Systemische Organisationsanalyse. Günther Mohr

Systemische Organisationsanalyse - Günther Mohr


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als Kommunikationszusammenhänge. Dennoch zeigt die Praxis: Wenn man gerade Veränderungsprozesse betrachtet, wird der Dynamik von Kommunikationsprozessen oft zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt.

      Der zweite grundlegende Prozess ist die Problemlösung. [PROBLEMLÖSUNG] Organisationssysteme haben die zentrale Aufgabe der Problemlösung. Dies beginnt schon bei der grundlegenden unternehmerischen Leistung, Lösungen für die Herausforderungen des Marktes zu produzieren. Dabei etablieren sich in jedem Unternehmen spezifische Muster, wie an Probleme heran gegangen wird. Ein Extrembeispiel dazu ist die Haltung »Bei uns gibt es keine Probleme«. Die Art, Entscheidungen zu fällen, genauso wie die Art, mit Konflikten umzugehen, sind charakteristische Problemlösungsmuster für eine Organisation.

      Im dritten Systemprozess spiegelt sich die Erfahrung: [ERFOLG] »Keine Organisation kommt langfristig ohne Erfolge aus.« Alle Zielsetzungsprozesse machen nur im Zusammenhang mit Erfolgsprozessen Sinn. Die Handhabung der Erfolgsdynamik ist ein zentraler Ansatzpunkt für Energie und Motivation im unternehmerischen Handeln.

       Die Systembalancen: Gleichgewicht und Rekursivität (Gg und R)

      Lebende Systeme zeigen ein grundlegendes Streben nach Ordnung, Sicherheit und Überleben. [INNERE BALANCE-MUSTER VON ORGANISATIONEN] In Gleichgewicht und Rekursivität (dem sich Wiederholen von Mustern auf unterschiedlichen Ebenen der Organisation) werden wesentliche Prinzipien der Entwicklung von unternehmerischen Systemen deutlich. Diese Grundtendenz sagt noch nichts über die Qualität des Gleichgewichts aus. Die zuletzt so oft beschworene stetige Veränderung muss den Menschen immer wieder nahegebracht werden. Es ist nur die eine Seite der Entwicklung und viele erhoffen bei Veränderungen eigentlich nur die Ruhe danach. Möglichst ein Gleichgewicht zu erringen, ist eine Kraft in Systemen. Auch Visionen und Zielpunkte sind vorgestellte Gleichgewichte. Man macht sich mit diesen Instrumenten die Gleichgewichtstendenz zunutze. Häufig sind Gleichgewichte auch rückwärtsgewandt. Das, was einmal war, wird verklärt und erscheint als nostalgisches Gleichgewicht in der Erinnerung.

      Die Rekursivität bezieht sich auf den Aspekt, inwieweit Systeme auf unterschiedlichen Ebenen gleiche Prinzipien zeigen. [REKURSIVITÄT] Wie eine russische Puppe, die in sich mehrere jeweils kleinere Spiegelbilder ihrer selbst enthält, zeigen Systeme auf unterschiedlichen Ebenen ähnliche Strukturen. Man muss nicht immer das Ganze erfassen, auch viele Teile beinhalten die wesentlichen Aspekte. Die »fraktale Beratung«, die einen Zipfel des Systems anpeilt, aber darin alle wesentlichen Aspekte zu berühren versucht, macht sich dies zunutze.

       Die Systempulsation: Äußere Pulsation und innere Pulsation (ÄP und IP)

      Pulsation ist die Veränderung der äußeren und inneren Grenzlinien eines Systems. [PULSIERENDE BEWEGUNGEN] Organisationssysteme zeigen über die Zeit pulsierende Bewegungen an inneren und äußeren Grenzlinien. Dabei gibt es sehr viele Möglichkeiten die äußere Grenzlinie zu ziehen. Ein Trend ist heute die Flexibilisierung der Grenzziehungen. Organisationen schöpfen gegenüber ihren Mitgliedern ein breites Spektrum an Arbeits-, Dienst-, Werk- und Beratungsverträgen aus. »Föderale« Organisationsstrukturen mit unterschiedlichen Mitarbeitergruppen, wie der Organisationsforscher Charles Handy sie nennt, sind die Folge. Offenheit bezeichnet die Grundfähigkeit eines Systems mit seinem Innen und dem Außen in Beziehung zueinander umzugehen.

      Die inneren Grenzlinien haben in der Dynamik zwischen den Subsystemen entscheidende Folgen. Bereiche, Abteilungen und Gruppen stellen Subsysteme im Unternehmen dar. Aber auch Frauen und Männer, die Alten und die Jungen, die in der Zentrale und die »am Markt« können eigene Subsysteme bilden. Große Umstrukturierungen, strategische Neupositionierungen der Gesamtorganisation erzeugen neue Subgruppen. Im schlechten Fall stehen einigen Gewinnern viele Verlierer gegenüber. Subsysteme entstehen aber immer durch die Kategorien der Beobachter und Gestalter von Unternehmen.

