Segel setzen (E-Book). Astrid Warbinek

Segel setzen (E-Book) - Astrid Warbinek


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individuellen Lernens führen, in denen die Fähigkeit zur Selbstregulation eine besondere Voraussetzung für gelingendes Lernen darstellt.

      Selbstregulation ist ein vielschichtiges und komplexes Konstrukt, bei dem es im weitesten Sinne um individuelle Zielsetzungen, die Kenntnis der Möglichkeiten, diese Ziele zu erreichen, die Kompetenzen zur Erreichung dieser Ziele, die Initiierung konkreter Handlungen zur Zielerreichung und kontinuierliche Evaluations- und Modifikationsprozesse im entsprechenden Handlungsprozess geht. Quasi übergeordnet kommt als Voraussetzung zur Selbstregulation hinzu, dass sie langfristig nur dann betrieben wird, wenn die Motivation und die Freude zu entsprechenden Handlungen vorhanden ist – und dies vonseiten der Lehrenden wie auch der Lernenden.

      Selbstregulation sehr konkret im Hinblick auf ihre Förderung darzustellen und Anregungen für konkrete Umsetzungsmaßnahmen zu geben, stellt eine wirkliche Herausforderung dar, der sich die Autorinnen dieses Buches gestellt haben. Sie haben Selbstregulation im Zusammenhang mit Klassenführung behandelt und übergreifend das anschauliche Bild einer Seefahrt verwendet. Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern dieses Buches, dass sie viele Anregungen für die Unterrichtspraxis mit auf ihren individuellen Weg nehmen. Und ich wünsche diesem Buch, dass es auf die ihm eigene Weise Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler motiviert, ihre Kompetenzen zur Selbstregulation zu erweitern.

      Es bedeutet immer auch eine Investition, sich mit einem Thema, in diesem Fall der Selbstregulation und ihrer Förderung, auseinanderzusetzen und Entsprechendes dann auch zu praktizieren. Ich kann nur dazu ermutigen. Sowohl auf der Basis meiner Forschungsarbeiten als auch aufgrund individueller Erfahrungen kann ich mit voller Überzeugung sagen, dass Selbstregulation ein überaus spannender, gewinnbringender und mit viel Freude einhergehender Prozess sein kann.

      Wien, Januar 2020

      Prof. Dr. Thomas Götz

      Der Autor ist Professor für Bildungspsychologie und gesellschaftliche Veränderungen an der Universität Wien

      Vorwort

      DER AUTORINNEN

       Es kommt nicht darauf an, woher der Wind weht, sondern wie man die Segel setzt.

      Alte Segelweisheit

      Herzlich willkommen! Sie suchen für Ihre Reise durch den Unterricht Anregungen für den Umgang mit einer gerade besonders schwierigen Klasse oder mit einem besonders herausfordernden Verhalten einzelner Schülerinnen und Schüler? Dann sind Sie hier richtig.

      Es geht Ihnen ebenso wie vielen Lehrkräften in unseren Lehrgängen zum Thema Klassenführung. Seit vielen Jahren stellen wir den Teilnehmenden neben reaktiven Strategien in schwierigen Schulsituationen den gestaltenden, präventiven Ansatz der Klassenführung vor und versuchen, die damit verbundene Gestaltungsmacht erfahrbar zu machen. Dazu ermutigen wir sie, sich auf ihre Werte zu besinnen, daraus selbst-bewusst eine wertegeleitete Führungsstrategie zu entwickeln und gleichzeitig die Unterstützung der Schülerinnen und Schüler bei der Selbstregulation als Bezugspunkt für die eigene Klassenführung zu sehen. Viele Teilnehmende haben diese Ideen aufgenommen und uns anschließend positives Feedback gegeben: «Es wirkt wirklich!»

      Als Prozessbegleiterinnen an Schulen erleben wir die Macht der Klassenführung als Steuerungsinstrument: Die persönliche Reflexion eines Konzepts der eigenen Klassenführung und seine Umsetzung im eigenen Unterricht erweitert die individuelle Handlungskompetenz jeder Lehrkraft. Die sich anschließende kollegiale Reflexion und die Umsetzung von Maßnahmen ermöglichen eine gemeinsam verantwortete Unterstützung des Lernens im kooperativ gestalteten System Schule.

      Immer wieder formulierten Lehrkräfte in unserer Fortbildung und Beratung den Wunsch, die Inhalte zu diesem komplexen Thema gesammelt in einem Buch vorliegen zu haben. Nun sind wir diesem Wunsch endlich nachgekommen. Das Resultat – ein Buch aus der Praxis für die Praxis – halten Sie in den Händen. Es beinhaltet unsere Anregungen und Ideen für eine lernwirksame Klassenführung in Unterricht und Schule. Das Augenmerk liegt auf Praxisnähe und Umsetzbarkeit. Die Thematik sollte sich nicht in einer wissenschaftlichen Darstellung erschöpfen.

