Organisation und Inspiration. Gerhard Fatzer
geschehen, kreiert ein Lösungsvorschlag das nächste Problem.
Dann wurde vom amerikanischen Publikum gefordert, dass dieser Konzernchef mindestens durch seine Präsenz eine Art von Hoffnung verbreiten solle. Da dies nicht geschah, trat Präsident Obama auf und wies darauf hin, dass er als Politiker von den technischen Details eines Rettungsplanes nichts verstehen könne, dass er sich hier aber voll auf die technische Expertise der BP-Fachleute verlassen müsse. Als dieser Wunsch nicht in Erfüllung ging, begann Obama sich in sehr pragmatischer Art in die operativen Geschäfte von BP einzumischen. Zuerst einmal hob er hervor, dass es sich um ein britisches Unternehmen handele und dass man den Führungskräften doch gerne mal »einen Tritt in den Hintern« geben solle. Systemisch gesehen handelt es sich hier um das Systemverhalten »Shifting the burden«, das zum Ziel hat, Schuldige zu suchen.
Als dann der britische Premier sich einmischte und sich verbat, dass das wichtigste britische Unternehmen in den Dreck gezogen werde, wurde wieder nach gemeinsamen Lösungen gesucht. Zudem begannen die amerikanischen Aktionäre zu realisieren, dass sie ja über Aktien mit dem Schicksal von BP verbunden waren. Entsprechend würde ihre Altersvorsorge verloren gehen. So realisierte man gemeinsam, dass man im gleichen Boot sitzt (systemisch: »Tragedy of the Commons«), dass also dieses hektische Suchen nach Schuldigen nichts bringen würde.
Der Britische Konzernchef wurde in der Folge geopfert und durch einen amerikanischen ersetzt, der besser mit den betroffenen Amerikanern kommunizieren konnte. Das Problem wurde schließlich nach vielen Fehlversuchen und nach drei Monaten durch die vollständige Versiegelung des Bohrlochs gelöst, so dass kein Öl mehr austreten konnte. Vieles von den gigantischen Ölmengen im Wasser hatte sich »wundersam« aufgelöst und mit Wasser vermischt, so dass lediglich ein großer und langer Ölteppich unter der Oberfläche trieb. BP wurde gezwungen, einen riesigen Schadenfonds zu eröffnen und große Teile seiner wertvollen Ölfelder zu verkaufen. Obama erklärte dann die Katastrophe offiziell für beendet.
Die bleibenden Folgen der Ölauflösung mittels Chemie sind noch unbekannt, auch kennt man die Auswirkungen auf die Fische und die Pflanzenwelt nicht. Es besteht die Gefahr, dass aus der Krise »nichts gelernt« wurde und dass die nächste genauso unprofessionell angegangen wird.
Hierzu ein paar Zitate aus Ed Scheins Autobiographie (Right Time, Right Place, 2012, unveröff.)
»As Perrow pointed out a long time ago, as technologies become more complex there will occur interactions between processes that are safe under some conditions and not others.« (p. 295)
»On the day that the BP platform in the Gulf of Mexico was failing to cap the undersea well for various technical reasons, OSHA awards were being given to some employees!!! BP has had an exemplary record in the personal safety area, measured by OSHA statistics, and yet had major accidents in Texas City and in the Gulf because of process failures that were not foreseen.
So the CEO of the site that has nuclear plants, and indeed the CEO of BP and other companies in high hazard complex industries, must also have a chief technology officer (CTO) whose job it is to make clear what the risks are of compromising on standards or not monitoring practical drift.« (ibid.)
»When an open discussion finally occurs between the employees, the engineers and the executives they discover that the conditions for safety are also the conditions for longer-range organizational health, productivity and growth. Open communications based on psychological safety and trust are the rock bottom conditions for effective operations. When safety is compromised, so is the organization’s basic operation. The very conditions for effectiveness that go back to McGregor, Lewin, Drucker and most other management thinkers have been reaffirmed in the search for safety. The ultimate irony may turn out to be that concern for safety will make us pay more attention to productivity factors than concern for productivity ever did.« (p. 298)
Die Führungsaufgabe ist eng verbunden mit der Fähigkeit zur Veränderung und Transformation. Was weit verbreitet bei Führungskräften und Transformationsprozessen fehlt, ist die Inspiration. Wir zeigen auf, dass neue Entwicklungen in Organisationen und in der Gesellschaft weltweit im Gange sind, welche Inspiration erfordern.
Führung wird neu umschrieben mit Wahrnehmungsfähigkeit von zukünftigen Möglichkeiten. Organisationen selbst sollten Orte werden, wo Inspiration möglich ist und wo zukünftige Lösungen nicht nur aus der Vergangenheit entwickelt werden.
