Glücklich mit mir selbst. Ruediger Dahlke

Glücklich mit mir selbst - Ruediger Dahlke


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Ehen meiner Mutter. Es half nichts. Vielmehr stellte die rein auf Pharmakologie ausgerichtete Klinik einen nicht gerade sehr angesehenen älteren Psychiater und Psychoanalytiker extra für meine Einführung in die Ehe-Beratung ab. Eine für mich unvergessliche Erfahrung …

      Der ältere Kollege erklärte ungerührt: Alles halb so schlimm, es kämen praktischerweise nur Frauen. Die würden sich sowieso immer nur darüber beschweren, dass ihre Männer nicht mehr so funktionierten wie zu Beginn der Ehe. Sie kümmerten sich nicht mehr, weder brächten sie noch Blumen mit noch Pralinen, geschweige denn Schmuck. Und sonst … ja, da seien sie schon gar nicht mehr zu gebrauchen. Ich hätte also nur dafür zu sorgen, dass die Männer wieder zum Anfangsprogramm zurückkehrten. Fertig, aus. Lektion erteilt.

      Verblüfft fragte ich, wie ich das bewerkstelligen sollte, wo doch angeblich gar keine Männer in die Sprechstunde kämen. Ganz einfach, meinte der erfahrene Kollege: Rate den Frauen, sich all das selbst zu besorgen, wofür früher die Männer sorgten. Also sich selbst Blumen zu bestellen – am einfachsten vom Lieferservice. Fragte der Mann dann nach, wo der Rosenstrauß her sei, könnte sie ja auch ganz ehrlich sagen, sie wüsste es selbst nicht – schließlich sagt Fleurop nicht, wer sie dort besorgt. Manche Männer würden dann umgehend wieder dazu zurückkehren, selbst Blumen mitzubringen, größere Sträuße sogar, um den geheimen Verehrer auszustechen. Ja, und wenn das nichts brächte, dann könnten ja noch Dessous herumliegen, und jeder Ehemann werde den diskreten Hinweis verstehen, dass diese sonst ja auch ihm unbekannt bleibendem Einsatz zugeführt werden könnten.

      Das sollte nicht etwa ein schlechter Witz sein! Protest nützte nichts, er bestand mit der ganzen Autorität eines universitären Lehrkörpers auf Umsetzung der Lektion. Verblüffung! Es funktionierte tatsächlich. So wurde ich im Schnellverfahren zwar kein guter, aber ein »erfolgreicher« Eheberater, zumal der ältere Kollege noch weitere Tricks aus seinem unerschöpflichen Praxis-Repertoire preisgab. Die Krönung aber war die Theorie dazu, die er in einem einzigen Satz zusammenfasste: »Männer sind so leicht zu dressieren, nur bei Frauen ist es noch leichter.«

      Das konnte nun wirklich nicht alles sein. Es war aber alles, was die Psychiatrie, wie ich sie damals kennenlernte, dazu hergab.

      Das ist nun vierzig Jahre her. Auch die Psychiatrie ist heute eine andere, und zur Eheberatung gehen heutige Menschen zum Psychotherapeuten. Die grundsätzliche und schwerwiegende Frage aber bleibt: Warum zerbrechen so viele Beziehungen? Und warum scheint es immer schneller zu gehen? Festzustellen ist in der Beratungspraxis heute aber auch: Längst nicht alle aus Partnerschaften gefallene oder ausgestiegene PatientInnen fühlten sich verlassen, einsam und beladen.

      Die Spielregeln des Lebens

      Wenn auf Erden die Liebe herrschte, wären alle Gesetze zu entbehren.

      ARISTOTELES

      Die Spielregeln des Lebens ergeben sich für mich aus drei Schicksalsgesetzen und zwölf Lebensprinzipien. Beginnen wir mit den Schicksalsgesetzen.

      Partnerschaft beginnt heute in der Regel mit beglückender Verliebtheit, einer Phase der Exaltiertheit, gemäß dem berühmten Satz Hermann Hesses: »Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne.« Das entspricht dem drittwichtigsten der Schicksalsgesetze, welches besagt, schon im Anfang liege alles, so wie im Samen der Baum.

      Früher nahmen auch noch in unserer eigenen Kultur die Eltern auf Eheschließungen großen Einfluss. So nach dem Motto: Wir haben ein Baugeschäft und die haben ein Baugeschäft, also baut etwas Schönes miteinander (auf). Damit folgten alle dem zweitwichtigsten der Schicksalsgesetze, dem der Resonanz. Im Anfang der Verbindung lag da meist kein übermäßiges Glück, dafür erwies sich das langfristige Konzept als Bürge für Haltbarkeit und Dauer und zumeist auch ein nicht so herbes Ende. Im Idealfall ist die heute so hoch geschätzte Resonanz-Phase eine wundervolle Zeit, die beide genießen, wenn sie dieselben Gedanken denken, dasselbe Essen mögen und sich am Selben und aneinander freuen. Im Stehen stoßen sie an, ohne anstößig zu sein, im Sitzen genießen sie das gemeinsame Mahl, bei dem sie sich schon nacheinander verzehren, was sie in der Horizontale dann vollenden oder auch nicht. Sobald diese Phase vorbei ist, etwa weil er gleich und sie gar nicht kommt oder sich eine anstrengende horizontale Bastelei ergibt, geben insbesondere die Jungen heute oft gleich wieder auf.

