SoulPassion. Silke Naun-Bates

SoulPassion - Silke Naun-Bates


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Das wohlig warme Gold verwandelt sich in eine gelbe, übel riechende, eklige, blubbernde Masse. Ich sinke tiefer und tiefer. Gelbes Gift strömt in meinen Körper und ich sinke auf den Beckenboden. Wie aus weiter Ferne dringen das Lachen und klingende Schellen zu mir herunter. Langsam verebben die Geräusche und das Gelächter verstummt. Gift und Galle spuckend tauche ich wieder auf. Das wundervolle türkische Bad hat sich in einen leeren, öden Raum verwandelt. In der Ferne sehe ich die entschwindende Silhouette der tanzenden Marionette. Als Souvenir hat sie mir eine Kopie ihrer Karte dagelassen. Ich nehme sie in die Hand und schaue sie mir nochmals genauer an. Auf der Vorderseite sehe ich das türkische Bad abgebildet, ich drehe die Karte um und erblicke das Bild eines lachenden Narren in einem öden und leeren Raum.

      Ich öffne meine Augen. Das wohlig warme, goldene Wasser war so schön und all die Reichtümer erst, doch der öde, leere Raum gefiel mir gar nicht. Aus welchem Grund hat die Marionette sich für den Namen „der Narr“ mit dem Ursprung Neid entschieden? Viel schöner wäre doch der Name „Wunsch“ oder „Traum“ und als Ursprungsname „fliegende Fantasie“! Ja, das hätte mir viel besser gefallen. Doch wenn ich ehrlich bin, muss ich über die Botschaft nicht weiter nachdenken. Ihre Wirkung im Alltag ist mir nur zu bekannt. Das sind die Situationen, in denen ich entweder den Erfolg eines anderen Menschen infrage stelle, mich freundlich herablassend über diesen Menschen äußere oder vor Wut die Decke hochgehen könnte, weil dieser Mensch etwas vor mir erreicht hat. Ein wirklich unangenehmes Gefühl. Neid bewirkt, dass ich Menschen nicht mehr in die Augen schauen kann. Und wenn ich es ganz genau betrachte, dann sehe ich doch hinter dem lachenden Narren Madame Eva mit ihrer filigranen Maske hervorblitzen. Was für eine Überraschung! Da scheint ja ein Zusammenhang zwischen einigen Marionetten zu bestehen, der mir genauso wenig bewusst ist wie das Wirken jeder einzelnen Marionette in meinem Alltag. Es scheint Sinn zu machen, mir die nächsten Künstler anzuschauen, bevor ich beginne darüber nachzudenken, was ich mit ihren Botschaften anfange. Vielleicht gibt es mehr Zusammenhänge, als ich mir im Moment vorstellen kann.

      Erneut schließe ich meine Augen und tauche in meine innere Welt ein. Mit jedem Mal gelingt es mir ein wenig schneller, fast so, als müsste ich aufholen, was ich all die Jahre zuvor versäumt habe. Sanft lande ich auf der Bühne …

      Der Harlekin

      Über mir höre ich ein Geräusch. Ich schaue nach oben und sehe, wie eine Marionette auf mich zuschwebt. Sie trägt ein mit Flicken übersätes buntes Kostüm. Eine lustige Kappe ziert ihren Kopf und ein brauner Gürtel ihren Bauch. Einladend streckt sie mir ihre Karte entgegen, als sie sanft neben mir landet:

      Künstlername: Harlekin

      Ursprünglicher Name: Zweifel

      Genre: Science-Fiction

      Kleidungsstil: mit Flicken übersätes Kostüm, Augenmaske, Kappe, Gürtel

      Besonderes Merkmal: wechselnde Szenerien und Rollen, kann in jeder Welt erscheinen

