Nachdenken und vernetzen in Natur, Mensch, Gesellschaft (E-Book). Dominik Helbling
sich orientieren und mitgestalten
Im Lehrplan 21 für den Fachbereich NMG erscheinen die in Tabelle 1 genannten fachlichen Perspektiven für den ersten (Kindergarten bis 2. Klasse) und zweiten Zyklus (3. bis 6. Klasse) denn auch nicht als solche, sondern als Bestandteil von zwölf Kompetenzbereichen (siehe Tab. 2). Diese umfassen sowohl inhaltliche Konzepte/Themenbereiche (mit Substantiven ausgedrückt) als auch Handlungsaspekte (mit Verben ausgedrückt). Die inhaltlichen Konzepte und Themenbereiche der Kompetenzbereiche können einer oder mehreren fachlichen Perspektiven von NMG zugewiesen werden. Jeder der zwölf Kompetenzbereiche enthält seinerseits in der Regel vier bis sechs Kompetenzen. Jede Kompetenz wird dann noch in die Kompetenzstufen a bis x unterteilt. Wie bei den Kompetenzbereichen umfassen Kompetenzen und Kompetenzstufen sowohl inhaltliche Konzepte/Themenbereiche als auch Handlungsbereiche.
Im dritten Zyklus (Sekundarstufe I) fasst der Lehrplan 21 für NMG die fachlichen Perspektiven in vier grosse Perspektivfelder zusammen: «Natur und Technik» (NT), «Wirtschaft, Arbeit, Haushalt» (WAH), «Räume, Zeiten, Gesellschaften» (RZG) und «Ethik, Religionen, Gemeinschaft» (ERG). Die Grundlage dieser vier Perspektivfelder bilden jeweils traditionelle Disziplinen bzw. Fächer, gleichzeitig beinhalten sie aber auch Bezüge zu überfachlichen Bereichen wie Technik, Haushalt oder Gemeinschaft. Auch im dritten Zyklus umfasst jede Perspektive verschiedene Kompetenzen, die ihrerseits in Kompetenzstufen aufgegliedert werden.
Neben der Ausrichtung an Kompetenzformulierungen hat sich das vielperspektivische Fach NMG, wie alle anderen Schulfächer, grundsätzlich an der Frage zu messen, inwiefern es einen Beitrag zur grundlegenden Bildung von Kindern leistet.
2 Grundlegende Bildung als Ziel im NMG-Unterricht
Bildung ist eine pädagogische Aufgabe, die gerichtet ist «auf das geistige Werden junger Menschen, auf die Entwicklung der Vernunft, auf Selbstfindungsprozesse und den Aufbau von Selbstständigkeit sowie auf mögliche Lebensperspektiven, auf verständige Teilhabe an der Kultur und Zuwachs an Entfaltungsmöglichkeiten»[10]. Hans Werner Heymann konkretisiert den Bildungsbegriff mittels eines Aufgabenkatalogs, der als Grundlage für die Verortung der spezifischen Leistung eines Schulfaches zur grundlegenden Bildung zu verstehen ist. Als Aufgaben im Sinne einer Allgemeinbildung nennt Heymann: Lebensvorbereitung, Stiftung kultureller Kohärenz, Weltorientierung, Anleitung zum kritischen Vernunftgebrauch, Entfaltung von Verantwortungsbereitschaft, Einübung in Verständigung und Kooperation und Stärkung des Schüler-Ichs.[11] Nicht jedes Schulfach wird jede Teilaufgabe gleichwertig erfüllen können, jedes Fach sollte sich aber darüber Rechenschaft abgeben, zu welcher dieser Teilaufgaben es einen Beitrag leisten kann (siehe Tab. 3).
