Al Qanater. Hannes Führinger
und wieder zu einem Auto. Ich hatte nicht mehr genug Energie, um auf Details zu achten. Alles, was ich wollte, war heim. Der Auftrag war gelaufen, die Ausrüstung mit Sicherheit verloren.
Nach zwei Stunden Fahrt erreichten wir ein unscheinbares Gebäude. Der groß gewachsene Polizist meinte, hier wäre ein Staatsanwalt, der unsere Papiere ausstellen würde.
Der Staatsanwalt hieß Ahmed El Mouhandes und schien uns nicht viel mehr Bedeutung beizumessen als den Fliegen im Zimmer.
»Wo sind unsere Papiere?«, sagte ich.
Er antwortete halb englisch, halb deutsch. So lange die österreichische Botschaft nicht da sei, könne er nichts machen, sagte er.
Also rief ich neuerlich bei der Botschaft an. »Wir sind mittlerweile bei einem Staatsanwalt, der angeblich Papiere für unsere Weiterreise ausstellen wird«, sagte ich. »Wo sind Sie?«
Ein junger Mann war jetzt am Notfalltelefon. »Hannes Führinger?«
»Genau. Wir waren die ganze Nacht in einer Zelle voller Scheiße. Wie lange muss ich noch auf Sie warten?«
Er räusperte sich. »Herr Führinger, es ist so, wir hatten leider kein Auto zur Verfügung. Wir beeilen uns.«
Ich wollte etwas sagen, ihn beschimpfen, ihm drohen. Stattdessen beschrieb ich ihm so detailliert wie möglich unseren aktuellen Aufenthaltsort und legte dann einfach auf. »Bitte ruf die deutsche Botschaft an«, sagte ich zu Karl. »Vielleicht tun die etwas.«
Ich gab ihm das Telefon. Karl telefonierte einige Minuten und berichtete mir hinterher. Die Diplomaten in der deutschen Botschaft hatten sich schockiert gezeigt. Lisa hatte sich dort bereits am Vorabend gemeldet, nachdem sie nichts mehr von mir gehört hatte. Die Deutschen hatten daraufhin mit den Österreichern Kontakt aufgenommen. Die Österreicher hatten ihnen zugesichert, sich um alles zu kümmern.
»Scheiße«, sagte ich zu Karl. »Die Österreicher sind völlig unfähig.«
Der Staatsanwalt sah uns misstrauisch an. Wir warteten und warteten. Es wurde immer später. Niemand kam. Gegen 19 Uhr redete der Staatsanwalt wieder mit uns. »Wir können nicht mehr davon ausgehen, dass Sie die Unterstützung der österreichischen Botschaft haben«, sagte er in gebrochenem Deutsch.
Karl und ich sahen ihn an. Er redete weiter. Er sagte noch einen kurzen Satz. »You are under arrest.«
»Was redet der da?«, fragte Karl.
Der Staatsanwalt holte Luft. »Sie verhaftet«, sagte er.
Lisa
Obwohl wir wegen seines Reisepasses noch einmal umkehren mussten, waren wir zu früh am Flughafen. Ich verabschiedete mich unter Tränen von ihm.
»Auch wenn du mir nicht glaubst«, sagte er. »Diesmal ist es wirklich das letzte Mal.«
Doch darum ging es nicht. Ich hatte Angst.
Um mich abzulenken, rief ich auf der Rückfahrt einige Freundinnen an. Wir vereinbarten einen Frauenabend. Meine Tochter Leonie sollte auch mitkommen.
Als ich zu dem Treffen aufbrach, schrieb ich Hannes, er solle mir Bescheid geben, sobald er angekommen war. Wenig später bekam ich eine SMS von ihm. »Wir sind in Kairo gelandet«, schrieb er.»Alles in Ordnung.«
Das beruhigte mich nicht. Es war klar, dass bis zur Landung in Kairo alles glatt gehen würde. Die Schwierigkeiten begannen erst jetzt. Mit Waffen in einem Land zu reisen, das sich in einem derartigen Chaos wie Ägypten befand, konnte keine gute Idee sein. Doch ich verstand nicht viel von internationaler Politik und Staatsbürokratie. Ich schrieb ihm zurück. »Melde dich bitte noch einmal, wenn du durch den Zoll bist.«
Die Stunden vergingen ohne weitere Nachricht von Hannes. Ich konnte ihn auch nicht erreichen. Ich rief ein Mitglied des Einsatzteams an. Die Männer warteten am Hafen von Suez auf ihn und meinten, dass sie ihn ebenfalls nicht erreichen könnten. Sie hatten ein paar dringende organisatorische Fragen, die ich nicht beantworten konnte. Ich hatte von diesen Dingen keine Ahnung.