      Während des Lesens fällt mir ein, dass der Harlekin die Fähigkeit besitzt, sich zwischen den Welten zu bewegen. Er nimmt nichts ernst und übertreibt in seinen Darstellungen oft maßlos. Aufgrund seiner fröhlichen Natur wird er oft als Spaßmacher bezeichnet. Gespannt auf die Aufführung der Marionette reiche ich ihr ihre Karte zurück. Pfeifend steckt sie diese wieder ein und bittet mich, ihr zu folgen. Sie führt mich auf eine Art Spielfeld, welches sie auf einer altehrwürdigen Gedenkstätte für mich erschaffen hat. Diese Gedenkstätte wurde zu Ehren des Philosophen René Descartes errichtet. Über dem Eingang der Gedenkstätte kann jeder Besucher den ersten Grundsatz „Ich denke, also bin ich“ dieses großen Philosophen lesen. In Stein gemeißelt wurde er für die Ewigkeit festgehalten. Berührt, da mir einfällt, dass seine Schriften nach seinem Tod im 16. Jahrhundert vom Heiligen Stuhl verboten worden waren, folge ich der Harlekin-Marionette auf ihr geschichtsträchtiges Spielfeld. Beeindruckt schaue ich mich um, doch ist mir nicht ersichtlich, was ich hier erleben soll. Die Marionette schaut mich belustigt an und blickt dann nach oben. Ich folge ihrem Blick und sehe, dass sich das Feld trichterförmig gen Himmel öffnet. Weit oben hängen unzählige Körbe, die eine gewisse Ähnlichkeit mit den heutigen Basketballkörben aufweisen. Seltsam, doch noch mehr irritiert mich, dass die Körbe sich wie von selbst zu vervielfältigen scheinen und in immer schnellerem Rhythmus ihre Plätze tauschen. Es sind so viele Körbe, dass ich den Himmel kaum noch sehen kann. Bevor ich mich in diesem verwirrenden Bild verliere, werde ich von hinten gepackt und in die Höhe geworfen. Erstaunt blicke ich nach unten. „Die Körbe werden dir die Antworten auf deine Fragen geben. Jeder Korb enthält eine Antwort für dich“, ruft mir die Marionette begeistert zu und kugelt sich dabei vor Lachen auf dem Boden, während ich weiter hinauf zu den Körben fliege und im ersten Korb lande. Kaum im Korb angekommen, falle ich aus der unteren Öffnung des Korbes wieder heraus und werde in den nächsten Korb katapultiert. Immer weiter und weiter. Von einem Korb in den anderen. Antworten über Antworten prasseln auf mich ein. Keine hält sich länger als ein paar Sekunden, bevor die nächste auftaucht. Meine Gedanken rennen im Kreis, meine Emotionen überschlagen sich, eine Nebelwand breitet sich aus. Kein Durchdringen. Ich sehe weder die Körbe noch höre ich die Antworten. Mir wird schwindelig. Ich beginne zu fallen. Immer tiefer, immer schneller. Mein Körper schlägt unsanft auf dem Spielfeld auf – und neben mir die als Harlekin verkleidete Marionette, der jetzt vor Lachen dicke Tränen übers Gesicht strömen. Vor lauter Lachen kein Wort über ihre Lippen bringend zieht sie ihre Karte aus der Innentasche ihres Kostüms und klebt sie mir auf die Stirn, was sie veranlasst, noch stärker zu lachen. Ich nehme die Karte von meiner Stirn, reiche sie ihr und verlasse trotzig das Spielfeld. Die Harlekin-Marionette lasse ich lachend dort liegen. Als Weltenwandler wird sie ihren Weg zurück sicher auch ohne mich finden.

      Aufgebracht öffne ich meine Augen. Wie kann diese Marionette so ein Spiel mit mir spielen?! Als ob ich mir all die Antworten in der kurzen Zeit hätte merken können! Und dann der unsanfte Aufprall auf der Erde! Der hat sie ja wohl nicht mehr alle! Ich nehme jetzt ein Bad zur Beruhigung. Im warmen, schaumigen Wasser komme ich langsam zur Ruhe und die Botschaft seines Spiels dringt zu mir durch. Eine gute Freundin sagte einmal zu mir, dass es sie immer wieder erstaunt, in welcher Geschwindigkeit ich es schaffe, aufgrund einer einzigen fehlenden Antwort mein gesamtes Leben infrage zu stellen, und verzweifelt nach neuen Antworten suche. War Zweifel die treibende Kraft dahinter? Es kann ja fast nicht anders sein. Die Analogie zum Satz meiner Freundin war unübersehbar. Ich suche nach weiteren Situationen in meinem Alltag, an denen ich die Wirkung erkennen kann. Im Grunde sind es stets die Situationen, in denen ich nicht erkenne, ob etwas wahr oder richtig für mich ist, Momente, in denen mein Gefühl etwas anderes sagt als mein Verstand. Dann beginne ich nach Antworten zu suchen, indem ich mit anderen Menschen darüber spreche und mir ihre Meinung einhole oder etwas dazu lese. Ich sammle so viele Antworten, dass ich wirklich den Eindruck habe, in einer dichten Nebelbank gefangen zu sein, aus der ich keinen Ausweg mehr finde. Wenn sich die Nebelbank wieder lichtet, fühle ich mich jedes Mal, als erwachte ich unsanft aus einem Albtraum. So gesehen war das Spiel des Harlekins doch nicht weit hergeholt. Mit einem leichten Schmunzeln auf den Lippen steige ich aus der Badewanne, trockne mich ab und kleide mich an. Ich bin bereit, der nächsten Marionette zu begegnen.

      Pandora

      Mit einem dicken Grinser auf dem Gesicht stehe ich auf der Bühne, als plötzlich aus dem Nichts eine verführerische Schönheit auftaucht. Mein Grinsen weicht ehrfürchtiger Bewunderung. Ihr Körper ist in ein Gewand aus purer, leuchtender Seide gekleidet, das rotbraune, wallende Haar mit Blumen geschmückt. Ihr eng anliegendes Kleid wird von purpurnen Spangen auf den Schultern zusammengehalten, ein breites Band aus Seide unterhalb ihrer Brust unterstreicht ihre betörende Weiblichkeit auf anmutige Weise. Sie wirkt, als wäre sie einer Sage der griechischen Mythologie entsprungen. Ich kann meinen Blick nicht von ihr abwenden, so sehr verzaubert mich ihr Anblick. Mit einer graziösen Bewegung zieht sie eine Blume aus ihrem Haarschmuck und reicht sie mir. Als ich die Blume berühre, verwandelt sie sich in eine Karte aus Blütenblättern. Noch immer im Bann ihrer betörenden Schönheit beginne ich zu lesen:

      Künstlername: Pandora

      Ursprünglicher Name: Ohnmacht

      Genre: Tragödie

      Kleidungsstil: türkisfarbenes, um die


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