Tabelle 3 Beitrag des Fachbereichs NMG zu den Aufgaben von Bildung (nach Heymann 1997) | ||
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Teilaufgaben von Bildung nach Heymann | Leitfragen | Mögliche Beiträge NMG |
Lebensvorbereitung Die Lernenden eignen sich Qualifikationen an, die für eine vernünftige Bewältigung alltäglicher Situationen des Berufs- und Privatlebens in unserer Gesellschaft hilfreich oder unverzichtbar sind. | Welche elementaren Kenntnisse, Fähigkeiten, Fertigkeiten vermittelt das Fach? | Verschiedene Denk-, Arbeits- und Handlungsweisen (die Welt wahrnehmen, sich die Welt erschliessen und sich darin orientieren, in der Welt handeln)[12] |
Stiftung kultureller Kohärenz Die Lernenden verstehen und erleben sich als Teil der Kultur, in der sie leben, und anerkennen andere Kulturen als gleichberechtigte Daseinsformen. | Welche zentralen kulturellen Errungenschaften thematisiert das Fach? Welche Bezüge bestehen zwischen «Fachkultur» und «Gesamtkultur»? | Verschiedene Beiträge der einzelnen fachlichen Perspektiven in der Begegnung und Auseinandersetzung mit der Welt.[13] Vielperspektivität als Zugang zu komplexen und perspektivenübergreifenden gesellschaftlichen Fragen und Problemen |
Weltorientierung [14] Die Lernenden setzen sich mit «epochaltypischen Schlüsselproblemen»[15] auseinander, die also zeitspezifisch und exemplarisch sind. | Welche Schlüsselprobleme unserer Welt werden thematisiert? Geht es im Unterricht um gesellschaftlich relevante bzw. kontroverse Themen? Werden Sinnzusammenhänge erkennbar? | «Sich in der Welt orientieren»:[16] Beiträge der einzelnen Kompetenzbereiche zu «epochaltypischen Schlüsselproblemen» wie die Umweltfrage, das rapide Bevölkerungswachstum, Chancen und Gefahren des naturwissenschaftlichen, technischen und ökonomischen Fortschritts usw. |
Anleitung zum kritischen Vernunftgebrauch Die Lernenden können selbst denken und sich von Bevormundung emanzipieren. | Welche Gelegenheit bietet das Fach zum kritischen Vernunftgebrauch? | «Die Welt wahrnehmen»:[17] Kritische Auseinandersetzung mit kontroversen und komplexen gesellschaftlichen Fragen; Prinzip des Perspektivenwechsels als Grundlage für Verstehensprozesse |
Entfaltung von Verantwortungsbereitschaft Die Lernenden setzen ihre Kompetenzen verantwortungsbewusst ein zugunsten eines befriedigenden gesellschaftlichen Miteinanders. | Bietet die Art, wie mit Sachthemen und miteinander umgegangen wird, einen Rahmen für die Entfaltung von Verantwortungsbereitschaft? | «In der Welt handeln»:[18] Verstehen (Wissen und Können ermöglichen, um sich in der Welt engagieren zu können). |
Einübung in Verständigung und Kooperation Die Lernenden arbeiten zusammen in einer Atmosphäre der Toleranz, der Kompromissfähigkeit, des Interessenausgleichs, der Partizipation, der Einsicht in fremde Standpunkte. | Welche Gelegenheiten bietet das Fach zu Verständigung und Kooperation? Gibt es fachspezifische Besonderheiten, die diese fördern oder behindern? | Die Auseinandersetzung mit komplexen gesellschaftlichen Fragen und Problemen unserer Zeit erfordert die Förderung von «Eigenständigkeit, Dialogfähigkeit und Zusammenarbeit mit Blick auf ein kompetentes und zukunftsorientiertes Handeln in der Welt».[19] |
Stärkung des Schülerinnen-Ichs Die Lernenden entwickeln sich zu selbstbewussten, verantwortlichen, kritischen, sozialen, bewusst handelnden, kreativen und sinnlichen Persönlichkeiten. | Fördert das Fach die einzelnen Aspekte der Persönlichkeit? |
NMG-spezifische Lernumgebungen, die z. B. befähigen, «zunehmend eigenständig und kooperativ Sachen |