Der Hauch der Ewigkeit. Rosina-Fawzia Al-Rawi
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IX. MUFAY‘IL: „Die zutiefst eindringende Verwandlungskraft“
Diese Form drückt einerseits die Kontinuität aus, andererseits die zutiefst eindringende Kraft, die bis in Grundstrukturen eines Wesens vorbricht. Trotz dieser Kraft beinhaltet sie auch eine Leichtigkeit und Weichheit: „wie Wolle sein in den Händen Gottes“. Es ist ein Name, der in dieser Schwingung der Göttlichen Liebe pulsiert.
Al–Muhaymin
X. MUTAFA“IL: „Der kontinuierlich widerspiegelnde Zustand“
Diese Form bzw. dieser Klangkodex fügt zur Vorsilbe „Mu“, welche stets die Qualität der unerlässlichen Kontinuität beinhaltet, noch zwei weitere Aspekte hinzu. Diese entstehen durch die Verdoppelung und durch die Hinzufügung des „t“. Der ewige zeitlose Aspekt wird durch die Verdoppelung betont, und der reflexive durch das „t“. Gemeinsam bewirken sie einen reflexiven, widerspiegelnden Zustand. Das bedeutet: wenn dieser Zustand aufgenommen werden möchte, ist vom Aufnehmer/von der Aufnehmerin große Bemühung verlangt. Wenn ein Spiegel ein Licht gut widerspiegeln möchte, muss er erst gut poliert werden.
Es gibt nur einen Göttlichen Namen, der diesen Klang verbreitet. Interessanterweise gibt es eine Sure im Koran, in der eine längere Aufreihung der Göttlichen Namen vorkommt (59:23) und sie endet genau bei diesem Namen.
Al–Mutakabbir
XI. MUFTA‘IL: „Die ewig wechselseitig Qualität“
Auch in diesem Klangkodex erscheint der Buchstabe „t“ und drückt eine wechselseitige Qualität damit aus. Allāh gibt eine Qualität, und diese Begabung wird von der Beschenkten genutzt. Wir übernehmen die Verantwortung für unsere Handlungen, wissend, dass alles von Allāh kommt und alle Handlungen Seine sind. Das ist eine der Bedeutungen von „Dein Wille und mein Wille sind eins!“
Al–Muqtadir
Al–Muntaqim
XII. MUTAFĀ‘IL: „Die verbindende reziproke Gegenseitigkeit“
Auch in dieser Form besteht die offensichtliche reziproke Gegenseitigkeit. Der zusätzliche Aspekt von diesem Klangkodex ist die tiefe Qualität der Hingabe, die hier mitschwingt. Diese Form trägt sowohl den aktiven wie den ergebenden Aspekt in sich und verbindet somit Feuer und Wasser, Mut und Vertrauen, Höhen und Tiefen.
Al–Muta‘ālī
Sure Al–Fātiha
سورة الفاتحة
„Die Öffnende“
(1) Im Namen Allāhs, des Allerbarmers, des Allbarmherzigen
(2) Alles lobt den Schöpfer der Welten
(3) Der unendlich Gütige, Der immer Barmherzige;
(4) Der König des Letzten Gerichtes
(5) Du bist es, Den wir anbeten, und bei Dir suchen wir Zuflucht;
(6) Leite uns auf den rechten Weg,
(7) den Weg derer, über denen Deine Gnade waltet;
nicht derer, über denen Dein Zorn waltet,
noch derer, welche in die Irre gehen.
Die Fātiḥa
Die Eröffnungssure „Al–Fātiḥa“ steht zu Beginn des Korans. Sie umfasst in ihrer tiefen Schönheit die Lehre des ganzen Korans. Die Fātiḥa wird zu Beginn jedes Gebetszyklus rak‘a gesprochen, sowie beim Abschließen von Verträgen, Abkommen etc. Sie öffnet die Herzen der Menschen. Sie setzt durch ihre eindrücklichen Worte das Licht der Klarheit und Aufrichtigkeit in den Geist und die Herzen der Menschen und öffnet in uns den Willen, den Weg der Göttlichen Hingabe zu beschreiten. Ihre Wiederholung öffnet in uns die Tore der Dunkelheit und hilft, uns am Göttlichen Licht zu orientieren.
Eine kurze Erläuterung der Eröffnungssure:
(1) Im Namen Allāhs, des Allerbarmers, des Allbarmherzigen
Im Namen der Ewigen Unendlichen Realität – transzendent und immanent –, die aus Liebe Schenkende, die aus Gnade Erhaltende. „Der Allgnade Erweisende, der Allgnädige“ Ar–Raḥmān, Ar–Raḥīm, sind zwei Namen, die darauf hinweisen, dass Gottes Gnade grenzenlos ist, dass sie alles einnimmt und umhüllt.
