Der Hauch der Ewigkeit. Rosina-Fawzia Al-Rawi
um etwas, das vom eigenen System erschaffen wird, damit sich Gleichgewicht und Harmonie wieder einstellen können. Der eigene Organismus arbeitet von sich aus immer auf eine ganzheitliche Heilung zu. Der menschliche Organismus hat die Kapazität, sich selbst zu heilen. Die gegebene Unterstützung und Begleitung soll vor allem einen Raum der Liebe und des Vertrauens öffnen, in dem dieser Prozess stattfinden kann, gemeinsam mit einem heilenden Wissen, das natürlich notwendig ist.
Jedes Mal, wenn du etwas tust, bei dem du zuvor deine Absicht deutlich formuliert hast, ziehst du die Energie der Einheit an. Alles im Leben hat einen Sinn, eine tiefere Bedeutung! Es gibt einen natürlichen Dialog von Licht zu Licht, den jede Heilerin kennt, wenn sie dem Körper ihres Patienten zuhört. Wenn das stets gesunde Sein eines Menschen mit dem Sein des Anderen kommuniziert, können sie gemeinsam den Körper und die Seele wieder neu ausrichten.
Heilung ist immer eine spirituelle Angelegenheit. Die spirituelle Entwicklung ist der Zweck, der dann im eigenen Leben und in der Umwelt Ausdruck findet. Gesundheit bedeutet, sich in Harmonie mit der Welt zu befinden, zu erfahren, dass das Universum und all seine Geschöpfe aus einem „Urstoff” gemacht sind. Gesundheit bedeutet, hinauszuwachsen über das individuelle Bewusstsein, um die Schwingungen und Strömungen des Universums zu spüren. Diese universelle Wahrheit zeigt sich in allen Traditionen und zu allen Zeiten.
Sie hat zwar im Äußeren das Antlitz der Vielfalt und Mannigfaltigkeit, doch dies ist eher eine Bestätigung der Universalität der Wahrheit, die ihre unendliche Schöpferkraft in unbegrenzten Möglichkeiten und Welten entfaltet. Und doch widerspiegeln sie alle die Eine Wahrheit.
Für den Sufi ist es jedem Menschen möglich, wieder Anschluss an die Göttliche Ebene zu erlangen und heil, ganz zu werden. Jedes Wesen entsprechend ihrer/seiner Dimension. Wir Menschen sind komplexe Meisterwerke, Universen mit eigenen Gesetzen und Gesetzlichkeiten, einmalig in unserer Existenz. Der zur Heilung nötige Wiederanschluss wird bei den Sufis durch vielerlei Praktiken angestrebt: durch Gebete, durch Fasten, durch mystische Tänze, durch Musik, durch Körperarbeit, durch Atem und durch die Kraft der Göttlichen Namen, auf deren Bedeutung und Heilungsenergie in diesem Buch im Besonderen eingegangen wird.
„(Oh Menschen), Ihr werdet euch von einer Stufe zur anderen bewegen!“
(84:19)
Und immer ist der Alltag, unser Leben, unser Übungsterrain, der Ort unserer Transformation. Doch ohne Bezug zur Höchsten allumfassenden Wahrheit hat unser Leben keine Grundlage, keine Bedeutung, keinen Sinn und keinen Glanz. Wir sind dann wie Treibholz den Strömungen ausgesetzt, ohne zu wissen, wohin wir fließen und wer wir sind. Lass Liebe die Grundlage deines Lebens sein, gehe anders mit deiner Umgebung um, behalte eine liebevolle Einstellung gegenüber dem Leben und den Geschöpfen dieses Universums bei und alles wird zu dir zurückfließen. Denn was immer wir für andere tun, tun wir für uns, und alles, was wir für uns tun, tun wir für andere. Das ist das Gesetz der Einheit. Habe Vertrauen und Zuversicht.
Ein Beduine hatte drei Söhne. Als seine Zeit kam sandte er nach ihnen und sprach: „Meine Kinder, ich möchte euch meine 17 Kamele vermachen! Ich bestehe aber auf folgender Aufteilung: Du, mein Ältester, sollst die Hälfte bekommen, Du, mein Zweitgeborener, ein Drittel und Du, mein Jüngster, ein Neuntel. Der Vater starb und die Söhne zermarterten sich das Gehirn, wie sie diese Aufteilung bewerkstelligen sollten. Wie immer sie es drehten und wendeten, es passte nie. Sollten sie ein Kamel opfern und aufteilen, sollten sie einige Tiere verteilen? Da bemerkten sie einen alten Sufi, der mit seinem Kamel unter einer Palme rastete. Sie gingen hin und baten um Rat. „Nehmt mein Kamel dazu, dann habt ihr 18 Kamele!“ So geschah es auch. Der Älteste bekam die Hälfte, also 9 Kamele, der Mittlere ein Drittel, also 6 und der Jüngste ein Neuntel, also 2 Kamele. Als sie die Aufteilung beendet hatten, blieb ein Kamel über. Der alte Sufi schnappte sich sein Kamel und ging lächelnd seines Weges.
Das ist Liebe, Vertrauen und Freiheit oder Gelassenheit in Gott. Weisheit ist süß!
