Kämpf um deine Daten. Max Schrems

Kämpf um deine Daten - Max Schrems


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in ein paar Tagen ausstoßen. Natürlich ist das nur eine quantitative Betrachtung. Vieles davon ist einfach Datenmüll. Das Problem ist nur, dass das Löschen dieser Datenmassen oft komplizierter und sogar teurer ist, als einfach alles zu behalten. Wo früher die Festplatte voll war und mühevoll alte Daten aussortiert wurden, wird heute eine größere Festplatte reingesteckt oder für ein paar Cent weitere Giga-oder Terabytes Cloud-Speicher dazugekauft. Problem gelöst.

      Wenn das allgemeine Daten über den Verkehrsfluss, das Wetter, technische, wissenschaftliche oder administrative Informationen sind, ist das für den Menschen normalerweise unproblematisch oder sogar extrem hilfreich. Viele der erfassten Daten lassen jedoch direkte Rückschlüsse auf uns zu, auf unser Verhalten, unsere Persönlichkeit und unsere Gedanken. Diese personenbezogenen Daten können ein Problem werden. Sie explodieren heute ebenso exponentiell wie der Rest. Diese Daten erlauben gleichzeitig immer tiefere Einblicke in unser Leben und unsere Gedanken.

      Allein der Umfang von Informationen, die über jede einzelne Person gesammelt werden, ist erdrückend. Nicht mal Ihr persönlicher Datenhaufen ist heute noch von Ihnen überblickbar. Schon gar nicht überblickbar sind die Datenhaufen von Milliarden Menschen, die bei Millionen Unternehmen und Stellen verarbeitet werden. Jedes Jahr wird das noch mehr. Selbst Experten können Ihnen auf die meisten Fragen zu den Datenflüssen und den Details dieser Sammelwut keine konkreten Antworten geben. Die Datenwirtschaft ist heute selbst für die hellsten Köpfe unter uns zu komplex und weitläufig.

      Leider ist der Umfang der Datifizierung für 99% unserer Mitbürger noch nicht real greifbar. Sie geschieht abstrakt, unsichtbar und schleichend. Es hat sich zwar herumgesprochen, dass der elektrische Strom nicht von der Hauswand abgesondert wird und dass ein Klo auch kein Loch zum Nirwana ist, sondern dass alles irgendwo herkommt und wieder irgendwo hingeht. Was aber mit unseren Daten hinter den Displays passiert, die wir so gern ansehen (oder auch liebevoll streicheln), hinterfragen nur wenige. Das eine Prozent von uns, das genauer darüber nachdenkt, was hinter den glänzenden Oberflächen so passiert, ist dann meistens entweder paranoid geworden oder wurde zum Datenschützer, manchmal auch beides.

      7. Analysieren, Verknüpfen und »Big Data«

      Die heutigen, unglaublich umfangreichen Sammeltätigkeiten sind schon sehr beeindruckend. Noch spannender ist jedoch, was mit diesen Daten dann noch alles passieren kann. Wenn meine persönlichen Informationen irgendwo im Keller vergammeln würden, wären meine Sorgen eher gering. Natürlich passiert aber genau das Gegenteil: Auch die Verwertung unserer Daten wird immer umfangreicher. Auch hier wird täglich tiefer in unser Leben eingedrungen.

      Leistungsfähigere Computer können auch bei großen Datenmengen tiefgreifende und detaillierte Analysen auf Knopfdruck zaubern. Aus tausenden Informationen und Faktoren wird schnell ein Wert, eine Entscheidung oder eine Aussage errechnet. Aus hunderten Artikeln, die Sie auf Amazon angesehen und den paar, die Sie gekauft haben, wird in wenigen Millisekunden errechnet, was Sie vielleicht auch noch interessieren könnte. Aus tausenden Suchabfragen der letzten Jahre errechnet Google, gemeinsam mit anderen Faktoren, ob Sie beim Suchwort »Ägypten« auf der ersten Seite Urlaubsinformationen oder eher Informationen zur derzeitigen politischen Lage bekommen. Facebook errechnet auf Knopfdruck aus tausenden Meldungen jene relevanten Informationen, die Sie auf der ersten Seite angezeigt bekommen. Die passende Werbung wird auch gleich mitberechnet. Dafür werden jeweils Millionen Informationen verarbeitet und verknüpft. Alter, Interaktionshäufigkeit, Freundschaften, Klickverhalten, angegebene und errechnete Interessen, Reaktionen von Freunden und hunderte weitere Informationen werden bemüht, um für Sie ein paar Meldungen auszuwählen.