      Die vier Dynamikfelder beinhalten so insgesamt zehn Dimensionen. Der Stern zeigt die wichtigsten Perspektiven, ein unternehmerisches System zu betrachten.

       Abb. 3

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       Abb. 4

      Man kann die Betrachtung an einer beliebigen Stelle der folgenden Punkte beginnen. Die folgende Tabelle zeigt einzelne Fragen, wie man sich die Dimensionen im praktischen Beispiel erschließen kann.

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      Das Denken über Unternehmen und Organisationen hat durch die Forschung über lebende biologische Systeme wesentliche neue Impulse erhalten. Insbesondere die Eigenbezogenheit von Systemen und die daraus resultierenden Konsequenzen dafür, wie man überhaupt ein Humansystem beeinflussen kann, gaben hier wichtige Erkenntnisse. Die Übertragung auf Humansysteme wie Organisationen und Unternehmen konnte davon profitieren. Dabei haben der Engländer Stafford Beer und der Amerikaner Peter Senge dem Phänomen des »Systems« beziehungsweise dem »Systemischen« in Bezug auf Unternehmen große Aufmerksamkeit geschenkt. Peter Senge unterscheidet zwischen »System Design« und »System Emergence«.

       System Design

      Beim »System Design« geht es um die bewusste Planung und aktive Gestaltung von Organisationssystemen. Diese Sichtweise, dass man eine Organisation aktiv planen und gestalten kann, ist sehr verbreitet. Zahllose Unternehmensberater leben davon, lineare Gestaltungspläne zu entwerfen. Eine Firma wird analysiert, ein Plan entworfen und dann wird versucht, diesen Plan detailliert umzusetzen.

       System Emergence

      »System Emergence« ist die Entwicklung aus der jedem System innewohnenden Eigendynamik. Denn die Erfahrung zeigt, dass in Unternehmen viele maßgebliche Entwicklungen nach John Lennons Satz »Life happens while we make other plans« geschehen.

      Eine Frage ist dabei, ob und wie Unternehmen aus sich selbst heraus einen erfolgreichen Pfad beschreiten können. Auf der volkswirtschaftlichen Ebene unterstellte der theoretische Vater der Marktwirtschaft, Adam Smith, eine »unsichtbare Hand« (»invisible hand«), die dafür sorgt, dass sich eine langfristig gute Entwicklung vollzieht. Er postulierte, dass im Eigeninteresse liegendes Handeln rational ist und dadurch das Gesamte optimiert. [DIE »INVISIBLE HAND« LENKT DEN MARKT] Die Voraussetzungen, die er dafür annahm, waren außerdem, dass Menschen grundsätzlich moralisch handeln und dass Freiheit des wirtschaftlichen Agierens besteht. Verfolgt man die wirtschaftspolitischen Diskussionen, so scheinen die meisten Wirtschaftstheoretiker und Wirtschaftspolitiker weiter an die »invisibile hand« zu glauben.

      Vielleicht gibt es in Unternehmen auch eine unsichtbare Hand, die als unmerklicher Bereinigungsprozess wirkt, der aber im Extremfall auch zur Auflösung der Organisation führen kann. Mehr zur Vorstellung der »invisible hand« in Kap. 2 bei »Radikale Marktwirtschaft«.

       Eigendynamik und »große Männer«

      Jedes Unternehmen hat eine Eigendynamik, eine eigengesteuerte, unabhängige Entwicklung (System Emergence). Die Beachtung dieser Eigendynamik ist wichtig für jede beabsichtigte Einflussnahme. Aber wie kommt die Eigendynamik genau zustande? Hier hat der Satz »Menschen machen Wirtschaft« besonderen Sinn. Aber es sind nicht »die großen Männer«, wie manch individualistische Unternehmenstheorie vorgibt, sondern das spezifische systemische Zusammenwirken der Kraftfelder eines Unternehmens. Selbst wenn einzelne Personen großen Einfluss auf soziale Systeme haben, ist dies nur durch eine flankierende oder unterstützende Haltung anderer Systemkräfte möglich. [DAS ENDE DER GROSSEN MÄNNER] Beispielsweise kann der Vorstandsvorsitzende nur dann seine charismatische Seite in Gefolgschaft umsetzen, wenn andere Systemkräfte wie die Vorstandskollegen oder die anderen Manager ihn dabei unterstützen. Die Auswirkungen dieser Eigendynamik


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