(2) Alles lobt den Schöpfer der Welten
Das Loben der Schöpfung ist Ausdruck unseres Zustandes der Freude am Dasein. Denn Dasein heißt, die Schönheit der Welt zu sehen. Es heißt die Wunder, die Schönheit zu sehen und sie auf ihren Ursprung zurückzuführen. In dieser Vielfalt der Existenzen wird das Herz erinnert, dass jede Vollkommenheit, jede äußere oder innere Eigenschaft einen einzigen Ursprung hat, aus dem alle Welten hervorkommen.
(3) Der unendlich Gütige, Der immer Barmherzige
Aus dieser Güte kommt unser Dasein, all die Bedingungen und Voraussetzungen, die dieses ermöglichen. Vergesse nicht all die Gaben, mit denen du beschenkt bist, noch schreibe sie dir selber zu, denn weder hast du den Baum noch das Wasser erfunden.
Eine mündliche Überlieferung des Propheten Muhammad – Allāh segne ihn und schenke ihm Heil – sagte: Als Gott die Schöpfung beendete schrieb Er über Seinen Thron: „Meine Barmherzigkeit übersteigt Meinen Zorn.“ Und Allāh teilte die Barmherzigkeit in hundert Teile, dann behielt Er 99 Teile bei Sich und sandte einen Teil auf die Erde. Und aus diesem einen Teil kommt die Barmherzigkeit der Schöpfung für einander.
Lasst Barmherzigkeit unter euch weilen, denn wer anderen gegenüber Barmherzigkeit zeigt und sie mit Güte und Mitgefühl behandelt, wird selbst von Barmherzigkeit eingenommen. Er nimmt teil an der Einheit und folglich an dem, was unsere wahre Natur ist.
(4) Der König des Letzten Gerichtes
Gott ist der Erhalter der Welten und Er ist auch der Herr ihres Endes. Das zu wissen heißt, zu verstehen, dass das Bedingte vom Unbedingten kommt und von ihm abhängt. Der Tag des Gerichts ist die Hoffnung der Geduldigen, die ihrer Menschlichkeit zum Sieg verhalfen, die ihr niedriges Selbst bekämpft haben und die ihren selbstgefälligen Trieben nicht unterlagen. Der yawm ad–din, „der Tag des Gerichts“, ist der Tag, an dem die Unterdrücker und die Unterdrückten zusammen kommen und die Gegensätze vereint werden. Denn bei Gott vereinen sich die Gegensätze. Am Tage des Gerichts kommen wir zusammen und alle Ungerechtigkeiten werden gesehen. An diesem Tag sind alle gleich, die Könige und die Untertanen, die Reichen und die Armen. An diesem Tag werden die Menschen gemäß ihren guten und schlechten Taten beurteilt werden.
(5) Du bist es, Den wir anbeten, und bei Dir suchen wir Zuflucht
Die Anbetung ist das Erkennen Gottes außerhalb von uns, und die Zuflucht ist Rückkehr zum Gott in uns, in der Tiefe unseres Herzens; es ist das Vertrauen zu einem unendlich nahen Gott. Der Gott „außen“ gleicht der Unendlichkeit des Himmels; der Gott „innen“ der Vertrautheit des Herzens. Dies sind die Worte, die zwischen Gott und dem Menschen aufgeteilt sind. Die eine Hälfte, iyyaka na‘budu, „Dir alleine dienen wir“, ist für Gott, und wa iyyaka nasta‘īn, „und Dich allein bitten wir um Hilfe“, ist für den Anbetenden.
Zwischen Gottvertrauen und Ergebung bewegt sich der Mensch zu seinem wahren Selbst und rettet sich vor der Ungläubigkeit an die Einheit aller Existenz. Liebe ohne Ergebung bringt dich nicht weiter, genauso wie Ergebung ohne Liebe nicht weiterführt. Wer die Süße des Glaubens kosten möchte, muss Liebe und Ergebung vereinen. Er hat dich erschaffen, damit du das Göttliche in dir erweckst, so sei nicht niedrig. Er hat dich erschaffen, damit du frei bist, so sei nicht Gefangener deiner Triebe. Befreie dein Ich von allem Niedrigen, und bringe es zurück, wo sein Heimweh gestillt wird. Gib ihm zurück den Duft und lass es eingehen ins Meer des Lichts.
(6) Leite uns auf den rechten Weg
Es ist der aufstrebende Weg, der Weg, der zur Einheit führt;