In der Stadt. Andreas Jaun

In der Stadt - Andreas Jaun


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dies hingegen in «verwilderten» Gärten und gewissen Industriebrachen. Schliesslich müssen Wildtiere auch mit den Störungen durch die vielen Menschen und deren Haustiere zurechtkommen.

       «Stadt und Dorf als Ersatzlebensraum»

      Alle diese Flächen und Gebiete sind bei Weitem keine natürlichen Lebensräume. Aber unterscheiden sie sich wirklich so grundsätzlich von ländlichen Regionen? Auch Blumenreiche Wiesen, Weiden und Hecken und sogar die meisten Wälder sind in ihrer heutigen Form durch den Menschen geschaffen worden oder sehr stark durch diesen geprägt; auch hier kann die Natur nicht in ihrer ursprünglichen Form beobachtet und erlebt werden.

       «Die Hecke»

      Vielleicht sollten wir einmal ganz grundsätzlich die Vorstellung hinterfragen, dass die Stadt ein unnatürlicher Lebensraum ist. Es sind ja nicht nur Menschen, die «künstliche» Strukturen schaffen; Vögel, Ameisen und Dachse tun mit ihren Nestern, Haufen und Bauten genau dasselbe. Und da liegt auch ein zentraler Diskussionspunkt: nämlich die Frage, ob wir uns selber als einen Teil der Natur oder davon losgelöst betrachten wollen. Aus Sicht von Tieren und Pflanzen werden unsere Städte hingegen kaum als naturfremd wahrgenommen, sondern als relativ neuer und schnell wachsender Lebensraum. Einige Arten konnten sich an diesen anpassen und sogar von neuen Möglichkeiten profitieren, während viele andere weichen mussten und sich in die verbleibenden ursprünglichen Lebensräume zurückzogen. Dies ist ein Prozess, der nicht nur in städtischen Lebensräumen geschieht, sondern überall da, wo es zu Veränderungen kommt – seien diese nun natürlich oder «künstlich». Mit diesen Gedanken soll aber keinesfalls die oftmals verantwortungslose Zerstörung der ursprünglichen Lebensräume legimitiert werden. Vielmehr gilt es, mit einer angepassten Raumplanung und entsprechenden Maßnahmen auch in Städten wertvolle Lebensräume für viele Tier- und Pflanzenarten zu erhalten und zu schaffen.

       Dachs

      Das Gänseblümchen (Bellis perennis) ist in Städten häufig zu finden.

      Viele Stadtteile weisen eine ausgeprägte horizontale und vertikale Gliederung auf.

      Obwohl Städte Tiere und Pflanzen nicht einfach automatisch ausschließen, sind in den sehr intensiv genutzten und dicht überbauten Zonen kaum seltene Arten zu erwarten. Es ist aber die für Städte typische heterogene und kleinräumige Struktur, die zahlreichen Arten eine Nische bietet. Sie gleichen dabei mitunter den früher in Europa vorherrschenden kleinräumigen Landwirtschaftsflächen, die in den vergangenen Jahrzehnten aber zunehmend durch Monokulturen und den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu außerordentlich artenarmen und schwer zu besiedelnden Flächen geworden sind. Viele der ursprünglich dort heimischen Arten sind daher in die Dörfer und Städte abgewandert, wo sie aufgrund der außerordentlichen Strukturvielfalt auf relativ kleinem Raum einigermaßen geeignete Ersatzlebensräume finden konnten. Viele Pflanzen- und Tierarten, die auf diese Weise in die von Menschen bewohnten Zonen vorgedrungen sind, werden entsprechend als «Kulturfolger» bezeichnet.

       Tiere in der Stadt

      Auch auf kleinem Raum lassen sich Lebensräume für Schmetterlinge, Heuschrecken, Käfer und andere Kleintiere schaffen.

       «Blauäugiger Kulturfolger»

       «Wildtiere in der Stadt – Stadtfüchse»

      Parkanlagen und Stadtwälder sind oft die naturähnlichsten Lebensräume in städtischen Gebieten. Manchmal ist die Abgrenzung zwischen baumreichen Parkanlagen und Stadtwäldern nicht ganz eindeutig zu ziehen. Parkanlagen umfassen meistens sowohl Grünflächen mit Blumenbeeten als auch Baumbestände. Je nach Größe, Architektur, Nutzungs- und Erschließungsgrad können sich die Artenzusammensetzung und die Vielfalt solcher Anlagen stark unterscheiden. Geometrisch angelegte, mit Zierpflanzen und Zierteichen versehene und intensiv gepflegte Pärke sind oft relativ arm an einheimischen Tier- und Pflanzenarten. Für interessante Naturbeobachtungen am erfolgsversprechendsten könnten hier allenfalls vorhandene alte Baumbestände oder Teiche sein. Am anderen Ende des ökologischen Spektrums sind die Stadtwälder anzusiedeln, die sich manchmal kaum von Wäldern auf dem Land unterscheiden. Oft liegen sie auch in peripheren Bereichen der Städte und sind daher mit dem Umland vernetzt. Aufgrund ihrer Struktur und Baumzusammensetzung bieten sie vielen typischen Waldarten Lebensraum. Die Nutzung als Naherholungsraum kann aber für störungsempfindlichere Arten oft zu intensiv sein. Es gibt mittlerweile auch immer mehr Stadtverwaltungen, die zumindest gewisse Teile ihrer Parkanlagen bewusst sehr zurückhaltend pflegen lassen und somit auch verschiedenen Tieren und Pflanzen Lebens- und Rückzugsraum bieten. Je nach Zustand und Größe von Parkanlagen können neben den weitverbreiteten und häufigen Siedlungsarten unter Umständen auch seltenere Arten, wie beispielsweise der Wendehals (Jynx torquilla) beobachtet werden. Entscheidend ist auch die Lage solcher Parks: Von intensiv genutzten Siedlungsgebieten umgebene Parkanlagen weisen meistens eine geringere Vielfalt auf als Anlagen mit einer Vernetzung zu anderen naturnahen Lebensräumen. Sehr mobile Arten wie Vögel oder Fluginsekten können aber natürlich auch isolierte Standorte erreichen. Daher lassen sich zum Beispiel der Kleiber (Sitta europaea), aber auch Grünspecht (Picus viridis), Dohle (Corvus monedula) und der Hausrotschwanz (Phoenicurus ochruros) vielerorts beobachten. Über blumenreichen Wiesen gaukeln an schönen Tagen oft auch zahlreiche Schmetterlingsarten wie der Hauhechelbläuling (Polyommatus icarus) oder der Schwalbenschwanz (Papilio machaon). Wo es naturnahe Gewässer gibt, die möglichst auch mit dem Umland vernetzt sind, können auch verschiedene Libellen- und Amphibienarten oder gar die Ringelnatter (Natrix natrix) leben.

       Stadtpark

       «An städtischen Gewässern»

      Stadtwälder sind oft von einem dichten Wegnetz durchzogen.

      Kleiber (Sittia europaea) sind typische Bewohner von Eichen und Buchen, wie sie oft in Parkanlagen und Stadtwäldern vorkommen. Anders als andere Vogelarten, läuft der Kleiber auch kopfüber den Stamm hinunter.

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