      Wenn ein Dienst das gut macht, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass Sie etwas kaufen, was Sie eigentlich nie wollten, weiter auf der Seite bleiben und weiterklicken. Die Nachteile solcher Analysen sind heute noch halbwegs überschaubar. Im schlimmsten Fall landen wir regelmäßig in einer sogenannten »Filter Bubble«: Damit beschreibt man das Phänomen, dass automatische Analysen den größten Teil der Informationen wegfiltern und damit bestimmen, was wir sehen oder eben auch nicht sehen. Der Informationsreichtum des Netzes wird dadurch beschnitten, ohne dass wir auswählen können, was wegkommt. Die Informationen werden immer weiter auf unsere Interessen eingeschränkt. Das bedeutet auch, dass wir in unserem eigenen informationellen Saft immer weiter einkochen. Wie bei einer Tageszeitung schneiden die Algorithmen jene Seiten weg, die Sie selten lesen. Politik? Weg damit! Sie blättern eh immer nur drüber. Dafür gibt es jetzt 25 Seiten Sport und Chronik. Wenn Sie glauben, jeder bekommt die gleichen Ergebnisse bei Google, die gleichen Updates bei Facebook oder die gleichen Vorschläge bei Amazon, dann liegen Sie falsch. Es wird alles anhand Ihrer Daten gefiltert und angepasst. In den USA geht das so weit, dass Republikaner tendenziell nur die Meinung von Republikanern und Demokraten nur demokratische Meinungen sehen. Andere Meinungen und neue Dinge, für die wir uns bis dato nicht interessiert haben, werden weggefiltert. Demokratiepolitisch ein Wahnsinn.

      Aber im Vergleich mit anderen Möglichkeiten ist diese Filter-Problematik eher ein Kindergeburtstag. Mit ein paar Daten und einer guten Analyse kann man beispielsweise in Ihre Gebärmutter sehen – kein Scherz. Target, ein US-Supermarkt, machte Schlagzeilen, weil ein Verantwortlicher erklärte, dass der Supermarkt einen »Schwangerschaftsindex« für seine Kunden anlegt. Dafür haben die Analytiker von Target in Millionen Datensätzen Verbindungen gesucht. Dinge, die Kunden gekauft haben, bevor sie später Kindersachen kauften. Die Analytiker hatten am Ende eine Liste von Dingen, die statistisch relevant waren. Wenn Kundinnen diese Produkte kauften, konnte der Supermarkt sogar den Geburtstermin relativ genau errechnen. Der zuständige Analytiker meinte dazu in der New York Times, man schicke natürlich keine Aussendung mit »Gratulation zu Ihrem ersten Kind!« Man macht das etwas subtiler. An die Kunden werden »zufällig« die entsprechenden Werbungen oder Gutscheine für Babykleidung, Kinderwägen und Wickeltische verschickt. Die Aufregung in den USA war groß.

      Natürlich ist davon auszugehen, dass Target nicht nur einen Schwangerschaftsindex, sondern auch unzählige andere solcher Indices für jeden Kunden anlegt. Target hält sich dabei an alle (US-) Gesetze. Der Mitarbeiter räumte gegenüber der New York Times aber ein: »Selbst wenn man sich an die Gesetze hält, kann man Dinge tun, bei denen den Leuten schlecht wird.« Ob Target den betroffenen Leuten entsprechende Gutscheine für Beruhigungstropfen zuschickt, ist nicht überliefert.

      Penetrant umworben zu werden kann schon sehr grenzwertig sein. Noch problematischer wird es aber im gegenteiligen Fall, also wenn Sie gewisse Dinge nicht mehr bekommen, weil Ihre Daten analysiert wurden. Wenn Sie keine Gutscheine oder Angebote bekommen, die alle anderen bekommen, weil Sie nicht genug Umsatz bringen, wenn Sie keinen Vertrag bekommen, weil die Analyse Sie als unprofitablen Kunden ausgewiesen hat. Das muss nicht bedeuten, dass Sie nicht zahlen. Vielleicht zahlen Sie einfach nur zu wenig. Vielleicht gehen Sie nicht jedem Werbeversuch auf den Leim. Wenn Sie beispielsweise ein disziplinierter Kunde sind und eben nur die Sonderangebote nutzen, sich aber dann nicht zu großen Käufen hinreißen lassen, dann bringen Sie keinen ausreichenden Profit.

      Heute ärgern wir uns, weil wir ohne Kundenkarte irgendwo keine Minus 20% bekommen. In Zukunft werden wir hingegen oft gar nicht mehr wissen, welche Optionen es gibt und was vor uns versteckt wird. So etwa hat der Zahlungsdienst PayPal mit einigen US-Airlines die Kundendaten ausgetauscht. Diese Airlines speichern in ihrer Kundenkartei, dass Sie ein PayPal-Konto haben. Wenn Sie ein Ticket kaufen, werden alle anderen Zahlungsoptionen ausgeblendet, und Sie können nur noch mit PayPal zahlen. Die Unternehmen sparen damit Kreditkartengebühren und haben vermutlich auch einen besseren Tarif von PayPal bekommen. Wenn Sie lieber mit Kreditkarte gezahlt hätten, dann ist das Ihr Problem. Ähnliches gibt es auch mit Kreditinformationen. Wenn Sie als höheres Risiko gelistet sind, können Sie nur noch vorauszahlen, die anderen Optionen werden Ihnen nicht mal mehr angezeigt. Der Vorteil für die Unternehmen: Sie wissen nicht mal, was Sie nicht bekommen.

      Zur immer tiefer gehenden Analyse kommt die immer umfassendere Verknüpfung und Wiederverwendung von Daten hinzu. Wie im PayPal-Beispiel werden Daten über den einzelnen Zweck der Datensammlung, über die einzelnen Unternehmen und über alle anderen Grenzen hinweg verknüpft. Durch die Verknüpfung entsteht aus einzelnen Datenpunkten ein eng verwobenes Datennetz zu jeder Person. Wie bei einem Puzzle ergibt erst die Zusammenschau aller Teile das detaillierte


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