      Wo die Resonanz sich aber wundervoll fügt, sie miteinander schwingen und entschweben in gemeinsame Glücks- und sogar orgiastische Einheitsgefühle, liegt eine genussreiche, aber begrenzte Zeit vor ihnen. Nicht wenige deuten sie als höchste Zeit zur HochZeit und trauen sich vor den Traualtar. Das aber ist eine Rechnung, die sie ohne das erste Schicksalsgesetz gemacht haben.

      Dieses erste und wichtigste Gesetz, das der Polarität, entfaltet seine Wirksamkeit, sobald der Hormonrausch der Resonanz-Phase vorüber ist und der Alltag mit seiner Routine einkehrt. Dann erleben die beiden, wie sie sich gegenseitig ihre jeweiligen Schatten(seiten) zu spiegeln beginnen. Die allermeisten stürzen jetzt in die Konflikte der Schattenprojektion ab. Was mit himmlischen Orgasmen und/ oder mit Anrufung himmlischer Kräfte Himmel-hoch-jauchzend vor dem Trau-Altar begann, endet häufig – in unseren Großstädten schon zu 80 Prozent – zu Tode betrübt vor dem Scheidungsrichter. Anschließend sind beide allein, oder einer ist es, ganz selten aber keiner, weil beide schon heimlich oder offen für Ersatz (vor-)gesorgt haben. Nun zu den Solisten des Lebens.

      Das neudeutsche »Single« gehört inzwischen zum selbstverständlichen Sprachgebrauch, der herkömmliche Begriff »alleinstehend« dagegen nur noch ins Personenstandsregister. Gut so. Ihm haftet seit je etwas Defizitäres an. »Allein stehen« zu können ist dabei doch alles andere als ein Defizit, und das ist nicht nur zeitgemäß, sondern auch wesenhaft so. Solisten in der Kunst des Lebens genießen in Bezug auf alle drei Schicksalsgesetze sogar einige Startvorteile auf dem Weg zu nachhaltigem Glück.

      >Allererst so in Bezug auf das Gesetz der Polarität. Sie müssen davon ausgehen, dass auftretende Probleme ausschließlich mit ihnen selbst zu tun haben, denn da ist schlicht kein Partner, auf den sie projizieren könnten: Sie sind sich selbst und nur sich selbst immer und ausnahmslos verantwortlich. Es wird davon zu reden sein, welche Herausforderungen das mit sich bringt.

      >Auch beim Resonanz- oder Spiegelgesetz sind sie – rein prinzipiell gedacht – im Vorteil. Sie können sicher sein, dass ihre Schwachstellen nicht vom Partner ausgeglichen werden. Wer niemanden hat, der seine Schwächen kompensiert, muss sie allerdings auch selbst sehen können und allein bearbeiten, um sich in puncto Lebensqualität letztlich nichts vorzumachen.

      >Das Gesetz des Anfangs offeriert in unserer entwickelten, offenen Gesellschaft, die sich – bis zum Corona-Koma – die Freiheit des Individuums auf die Fahnen geschrieben hatte, für fast jede Art von Alleingang nachgerade verführerische Möglichkeiten. Ob als Chance oder Falle, hängt davon ab, welche inneren und äußeren Voraussetzungen der einzelne Mensch mitbringt und welche Vorstellungen von seinem Glück er sich gönnt.

      Allein-Sein ist nicht Einsamkeit

      Einsamkeit ist das Vermissen des Anderen. Allein-Sein ist das Finden von sich selbst.

      OSHO

      Fragst du vielleicht: »Glücklich mit mir selbst, nur ganz für mich allein – ist das nicht egoistisch?« Oder, anders herum: »So ganz für mich allein – bin ich dann nicht schrecklich einsam?«

      Einsamkeit ist ein Gefühl von Mangel, das mit Leid verbunden ist. Wer sich einsam fühlt, dem fehlt etwas. Schon diese Feststellung rückt Einsamkeit in die Nähe von Krankheit. Ist doch »Was fehlt ihnen?« die klassische Eröffnungsfrage der Ärzte. Wenn ich einsam bin, fühle ich mich ganz auf mich allein zurückgeworfen. Das Gefühl der Überforderung begleitet mich sogar unausgesprochen, es steht im Raum wie der sprichwörtliche Elefant.

      Einsamkeit ist kränkend und kann auch körperlich krank machen, zumal wenn sie mit Gefühlen des Ausgeliefertseins einhergeht und wie ein Gespenst im kleinsten Zeitraum lauert, der ohne Ablenkung ist. Umfragen haben ergeben, dass die Hälfte der Deutschen Angst davor hat, im Alter zu vereinsamen. Vor allem


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