»Spiritualität kann als Quelle von Kreativität beschrieben werden. Damit unterscheidet sich Spiritualität von Religion, indem sie eine Erfahrung und nicht ein Glaubenssystem ist.« (Scharmer, 102)
Lassen Sie uns an dieser Stelle zu einer Inspirationsquelle greifen, die auf den ersten Blick von einer ganz anderen Quelle herzukommen scheint: der Sintflut. Sprache und Duktus der Geschichte sollten Sie dabei nicht irritieren. Wenn wir die Katastrophen-Geschichte von BP mit der Transformationsgeschichte der »Sintflut« vergleichen, so lassen sich möglicherweise Inspirationen finden, wie man die Krise hätte angehen können. Jede Transformationsgeschichte enthält ja eine Schlussfolgerung oder Meta-Geschichte. Oft ist dies eine Weisheit, wie man hätte mit der Situation umgehen können.
Die Geschichte von der Sintflut spielte sich folgendermaßen ab oder wird so dargestellt:
Transformationsgeschichte
»Die Sintflut
Genesis 6,5–8,22
Gott bereut, dass er die Menschen gemacht hat, als er sieht, dass ihre Bosheit groß ist auf Erden. Er beschließt sie zu vertilgen, zusammen mit den Tieren. Erschaffen und Vernichten sind die beiden extremen Möglichkeiten Gottes, das ist, was er vollzieht. Er hält inne durch die Frömmigkeit des Noah. Gott will alles verderben, was den Odem des Lebens hat (Gen. 6,17), es soll untergehen. Aber mit Noah will Gott einen Bund schließen und ihn und seine Familie retten, zusammen mit jeweils einem Paar jeder Tiersorte. (Gen. 6,18–19).
Gott öffnet seinen Blick für die Frömmigkeit des Noah und bestätigt in seinem Empfinden dessen Lebensrecht. Alles, was voller Frevel ist, soll dagegen untergehen. Gott trennt sich von dem, was sich von ihm getrennt hat, und lässt es los. Selbst Gott kann den nicht halten, der sich von ihm entfernt, er kann aber seine Lebenskraft und seinen Lebensraum von ihm zurückziehen. Hier versenkt er einfach die Erde im Wasser, so dass alles ertrinkt, was nicht mehr im Einklang mit ihm wandelte. Es gibt noch eine Vorbereitungszeit von sieben Tagen, bevor es 40 Tage und Nächte regnen wird. (Gen. 7,4)
Gott selbst begibt sich in den Transformationsprozess. Er lässt das, was nicht mehr mit ihm in Kontakt ist, untergehen. Seine Phase 4 = Anwesend sein hat er für 40 Tage angesetzt. Das ist die Zeit, die Jesus später in der Wüste sein wird, bevor der Satan ihn versucht. Anscheinend sind 40 Tage die Zeit, die Gott braucht, um sich neu zu erschaffen.
Die Wasser steigen, so dass selbst die hohen Berge versinken und alles, was Odem des Lebens hatte auf dem Trockenen, das starb. (Gen. 7,22) Nur Noah, seine Frau, ihre drei Söhne mit den Frauen und die ausgewählten Tiere in der Arche überleben.
150 Tage bleiben die Wasser auf Erden, dann verlaufen sie wieder. Es braucht noch weitere Zeit, bis die Erde wieder ganz trocken ist und die Lebewesen die Arche wieder verlassen können. Es zeigt sich also erst allmählich ein neuer Lebensraum, der sich wieder zu Land verdichtet (Phase 5). Gott gibt den Überlebenden den Auftrag, fruchtbar zu sein und sich zu mehren. (Gen 8,17) Sie sind die Ausgangswesen, durch die neues Leben die Räume füllen soll. Sie sind die experimentelle Grundlage (Phase 6), nach der die Belebung der Erde wieder umgesetzt werden soll (Phase 7).
Noah baut einen Altar und opfert Gott zum Dank. Gott spricht in seinem Herzen: »Ich will hinfort nicht mehr die Erde verfluchen um der Menschen willen; denn das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf. Und ich will hinfort nicht mehr schlagen alles, was da lebt, wie ich getan habe.« (Gen 8,21) Gott selbst will die Vernichtung des Lebens nicht mehr wiederholen. Selbst angesichts der Bosheit der Menschen, will er auf diese Möglichkeit nicht mehr zurück greifen.
Gott, der Gerechte, ist transformiert zu Gott, dem Liebenden. Er verpflichtet sich selbst durch den Bund mit Noah, seinem Impuls der Auslöschung von Leben zu widerstehen und den Lebensraum in seinen rhythmischen Ordnungen bestehen zu lassen.
Noah