Verantwortungsvoll führen in einer komplexen Welt. Mark Lambertz

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von seiner Aktualität eingebüßt. Im Gegenteil, seine Zeit ist mit den Herausforderungen des [9] digitalen Wandels erst gekommen, indem es den Übergang vom Denken in Hierarchien zum Verstehen von Netzwerken ideal begleitet. Die für die Lebensfähigkeit eines jeden Unternehmens konstitutiven Funktionen des normativen, des strategischen und des operativen Managements werden in ihrer detaillierten Ausgestaltung vorgestellt und anhand von Praxisbeispielen illustriert. Die so gewonnenen Erkenntnisse werden schließlich zu Prinzipien verantwortungsvoller Führung in Zeiten des digitalen Wandels verdichtet. [10]

      1.

line.jpg Reflexion in Zeiten des digitalen Wandels

      Das digitale Zeitalter übt eine große Faszination auf die Menschen aus, und die Medien – von Fachpublikationen bis hin zur Boulevardpresse – nehmen dieses Thema bereitwillig auf. Die einen beschwören das Schreckgespenst eines massiven Verlustes von Arbeitsplätzen und der Übernahme der Kontrolle durch intelligente Maschinen, die anderen sehen darin die überfällige Freisetzung von Innovationspotenzialen ungeahnten Ausmaßes. Es wird oft mit Schlagworten wie «Künstliche Intelligenz», «Autonomes Fahren» und «Roboter statt Menschen» operiert, ohne allerdings zu präzisieren, was genau sich hinter diesen Begriffen verbirgt. Und ohne zu verstehen, dass es sich beim «digitalen Wandel» nicht um eine singuläre Erscheinung handelt, sondern dass diese durch mehrere Megatrends charakterisiert ist. Ein Ziel dieses Buches ist es, das Verständnis für diese Entwicklungen zu schärfen und aufzuzeigen, was «Führung» in diesem Kontext bedeuten kann.

      Die Globalisierung, die ökologische Nachhaltigkeit, politische Unsicherheiten, der demografische Wandel und die synthetische Biologie fordern Führungskräfte heraus. Unser Fokus liegt aber auf dem digitalen Wandel.

      Neben dem digitalen Wandel sehen sich Führungskräfte mit einer Vielzahl kaum überschaubarer Herausforderungen konfrontiert. Dazu zählen neue politische Unsicherheiten, die Globalisierung, die ökologische Nachhaltigkeit, der demografische Wandel und die Versprechen der völlig neuen Disziplin der synthetischen Biologie. Auf diese Themen wird im Verlauf unserer Ausführungen immer wieder Bezug genommen, ganz besonders in Kapitel 3 zum sinnstiftenden Wertbeitrag und in Kapitel 4 zur nachhaltigen Entwicklung des Unternehmens. Sie stehen aber – wie bereits im Prolog dargelegt – nicht im unmittelbaren Fokus unserer Ausführungen, da dies den Rahmen dieses Buches sprengen würde. Der digitale Wandel lässt sich anderseits ohne deren Einbezug nicht verstehen, wie besonders bei der Entwicklung der strategischen Netzwerkdiagramme in Kapitel 4 zu illustrieren sein wird. [13]

      Megatrends des digitalen Wandels

      Drei Megatrends des digitalen Wandels werden auf künftige Unternehmensführung einen großen Einfluss haben:

      — Weltweit befindet sich die liberale Wirtschaftsordnung auf dem Rückzug. Die unternehmerischen Freiräume werden durch staatliche Einflussnahme und Regulierung stark eingeschränkt, und in den wichtigen Wachstumsbereichen diktieren Monopole den Wettbewerb.

      — Die Innovationen der digitalen Technologie führen zu grundlegenden Umwälzungen in drei Bereichen: Kommunikation, Energie und Logistik. Diese können nur als Ganzes verstanden werden, als verbindendes Element profiliert sich dabei das Internet der Dinge.

      — Die Ablösung der herkömmlichen Infrastrukturen durch digitale Plattformen und Netzwerke wird die Zukunft der Arbeit entscheidend prägen. Dem Verlust heutiger Arbeitsplätze steht eine Vielzahl neuer Beschäftigungsmöglichkeiten entgegen.

      Diese Megatrends definieren in Abb. 1.1 ein Spannungsfeld, in dem sich die künftige Führung behaupten muss.

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      Die unternehmerische Freiheit wird zum knappen Gut. Was hat sich gegenüber früher verändert, als sich bei technologischen Entwicklungsschüben dem unternehmerischen Denken und Handeln fast grenzenlose Chancen boten?

