Im Moor und auf der Heide. Bruno P. Kremer
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Im Unterschied zur menschlichen Wirtschaft kennt die Natur allerdings keinen dauerhaften Abfall. Normalerweise macht sich ein Heer von Zersetzern über die anfallende organische Totsubstanz her und führt die darin enthaltenen Bestandteile in den allgemeinen Stoffkreislauf zurück. Perfekter könnte ein vorbildliches Materialrecycling gar nicht beschaffen sein!
In einem Sumpf schwanken die Wasserstände im Jahresgang, und eventuell trocknet der Boden auch einmal ganz aus. Dann hat der Luftsauerstoff überall freien Zutritt zum abgelagerten organischen Material. In der Folge gelingt es den kleinen Bodenorganismen, die anfallende pflanzliche Totsubstanz in relativ kurzer Zeit – wie übrigens auch auf dem Laubwaldboden – vollständig abbauen. Sie häufen am oder im Sumpfboden daher nur eine dünne Humusschicht an, die aus (zunächst) nicht weiter abbaubaren Resten besteht.
In Sümpfen findet anders als in Mooren keine Torfbildung statt.
Anders verhält es sich im Moor: Hier ist die die Wassersättigung des Bodens im Gegesatz zum Sumpf lage- und/oder klimaabhängig ziemlich konstant. Wegen des dadurch bedingten mehr oder weniger dauerhaften Sauerstoffmangels kann kein vollständiger Abbau der anfallenden organischen Totsubstanz stattfinden – es kommt also allenfalls zur Vermoderung bzw. zur Vertorfung (vgl. S. 40 ff.). Torf und Torfanhäufung sind somit die wichtigsten Kennzeichen eines Moores und unterscheiden es grundlegend vom Sumpf.
Beobachtungstipp – Moorleichen en miniature
Im Torf bleiben die angehäuften Pflanzenreste unter Sauerstoffausschluss unter Umständen viele Jahrtausende lang erhalten. Ein kleines Torfpaket – gegebenenfalls sogar aus der Bodenfüllung eines Blumentopfes – kann daher ein überraschend ergiebiges Untersuchungsgut für die (Stereo-)Lupe oder das Mikroskop sein. Neben pflanzlichen Makroresten (Blattepidermen, Leitbündelbestandteile) lassen sich in den Proben häufig auch Pollen oder Sporen finden (vgl. S. 128 ff.).
Fragen
› | Was ist Torf? |
› | Was passiert mit dem Pflanzenmaterial in einem Moor? |
Wasserhaushalt der Moore: 1 Niederschlag, 2 Verdunstung, 3 seitlicher Zufluss, 4 seitliche Durchströmung, 5 Durchströmung von unten, 6 etwaiger Abfluss, 7 Abfluss in den Randsumpf
Vielfältig und verschieden
Genauso wie man von Wald oder Wiese spricht und dabei klar vor Augen hat, dass es grundverschiedene Wald- bzw. Wiesentypen gibt, verbirgt sich auch hinter dem Begriff Moor eine erstaunliche Bandbreite verschiedener Erscheinungsformen. Diese Vielfalt zeigt sich bereits in den entsprechenden Fachbegriffen wie Hoch- und Niedermoor, Hangmoor, Heidemoor, Kesselmoor, Durchströmungsmoor und vielen anderen. Aber auch die Regionalsprache kennt mancherlei Unterschiede: Filz und Moos (Bayern) oder Moos und Ried (Baden-Württemberg) sind gewiss nicht dasselbe. In Schweden unterscheidet man säuberlich mosse und kärr, im angelsächsischen Raum bog und fen, in Frankreich marais und tourbière. In den Niederlanden existiert allerdings nur der eine Begriff veen. Im relativ moorarmen Italien spricht man ebenfalls einheitlich nur von palude. Eine solche Vielfalt der Bezeichnungen erfordert eine klare Ordnung.
Die traditionelle Sicht
Eine einfache und für die Praxis überaus brauchbare Einteilung unterscheidet zwischen Nieder- und Hochmoor. Zugegebenermaßen wäre es verführerisch, die betreffenden Begriffsinhalte mit Niederungs- bzw. Höhenmoor zu umschreiben. Den entscheidenden Unterschied macht jedoch nicht die topografische Höhenlage im Tiefland bzw. im Gebirge aus, sondern die Art der Wasserzufuhr bzw. die Herkunft des Wasserüberschusses, weswegen man auch von einer hydrologischen Einteilung der Moortypen spricht.
Ein Nieder- oder Flachmoor ist immer ein Grundwassermoor. Der jeweilige Moorstandort- bzw. -bildungsort erhält sein lebenserhaltendes Wasser aus dem Oberflächenabfluss und vor allem aus dem ganzjährig hoch anstehenden Grundwasser. Niedermoore sind somit generell grundwasserernährt – man nennt sie deswegen auch minerotroph. Sie entwickeln sich in feuchten Mulden und Senken, in Quellgebieten, in breiten Flussauen und vor allem in den Randbereichen von Seen. Der Begriff «Niedermoor» erklärt sich daraus, dass dieser Moortyp bevorzugt, aber nicht ausschließlich in der Niederungslandschaft (Tiefland) auftritt. Die Bezeichnung «Flachmoor» verweist dagegen auf die ebene Oberflächengestalt dieses Moortyps. Niedermoore können demnach auch durchaus im Gebirge vertreten sein. Gewöhnlich sind sie ziemlich nährstoffreich. Deswegen bezeichnet man sie im Unterschied zu den nährstoffarmen Hochmooren vielfach auch als Reichmoore.
Nieder- oder Flachmoore sehen wegen ihrer unterschiedlichen landschaftlichen Einbindung und Entwicklung meist sehr verschieden aus. Man kann daher geradezu von einer Flachmoor-Typologie sprechen, wie sie auch in den Schemata der Abbildung unten auf dieser Seite zum Ausdruck kommt. Die ausgewählten Beispiele zeigen einige der wichtigsten Formen. Tatsächlich ist die Bandbreite an diesen besonderen Moortypen noch viel größer.
Schemata der verschiedenen Niedermoortypen
Beobachtungstipp – Unterschiede auf den ersten Blick
Niedermoor in Norddeutschland
Für den Naturfreund ist es nicht immer einfach zu entscheiden, ob er gerade vor einem topogenen Nieder- oder einem ombrogenen Hochmoor steht. Letzte Zweifel räumt der Blick auf die vorherrschende Pflanzenwelt aus. Ein Niedermoor zeichnet sich fast immer durch eine üppige, artenreiche Vegetation mit großblättrigen Gräsern und Kräutern aus. Auffallend sind hier beispielsweise die eindrucksvollen Horste der Steifen Segge (Carex elata). Häufig finden sich hier auch der Fieberklee (Menyanthes trifolata) oder sogar verschiedene Sträucher (Weiden der