Wir werden im Folgenden von den Strukturen der Arabischen Formen sprechen und dass jeder Göttliche Name auf einem Klangcodex basiert, der in sich eine besondere Schwingung trägt. Diese besondere Schwingung wird zusammen mit der Bedeutung des jeweiligen Namens durch die Rezitation weitergegeben. Jeder Göttliche Name, jeder der 99 Göttlichen Liebesformen regt Harmonie an, wo Disharmonie besteht, bringt Heilung, wo Schmerz besteht, löst Vertrauen und Zuversicht aus, wo Verzweiflung und Abgrenzung bestand. Ob es sich um eine nervliche, mentale oder physische Krankheit handelt, die Wurzel ist immer Disharmonie.
In der Sufi Tradition wird der Körper selbst auch als Schwingung gesehen, als beseeltes Energiefeld. Dieses materialisierte Energiefeld kann zum Verständnis in Ton und Rhythmus aufgeteilt werden. Der TON ist unsere Lebensenergie, genannt qudra. Die qudra ist die individuelle Kapazität, Kraft und Fähigkeit, die jedem Menschen gegeben ist. Sie ist aber auch universell vorhanden und durchdringt den ganzen Kosmos und alle Lebewesen. Sie ist mit unserem Atem, dem absoluten Ausdruck des Lebens, verbunden und wird durch ihn angeregt und unterstützt. Der RHYTHMUS ist unser Pulsschlag. Er fließt durch unseren Körper mit der Blutzirkulation. Das „Lied“, das sich aus Ton und Rhythmus bildet, formt sich im Herzen. Es wird durch zwei Aspekte gefärbt: intern durch unsere Gedanken und Gefühle und im weiteren extern durch unsere Handlungen.
Das Zentrum, wo sich Atem und Pulsschlag vereinen, ist im Herzen gelegen. Dort werden die Gedanken und die Taten aufeinander eingestimmt, durch die Gefühle gefärbt und in unsere innere und äußere Welt getragen. Wir sind natürlich fähig, unsere Gedanken und unsere Taten mit unserem Herzen zu verbinden, obwohl das Herz anderen Gesetzlichkeiten als der Verstand folgt. Es ist direkt, frei und kompromisslos gegenüber den Bedenken des Ichs. Daher vermeidet das Ich oft, das Herz um Rat zu fragen, denn die Antwort ist für das Ich meist unbequem. In gewisser Weise fragt der Verstand immer: „Wie kann ich mehr bekommen?“ und das Herz: „Wie kann ich mehr geben!“ Doch eine Lösung zu finden, die auch das Herz erfreut, ist die Basis des Sufi Weges.
Wir sind also in zwei Bewegungen eingebettet: im Atem und im Herzschlag. Beide Bewegungen stehen im normalen ruhigen Zustand im Verhältnis 1:4 zueinander. Bei 15 bis 20 Atemzügen pro Minute erfolgen 60 bis 80 Herzschläge. „Eins“ ist die grundlegende Einheit und „vier“ die vielfältige Natur, symbolisiert durch kalt–heiß–nass–trocken. Die einende Erkenntnis ist mit dem Verstand verbunden, die Weisheit ist in der Natur zu finden, in unserer Natur und in der uns umgebenden Natur. Die Natur ist die natürliche Gefährtin des Glaubens. Sie lehrt den Verstand die Demut: „Du hast weder den Baum noch das Wasser erfunden, weder das Licht noch das Auge!“ Aus dem Erkennen der eigenen Grenzen kann sich der Verstand für die Notwendigkeit des Glaubens öffnen und die höheren Sphären zulassen. Die Einbettung bekommt ihre Gestalt.
Der Atem ist mit den Gedanken und zugleich auch mit den Gefühlen verbunden. Sie sind zwei Seiten einer Münze. Der Atem ist die körperliche Seite des Denkens und das Denken die psychische Seite des Atems, die Gefühle sind das Verbindungsglied. Jede Veränderung auf der geistig–gedanklichen Ebene, also auf der Bewusstseinsebene, hat sofort eine Auswirkung auf den Atem. Wenn wir z. B. unseren Atem beobachten, wird er spürbar tiefer und unsere Gedanken langsamer und stiller. Wenn wir gefühlsmäßig aufgewühlt sind, hat dies wiederum Einfluss auf den Atem.
Das Zusammenwirken von Körper, Denken und Gefühl ist zur Erlangung des innewohnenden Schatzes von kostbarster Wichtigkeit.
Die mentale Ebene ist sensibler als die Körperebene. Das bedeutet, dass meine geistige Haltung einen wesentlichen Einfluss auf meinen Körper ausübt.
Seinen Ton, seine Lebensenergie, seine Mitte zu stärken ist wertvoll, um gesund zu sein bzw. zu werden. Durch eine Krankheit kommt man aus dem gewohnten Rhythmus. Seinen Rhythmus nach einer Krankheit wieder zu finden ist wesentlich, sonst bleiben die Zeichen der Krankheit. Erst wenn der Mensch seinen Rhythmus gefunden hat, ist das Wesen der Krankheit, der Boden, der für die Krankheit zur Verfügung stand, entfernt. Mit anderen Worten: ist auch die Wurzel der Krankheit und nicht nur die Pflanze entfernt, oder wie HeilerInnen sagen würden, ist auch der Geist der Krankheit entfernt worden, ist der Mensch wirklich befreit und nicht mehr anfällig. Jeder Mensch hat seinen eigenen Rhythmus, wichtig ist, dass man seinen findet, ihn respektiert und achtet. Um den Rhythmus wieder in die Ganzheit einzubetten, sind adäquate Ernährung,