbstverständlichkeiten werden im besten Sinne frag-würdig, Neues bricht sich Bahn. Wenn die in diesem Band vertretene These, dass sich der derzeitige Umbruchsprozess der Kirche in ländlichen Räumen am deutlichsten zeigt und von dorther zu neuen Perspektiven und zu neuen Haltungen und Handlungsoptionen für eine missionarisch-lernende Kirche führt, so mag es als orientierende Lesehilfe dienlich sein, den Blick auf die pastorale Situation in ländlichen Räumen auf dem Hintergrund von Akzenten wahrzunehmen und zu deuten, die deutsche Bischöfe in ihren jüngeren Verlautbarungen über den Wandel der pastoralen und kirchlichen Situation insgesamt derzeit setzen. Möglicherweise erschließt sich von dort her die pastorale Situation in der Fläche als theologischer Ort, der Ausgangspunkt eines neuen pastoraltheologischen Erkenntnisprozesses ist. Dies kann zu einer dem Evangelium und der veränderten gesellschaftlichen Situation gleichermaßen adäquaten kirchlichen Praxis führen.
Die entsprechenden bischöflichen Verlautbarungen haben die Gestalt von Hirtenbriefen, Predigten und Ansprachen, die in unterschiedlichen Situationen gehalten und/ oder veröffentlicht wurden. Die Befassung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, jedoch wurde bei der Auswahl der Texte auf einen Bezug zur grundlegenden Neuorientierung in der Kirche und auf eine gewisse geografische „Ausgewogenheit“ geachtet. So kommen Bischöfe aus Bistümern zur Sprache, die eine mehrheitlich volkskirchliche Situation aufweisen, aber auch Bischöfe aus Diasporadiözesen im Norden und Osten Deutschlands. Dies macht deutlich, dass der Transformationsprozess zwar kontextuell in unterschiedlicher Weise begriffen und angegangen wird, dass aber in den meisten Bistümern die Notwendigkeit der Weiterentwicklung des kirchlichen Zeugnisses erkannt worden ist.
Bischof Norbert Trelle, Hildesheim
Der Hildesheimer Bischof Norbert Trelle nimmt in seinem Hirtenbrief zur Österlichen Bußzeit 2011 die Vorbereitungen zum Bistumsjubiläum zum Anlass, über die Veränderungen kirchlicher Pastoral nachzudenken.1 In Aufnahme des prophetischen Wortes „Es kommt Neues, schon kommt es zum Vorschein, seht ihr es nicht“ (Jes 43,18) entwickelt er „Prozesse lokaler Kirchenentwicklung“