Ich schrieb Ralf, meinem Ex-Freund, eine SMS. Ich könne Hannes nicht erreichen. Da stimme etwas nicht. Er solle sich bitte darum kümmern. Keine Antwort. Ich rief einen Anwalt an, den ich kannte. »Was soll ich tun?«, fragte ich ihn.
»Ich an deiner Stelle würde die österreichische Botschaft in Kairo anrufen«, sagte er. »Wenn etwas passiert ist, müssen die sich einschalten. Die haben am ehesten die Möglichkeiten dazu. Du kannst auch die deutsche Botschaft in Kairo anrufen. Wenn er mit einem Deutschen unterwegs ist, sind die ebenfalls zuständig.«
Die Reaktion der österreichischen Botschaft war nicht gerade beruhigend. »Wenn Ihr Mann durch ein Land, das so instabil ist wie derzeit Ägypten, Waffen transportiert, darf er sich nicht wundern, wenn etwas schiefgeht.«
Da hatte die Frau am Telefon bestimmt recht. Bloß half mir das jetzt nicht. Wo war er?
5
Eine seltsame Willenlosigkeit ergriff Besitz von Karl und mir. Sie nährte sich aus der Einsicht, dass gegen diese, von jeglichen rechtsstaatlichen Normen offenbar freie Ägypter nichts auszurichten war, aus dem Gefühl, dass wir in einer Falle saßen, in die uns jede Bewegung nur noch tiefer hinein führte und aus der dumpfen Hoffnung, dass die österreichische Botschaft doch noch auftauchen und dem Zauber ein Ende bereiten würde. Als wir in Polizeibegleitung aus dem Gebäude traten und einen Pickup Truck vor der Tür stehen sahen, stiegen wir einfach auf, ohne dass uns jemand dazu aufgefordert hatte. Dabei dämmerte mir allmählich, dass es dauern könnte, bis wir wieder nach Hause fliegen würden.
Ich bat Karl abermals um sein Telefon. Der Polizist, der uns begleitete, warf mir misstrauische Blicke zu, als ich eine Nummer eingab. Während die dreckigen Straßen Kairos mit ihren Sandsteinbauten und den Luxushotels neben den Bruchbuden an uns vorüberzogen, lauschte ich dem Freizeichen. Ich freute mich darauf, Lisas Stimme zu hören, doch es war auch schwer. Ich hatte keine guten Nachrichten für sie. Ich hätte auf sie hören sollen, dachte ich. Sie war so vehement gegen diese Reise gewesen. Als hätte sie gewusst, dass so etwas passieren könnte.
»Hallo?«
Ihre Stimme klang erschöpft. Was sollte ich ihr sagen? Wie sollte ich es ihr sagen?
»Wer ist da?«
Ich versuchte, das Handy mit der Hand vom Straßenlärm abzuschirmen. »Ich bin es«, sagte ich.
Jetzt klang auch die Wut der Verzweiflung in ihrer Stimme mit. »Du wolltest dich doch melden, sobald du kannst«, sagte sie.
Ich hatte ein Gefühl, als würde mein Herz einen Moment lang stillstehen. Doch dann gewann mein Überlebensinstinkt wieder die Oberhand. »Hör jetzt bitte gut zu, denn ich habe nicht viel Zeit«, sagte ich. »Die ägyptische Polizei hat uns aufgehalten und ausgeraubt. Unsere gesamte Ausrüstung ist weg. Bitte ruf im Außenministerium an. Sag denen, dass wir einen Anwalt brauchen, und zwar schnell.«
Der Polizist sah aus, als würde er gleich etwas unternehmen. Am Handy hörte ich Lisa weinen. »Ich habe keine Ahnung, was diese Leute mit uns vorhaben«, sagte ich. »Bitte beeil dich mit dem Anwalt. Er soll sich bei der österreichischen Botschaft in Kairo melden. Ich werde versuchen, die Botschaft laufend zu informieren. Ich rufe dich so bald wie möglich wieder an.«
Ich steckte das Handy rasch ein. Der Polizist bedeutete mir, es ihm auszuhändigen. Ich schüttelte den Kopf. Er schien zu überlegen, dann lehnte er sich wieder zurück.
Wir fuhren etwa eine Stunde lang durch Kairo, bis wir vor einem wuchtigen Tor in einer meterhohen Mauer mit Stacheldraht oben drauf hielten. Davor standen zwei Panzer zwischen einigen Leitschienen aus Beton.
»Stecken die uns wirklich ins Gefängnis?«, fragte Karl.
Ich antwortete nicht, doch ich ahnte, wo wir uns befanden. Das musste die Pforte zum Tora-Gefängnis sein, einer Art Gefängnisstadt innerhalb Kairos mit mehreren Gefängnissen für unterschiedliche Kategorien von Häftlingen.
Das Tor öffnete sich