Kerngeschäft Unterricht. Willy Obrist
Bild von Unterricht und von der Lehrperson als eine Klasse an einem Gymnasium. Bei der Ersteren müssen wir davon ausgehen, dass die Erfahrungen der Schülerinnen und Schüler bisher eher zwiespältig und die Lernerfolge eher bescheiden waren. Sie befinden sich zudem in einem beruflichen Umfeld, das traditionell eher konservativ und durch autoritäre Werthaltungen geprägt ist. Bei der Klasse aus dem Gymnasium hingegen können wir davon ausgehen, dass das Bild von Unterricht und auch die Erwartungshaltung bezüglich des Unterrichts leistungsorientierter sind.
Wie können Lehrpersonen vorgehen, die erst über wenig Erfahrung im Unterricht verfügen? Dazu einige Umsetzungshilfen:
• Vorgängiger Klassenbesuch bei einer erfahrenen Lehrperson
Ein Unterrichtsbesuch vor Ort ermöglicht einen direkten Einblick in die Rahmenbedingungen und die individuellen Gegebenheiten.
• Besprechen der Quartals- oder Semesterplanung mit der Kollegin oder dem Kollegen
Transparenz bei der Unterrichtsplanung verleiht Sicherheit und führt zu einer Optimierung des eigenen Instrumentariums. Nur 80 Prozent der Unterrichtszeit sollten fix geplant werden. Die übrige Zeit schafft Gestaltungsspielraum für individuelle Bedürfnisse und Unvorhergesehenes.
• Absprachen mit anderen Lehrpersonen über das Vorgehen bei Halbjahresbeginn
Ein gemeinsames Besprechen des Unterrichtsstarts verhindert Überschneidungen und ermöglicht einen guten Einstieg in das neue Halbjahr.
• Regelmäßige Gespräche mit der Schulleitung
Regelmäßige Gespräche mit der Schulleitung legen gegenseitige Erwartungen offen und fördern das gegenseitige Vertrauen.
• Kollegiales Feedback
Das kollegiale Feedback fördert die Zusammenarbeit und ermöglicht die Weiterentwicklung der eigenen Konzeption eines guten Unterrichts.
• Mentoring für Neueinsteiger
Mit einem Mentoring durch erfahrene Lehrerkollegen oder -kolleginnen werden Neueinsteiger oder -einsteigerinnen begleitet und betreut. Administrative und pädagogische Fragen lassen sich im persönlichen Gespräch klären.
• Namen der Schülerinnen und Schüler sofort auswendig kennen
Ein Muss! Es gibt nichts Peinlicheres, als nach Wochen die Namen ihrer Schülerinnen und Schüler noch nicht zu kennen.
• Frühzeitiges Planen eines Eltern- oder Ausbilderabends
Das frühzeitige Einbinden der Ausbildungspartner/innen schafft Vertrauen und ist Teil der Öffentlichkeitsarbeit der Schule.
Auch wer seinen Unterricht sorgfältig plant, hat noch lange nicht die Gewähr, dass bei der Durchführung alles optimal verläuft. Die Kluft zwischen Vorbereitung und Planung einerseits und Realisierung andererseits kann beträchtlich sein. Erfahrene Lehrpersonen sind sich dieser Diskrepanz bewusst; Lehrpersonen, die eine neue Schulstufe unterrichten, sind häufig enttäuscht, wenn ihnen trotz gewissenhafter Analyse der Ausgangslage und des Lehrplans die Umsetzung misslingt. Unser Rat: Lassen Sie sich nicht beirren, die Ursachen können ganz unterschiedlicher Natur sein. Tauschen Sie sich mit Kollegen und Kolleginnen über das weitere Vorgehen aus. Und haben Sie den Mut, zu Beginn des Halbjahres mit neuen Ideen einzusteigen.
Instrumente und Anregungen
1.1 Unterricht nach dem AVIVA©-Modell planen
Wir wollen hier zunächst das AVIVA©-Modell vorstellen – ein Fünfphasen-Modell von wirkungsvollem Unterricht. Das Modell basiert auf Ergebnissen der Lernpsychologie und best practices guten Unterrichts (vgl. dazu auch Kapitel 4, Abschnitt »Fünf Phasen des Unterrichts – das AVIVA©-Modell«).
1.2 Kollegiales Feedback durchführen
Beim kollegialen Feedback geht es um das Kerngeschäft Unterricht. Wir zeigen, wie sich ein Team auf das kollegiale Feedback vorbereiten kann, wie der Unterricht protokolliert wird und wie Rückmeldungen zum Unterricht formuliert werden können.
Welche Begleitung erhalten Lehrpersonen, die neu an einer Schule unterrichten? Wir stellen ein Mentoringkonzept vor, in dem die Rahmenbedingungen und ein mögliches Vorgehen skizziert werden.
Ein gutes Gedächtnis ist kein Geschenk, sondern Übungssache. Wir skizzieren Methoden, wie Sie sich die Namen der Schülerinnen und Schüler besser einprägen können.
1.5 Einen Informationsabend durchführen
Es ist heute selbstverständlich, dass die Lehrpersonen ihre Schule nach außen zu repräsentieren wissen. Für viele Lehrpersonen bietet die Durchführung eines Informationsabends eine gute Möglichkeit, ein Gespräch mit den Ausbilder/innen und den Eltern zu führen. Wir zeigen, wie ein Treffen mit Eltern oder Ausbildern/innen konkret organisiert werden kann.
Exkursionen und Projektwochen gehören heute zum methodischen Standardrepertoire – auch deshalb, weil auf einer Exkursion die Sinne auf vielfältige Weise angeregt werden, wie es im schulischen Alltag kaum möglich wäre. Exkursionen sind dennoch die schulische Ausnahme, da sie in der Regel bewilligungspflichtig sind, Mehrkosten und Aufwand verursachen und immer ein gewisses Risiko beinhalten.
Unsere Checkliste trägt zu einer gelingenden Veranstaltung bei.
1.7 Schülerrückmeldungen sammeln
Frühzeitig Schülerrückmeldungen einzuholen, ist die beste Voraussetzung, um den eigenen Unterricht zu reflektieren. Wir zeigen, wie Rückmeldungen der Lernenden gesammelt und ausgewertet werden.
1.8 Die Lehrperson im Spannungsfeld zwischen Schul- und Unterrichtsentwicklung
In den letzten Jahren wurden in Deutschland, Österreich und der Schweiz zahlreiche Schulentwicklungsprojekte realisiert. Abläufe wurden optimiert und die internen Strukturen der Schulen verbessert. Glücklicherweise wenden sich heute viele Qualitätsverantwortliche vermehrt wieder dem Unterricht zu, unserem eigentlichen Kerngeschäft. – Wir geben hier vier Denkanstöße, wie das »Kerngeschäft Unterricht« noch stärker ins Zentrum gerückt werden kann.
2 Ziele formulieren und Kompetenzen festlegen
Wenden wir uns nun den Lernzielen zu. Wir zeigen, welche Bedeutung Zielen im Unterricht zukommt. Es folgt die Beschreibung der verschiedenen Lernzielebenen. In diesem Zusammenhang behandeln wir auch die kognitive Taxonomie