#Lernsieg. Hadrigan Benjamin Tim

#Lernsieg - Hadrigan Benjamin Tim


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beginnt es. Jeden Tag tröpfelt das Schulsystem ein wenig Wasser auf die Flammen der Wissbegierde. Das tut es so lange, bis es den Jugendlichen reicht und sie Aggression, Frust und Angst entwickeln.

      Dadurch wird alles noch schlimmer, weil die Lehrer über dieses Verhalten urteilen und die Schüler im schlimmsten Fall der Schule verweisen können.

      Wer auffällig ist, nervt. Wer zu viel wissen will, nervt. Wer gegen altes, starres Denken rebelliert, nervt. Anderssein als die Masse ist ein No-Go. Sich Auflehnen ist ein No-Go. No-Gos werden bestraft. Ruhig sitzen müssen. Brav mitschreiben. Sprechverbot. Das Leben ist kein Wunschkonzert, Kinder! So fängt es an. Jede einzelne, noch so kleine »Strafe« ist ein Tropfen Wasser auf die Flamme unserer Wissbegier. Jeder einzelne Tropfen bringt unsere Neugier zum Erlöschen.

      Und wie reagieren wir? Wir reagieren auf unsere Weise. Noch mehr Frust. Schweigen. Angst. Aggression. Blockade. Totalausfall. Bis an die Grenzen der Selbstzerstörung.

      Das Schlimmste dabei: Niemand bringt uns bei, richtig zu lernen. Warum eigentlich nicht? Wir lernen doch auch zu gehen, bevor wir rennen können. Wieso wirft uns das Schulsystem so brutal ins kalte Wasser? Diejenigen, deren Eltern Akademiker oder Lernpädagogen sind, werden viel leichter schulisch erfolgreich. Viele andere müssen jeden Tag einen Lernkampf durchleben. All das könnten die Schulen mit ein bis zwei Tagen Lerncoaching zu Beginn jedes Schuljahres lösen. Schüler hätten vom ersten Schultag an positive Lernerfahrungen und mehr Zeit für ihre Hobbys. Nicht nur die Schüler, sondern auch die Eltern und Lehrer hätten viel weniger Stress.

      Ich bin dafür, dass Lehrer nach den Leistungen ihrer Schüler bezahlt werden. Ich bin sicher, sie kämen sehr schnell selbst auf die Idee, ihren Schülern das Lernen beizubringen. Alles wäre besser, und so absurd, wie sie vielleicht für Lehrergewerkschafter klingt, ist die Idee gar nicht. In Finnland sind vierzig Prozent der Lehrergehälter leistungsabhängig.

      Doch es gibt auch zwei gute Nachrichten.

      DIE ERSTE GUTE NACHRICHT

      Dieses Schulsystem wird in sich zusammenbrechen. Es stammt in seinen Grundzügen aus dem 18. Jahrhundert. Seither hat sich alles verändert. Jetzt ist das Internet die Veränderung. Alles, was sich nicht mitverändert, geht unter.

      DIE ZWEITE GUTE NACHRICHT

      Du wirst zwar noch mit dem alten System auskommen müssen, aber du kannst schon jetzt so lernen, wie es in Zukunft alle tun werden. Das zeige ich dir in den nächsten Kapiteln.

      Vorweg kann ich dir folgenden Ratschlag geben: Stell dir deine schlechten Erfahrungen mit der Schule wie schwarzes Wasser vor. Dieses Wasser ist kalt und rinnt jeden Tag über dich. Es ist unangenehm und du hasst dieses Wasser. Allerdings passiert dir nichts. Es bringt dich ja nicht um oder so.

      Nachdem du mit diesem Wasser überspült worden bist, steigst du aus der Dusche namens Schule und trocknest dich ab, als wäre nichts gewesen. Üble Lehrer und schlechte Noten sind einfach nur kaltes, schwarzes Wasser.

      Es sieht nicht gut aus und ist unangenehm. Doch es ist immer deine Entscheidung, ob du dich nach einer Dusche mit diesem ungewollten Wasser wieder abtrocknest oder nicht. Gefährlich für dich wird es erst, wenn du dein Leben lang nass bleibst.

      Entscheidest du dich dafür, diese negativen Erfahrungen einfach abzutrocknen, setzt du den ersten Grundstein für deinen Lernerfolg. Dieser Grundstein heißt:

      Durchhaltevermögen

      Es kann schon sein, dass du wirklich schlechte Erfahrungen mit der Schule gemacht hast. Dass dich andere Schüler oder vielleicht sogar Lehrer gemobbt haben, oder es sich für dich zumindest so angefühlt hat.