      Wir hoffen, dass Sie, liebe Leserin, lieber Leser, unsere Leitgedanken zur Klassenführung richtungsgebend – sozusagen als Kompass – für gelingende Lernprozesse nutzen können. Als weiteres Steuerungselement – in der nautischen Sprache der Sextant – dienen die Ausführungen zur Selbstregulation. Zahlreiche Verweise auf Literatur zum Thema dienen Ihnen bei Interesse als Anstoß, weiterzuforschen. Unser Anliegen ist es allerdings, dass Sie durch die Lektüre unseres Buches Ihre eigenen Rezepte durch die Reflexion der vorgestellten Inhalte finden, anwenden und im Anschluss überprüfen und weiterentwickeln können. Wir werden Ihnen nicht sagen, wie Sie was tun müssen oder «wie es richtig geht»; wir sind der Meinung, dass das überhaupt nicht möglich ist. Wir bieten lediglich Entscheidungshilfen für Ihren eigenen Weg: Am Ende der Lektüre eines jeden Kapitels bestimmen Sie Ihre eigene Reiseroute für Ihren Unterricht.

      Diese Routen können Sie als Lehrkraft in Ihrem individuellen Unterricht ausprobieren, darum geht es im zweiten Teil des Buches. Sie können sie natürlich auch an Ihre Kolleginnen und Kollegen herantragen und als Schulleiterin oder Schulleiter nutzen, um gemeinsam eine abgestimmte Klassenführung zu vereinbaren und umzusetzen. Die Gesamtflotte wird im Fokus des dritten Buchteils stehen. Erlauben Sie uns zunächst jedoch ein paar grundlegende Überlegungen, gewissermaßen zur Vorbereitung der gemeinsamen Reise (Teil 1).

      All dies wird Ihren Schülerinnen und Schülern zugutekommen, denn sie werden ein durchdachtes Angebot erleben und nicht mehr nach Schlupflöchern für ihre Interessen suchen müssen, sondern eingebunden sein in einen gemeinsam verantworteten Prozess.

      Reutlingen/Biberach im Frühjahr 2020

      Astrid Warbinek und Margarete Reinhardt

      1Einleitung

      Die Führungsrolle der Lehrkraft ist vergleichbar mit der Rolle des Kapitäns oder der Kapitänin auf einem Segelschiff. Lehrkräfte haben eine große Gestaltungsmacht; sie entscheiden, wann welche Segel gesetzt und gerefft werden. Eine klare Führung im Unterricht (auf dem Segeltörn) lässt die Schülerinnen und Schüler (die Crew) den Kurs mitbestimmen und halten. Tragfähige kollegiale Absprachen im System Schule (mit anderen Kapitäninnen und Kapitänen der Flotte) erleichtern ihnen das Umsteigen von einem Schiff auf das andere.

      Sie werden solche oder ähnliche Unterrichtssituationen kennen. Was tun, wenn der Unterricht eigentlich gut vorbereitet und die Klasse beliebt ist, es aber trotzdem nicht nach Plan läuft? Gibt es garantiert wirkende Rezepte für solche Situationen? Lassen Sie uns einen Vergleich ziehen, bevor wir auf die Frage antworten.

      Für uns gleicht jede Unterrichtsstunde einer Segelfahrt auf hoher See: Es gibt keinen festen Untergrund, Wind und Wetter sind nicht immer berechenbar. Ausschlaggebend für eine entspannte, erfolgreiche Fahrt ist eine verantwortungsvolle Aufgabenverteilung innerhalb der Mannschaft. Vorab braucht es jemanden, der das Schiff verlässlich steuert. Kapitäninnen und Kapitäne benötigen eine solide Ausbildung, in der sie die technischen Kompetenzen erwerben. Erst wenn sie darüber verfügen, können sie das Schiff überhaupt auslaufen lassen. Unterwegs werden die Aufgaben innerhalb der Crew geteilt. Deshalb ist es wichtig, dass der Kapitän, die Kapitänin ein wertegeleitetes Verständnis für die Führung von Menschen hat. Beteiligung, Teamarbeit und Delegation sind hier grundlegende Aspekte. Die Fähigkeit, Vertrauenswürdigkeit auszustrahlen und gleichzeitig Begeisterung zu vermitteln, stärkt die Führung und ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die Crew hinter den Zielen der Reise steht und sich dafür einsetzt. Kapitäninnen und Kapitäne müssen die Aufgaben mit den Augen der Mannschaft betrachten, um zu wissen, was diese für ein gelingendes Arbeiten braucht. Manöver und Tagesziele sollten möglichst


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