      Vier Entwicklungen prägen unsere Zeit:

      — Die liberale Wirtschaftsordnung ist im Rückzug begriffen

      — Monopole dominieren die wichtigsten Wachstumsmärkte

      — Der Staat reguliert (oft willkürlich) den digitalen Wandel

      — Unternehmen verlieren ihre gesellschaftliche Akzeptanz («Lizenz zum Geschäften») [14]

      Die liberale Wirtschaftsordnung baut auf Eigenverantwortung, Leistungsbereitschaft, Respekt vor privatem Eigentum, freiem Wettbewerb und Mut zum Risiko. Diese Ordnung geht meist einher mit einer demokratischen Gesellschaftsordnung. Weltweit sind Demokratien im Niedergang begriffen (LEVITSKY, ZIBLATT, 2018; KAGAN, 2018). Und mit ihnen die Möglichkeiten, unternehmerisch Neuland zu betreten. Aber auch in den noch bestehenden Demokratien gewinnen ideologische Strömungen an Einfluss, die im «(neo-) kapitalistischen» System des Unternehmertums eine ungerechtfertigte Bereicherung einiger Weniger zulasten der breiten Bevölkerung sehen. Entsprechend werden die unternehmerischen Freiheiten schrittweise eingeengt.

      Die wichtigsten digitalen Wachstumsmärkte werden von weltweiten Monopolen dominiert. GAFA (Google, Apple, Facebook, Amazon) setzen die Standards und sind für viele andere Unternehmen unverzichtbare Partner beim Aufbau des eigenen Geschäfts (GALLOWAY, 2017). Gelingt es kreativen Start-ups, eine Nische zu besetzen, so werden sie bei Erfolg von den Großen akquiriert. Das Geschäft funktioniert nach dem Prinzip: «Der Gewinner nimmt alles!» Eine reale Chance haben nur die schnellen Verfolger oder allenfalls etablierte Firmen, die dank ihrer Kapitalkraft digitale Geschäfte aufbauen können, dies vor allem im B2B-Bereich.

      Die Kombination von privatwirtschaftlichen Monopolen und staatlichen Regulierungen hindert den freien Wettbewerb.

      Der Staat sieht sich mit der Situation konfrontiert, dass die neuen Technologien Freiräume schaffen, die aufgrund ihrer Neuartigkeit noch keiner gesetzlichen Regelung unterstehen. In diese stoßen die schnellsten Digitalunternehmen hinein und bauen sich die Monopolsituation ganz nach ihren eigenen Regeln auf. Aus gesellschaftspolitischen Überlegungen kann dies der Staat nicht hinnehmen, was sich in Eingriffen und Regulierungen niederschlägt. Dies alles erfolgt aber weitgehend unter Ausschluss demokratischer und gesetzgeberischer Prozesse in einer «Zone der Willkür» – und damit zum Nachteil von Unternehmen und der Gesellschaft im weitesten Sinne. Ein gutes Beispiel dafür ist die kürzlich erlassene EU-Datenschutzverordnung, die vieles neu regelt, aber (dank geschickter Lobbytätigkeit der betroffenen Firmen) auch vieles ungeregelt lässt. Eine interessante Entwicklung zeichnet sich im Konkurrenzkampf zwischen den Monopolisten selber ab, indem Apple den Mitwettbewerber Facebook (zumindest zeitweise) von seinen iPhones verbannt, um diesen zu zwingen, unfaire Datenpraktiken aufzugeben. Dies wohl nicht aus moralischen Überlegungen, sondern um zu vermeiden, dass auf alle Monopolisten neue Regulierungen zukommen. [15]

      Bestehende Unternehmen verlieren zunehmend ihre gesellschaftliche Akzeptanz, ihre «Lizenz zum Geschäften». Ihnen wird vorgeworfen, zu sehr auf den eigenen Gewinn bedacht zu sein und die gesellschaftliche Wertschöpfung geringzuschätzen. Diese Entwicklung haben viele Unternehmen auch selber zu verantworten, da für sie das Gemeinwohl oft nur eine Nebenbedingung war. Die Erkenntnis aber wächst, dass die Wahrnehmung der gesellschaftlichen Verantwortung der Schlüssel für eine erfolgreiche Zukunft ist. Voraussetzung ist aber unternehmerische Freiheit (SCHWARZ, 2018). Diese muss mehr denn je auch verdient werden.

      Das Internet der Dinge spielt in der «dritten industriellen Revolution» die entscheidende Rolle. Diese begann in den Augen von Jeremy RIFKIN (2014) mit


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