      Aber all das ist bloß schwarzes Wasser und nur dann gefährlich, wenn du dich nicht mehr abtrocknest und weitermachst.

      Wenn du in die Schule gehst, kann es dir passieren, dass das System dich von Montag bis Freitag mit kaltem, schwarzem Wasser duscht. Genau deshalb rebellieren tausende Schüler und brechen die Schule sogar ab.

      Was für ein Fehler! Sie haben Probleme und geben diesem ohnedies schon kaputten System am Ende auch noch die Genugtuung, sie gebrochen zu haben.

      Ich hatte schon Nachhilfeschüler, die nur wegen eines einzigen Lehrers die Schule abbrechen wollten.

      Ich kann mich noch an ein Gespräch mit so einem Nachhilfeschüler erinnern. Zum Schutz seiner Privatsphäre habe ich seinen Namen im folgenden Dialog auf Max geändert.

      »Benni«, sagte Max auf einmal und sah mich entschlossen an, »wir können das jetzt sein lassen.«

      »Was sein lassen, Max?«

      »Das mit der Nachhilfe.«

      Für einen Moment dachte ich, dass ihm auf einmal zu einhundert Prozent klar war, worauf es auf seinem Weg zum Lernsieger mit Social Media ankam. Max war an sich klug, und er war ja auch auf einem guten Weg. Also freute ich mich darauf, ihn bald wieder als Schüler zu verlieren.

      »Ich schreibe die Prüfung nicht«, sagte Max.

      »Bist du verrückt? Was ist passiert?«

      »Gar nichts«, sagte Max. »Nur, dass wir heute wieder Mathe hatten.«

      »Ja, und?«

      »Ich bin zu blöd fürs Gymnasium.«

      »Sagt wer?«

      »Meine Lehrerin. Sie sagte, ich solle lieber die Schule wechseln. Weil ich die Prüfung sowieso nicht schaffen würde.«

      Max meinte es absolut ernst. Er wollte wirklich alles hinschmeißen. Ich überlegte kurz.

      »Du hast recht«, sagte ich schließlich. »Du bist wirklich zu blöd.«

      Max sah mich böse an. »Spinnst du? Erst redest du mir dauernd ein, ich würde immer besser … und jetzt sagst du das? Warum bin ich auf einmal zu blöd für Mathe? Du bist echt ein A–«

      »Du bist auch nicht zu blöd für Mathe«, sagte ich. »Du bist mittlerweile richtig gut darin. Und auch in anderen Fächern. Ich bin mir sicher, du würdest die Prüfung locker schaffen. Trotzdem bist du zu blöd.«

      Max wirkte jetzt schon ziemlich sauer.

      »Du bist blöd, weil du deiner Lehrerin so viel Macht über dich gibst«, sagte ich. »Du erlaubst einem im Prinzip wildfremden Menschen, über dein Leben zu entscheiden.«

      Max starrte mich an.

      »Gehst du zu einem Straßenkehrer, wenn du einen medizinischen Rat brauchst?«, fragte ich ihn.

      »Lehrer sind keine Straßenkehrer. Sie haben eine jahrelange Ausbildung.«

      »So ist es, Max. Sie sind dazu ausgebildet, dir Mathe beizubringen. Oder Geschichte. Oder was auch immer. Aber sie sind nicht dazu ausgebildet, dein Gehirn oder deine Begabungen zu beurteilen.«

      Max ließ nicht locker. »Aber bei Prüfungen oder Schularbeiten beurteilen sie mich auch.«

      »Dafür haben sie einen Notenschlüssel. Das gibt ihnen noch lange nicht das Recht, diesen Notenschlüssel auch auf dich als Mensch anzuwenden. Deine Mathelehrerin kennt dich ja nur aus dem Unterricht.«

      »Aber sie weiß, dass ich schlecht bin.«

      »Sie weiß, dass du schlecht warst. Warst! Sie ist kein Orakel. Sie kann nicht in deine Zukunft blicken.«

      Ich hatte den Eindruck, dass Max allmählich verstand.

      Woher sollte seine Mathelehrerin wissen, wie er bei der Prüfung abschneiden würde? Wie schlecht oder gut vorbereitet er antreten würde?

      Für die Prüfungen davor hatte Max gar nicht gelernt. Und wenn doch, dann mit der falschen Taktik. Ohne die richtigen Lerntechniken. Doch diesmal würde es anders sein. Und seine Lehrerin wusste nichts davon.

      »Ist deine Lehrerin


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