Identität und Profil kirchlicher Einrichtungen im Licht europäischer Rechtsprechung. Группа авторов

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Lebensführung; Kirchenaustritt) geringere Sanktionierungsmöglichkeiten geben. Das wird für die karitativen und diakonischen Einrichtungen nicht immer einfach zu bewältigen sein.89 Aber auch nach dem Ansatz des Bundesverfassungsgerichts findet letztlich auf der zweiten Prüfungsstufe eine gerichtliche Kontrolle und Bewertung der von den Religionsgemeinschaften in Ausübung ihres Selbstbestimmungsrechts beanspruchten Rechtspositionen statt. Deshalb handelt es sich bei den Vorgaben des EuGH aufs Ganze gesehen eben doch nur um eine (keine Frage: wichtige) Veränderung der Akzente, aber nicht um die behauptete „tektonische Verschiebung“ im Religionsverfassungsrecht,90 die man als Eingriff in die Verfassungsidentität des Grundgesetzes deuten könnte.91

      1 BAG NZA 2019, 455; siehe zuvor EuGH Rs. C-414/16 (Egenberger), ECLI:EU:C.2018:257.

      2 BAG NZA 2019, 901 ff.; siehe zuvor EuGH Rs. C-68/17 (IR/JQ), ECLI:EU:C:2018:696; BVerfGE 137, 273; BAGE 139, 144.

      3 https://praesident.diakonie.de/2019/03/22/diakonie-braucht-rechtssicherheit/#more-1925.

      4 Knapp zur Entwicklung statt anderer M. Ruffert/C. Walter, Institutionalisiertes Völkerrecht, 2. Aufl. München 2015, Rn. 550 ff.; ausführlich C. Grabenwarter/K. Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention, 6. Aufl. München-Basel-Wien 2016, 41 ff.

      5 H.M. Heinig, Religiöse Pluralität und religionsrechtliche Diversität als Topoi in der Rechtsprechung des EGMR, in: ders., Die Verfassung der Religion, 2014, 388 ff. (390 ff.); siehe ausführlich zu den unterschiedlichen Traditionen A. von Ungern-Sternberg, Religionsfreibeit in Europa, Tübingen 2008, 89 ff. und 151 ff.; siehe auch L. Friedner, Transformation of Church Relations – The Scandinavian Experienec, in: C. Walter/A. von Ungern-Sternberg (eds.), Transformation of Church and State Relations in Great Britain and Germany, Baden-Baden 2013, 85 ff.

      6 EGMR (GK), Appl. Nr. 44774/98, Urt. v. 10.11.2005 (Leyla Sahin), Rn. 109 ff.; EGMR (GK), Appl. Nr. 30814/06, Urt. v. 18.3.2011 (Lautsi), Rn. 61 f. und 68 ff.; EGMR (GK), Appl. Nr. 2330/09, Urt. v. 9.7.2013 (Sindicatul „Păstorul cel Bun“), Rn. 138; EGMR (GK), Appl. Nr. 43835/11, Urt. v. 1.7.2014 (S.A.S), Rn 129: „In matters of general policy, on which opinions within a democratic society may reasonably differ widely, the role of the domestic policy-maker should be given special weight […]. This is the case, in particular, where questions concerning the relationship between State and religions are at stake […]. As regards Article 9 of the Convention, the State should thus, in principle, be afforded a wide margin of appreciation in deciding whether and to what extent a limitation of the right to manifest one’s religion or beliefs is “necessary”.“; vgl. dazu C. Walter/M. Vordermayer, Verfassungsidentität als Instrument richterlicher Selbstbeschränkung in transnationalen Integrationsprozessen. Vergleichende Überlegungen anhand der Rechtsprechung von EuGH und EGMR, JöR 63 (2015), 129 ff. (158 f.).

      7 EGMR (GK), Appl. Nr. 43835/11, Urt. v. 1.7.2014 (S.A.S).

      8 EGMR (GK), Appl. Nr. 30814/06, Urt. v. 18.3.2011 (Lautsi).

      9 EGMR, Appl. Nr. 1620/03, Urt. v. 23. 9. 2010 (Schüth), Rn. 69; siehe im Übrigen EGMR, Appl. Nr. 425/03, Urt. v. 23. 9. 2010 (Obst), Rn. 49; EGMR, Appl. Nr. 18136/02, Urt. v. 3. 2. 2011 (Siebenhaar), Rn. 45.

      10 EGMR (GK), Appl. Nr. 56030/07, Urt. v. 12.6.2014 (Fernández Martínez).

      11 So die kritische Bewertung bei J. Martínez-Torrón, Fernández Martínez v. Spain – An Unclear Intersection of Rights, in: St. Smet/E. Brems (eds.), When Human Rights Clash at the European Court of Human Rights, Oxford 2017, 192 ff. (215 f.); vgl. zum Sachverhalt die knappe Zusammenfassung bei E. Hartmeyer, Zum Verhältnis von Berufsfreiheit und Religionsfreiheit – Roma locuta, causa finita?, EuZA 2016, 97 ff. (98 ff.).

      12 EGMR (GK), Appl. Nr. 56030/07, Urt. v. 12.6.2014 (Fernández Martínez), Rn. 132 (Hervorhebung vom Verfasser).

      13 C.Walter, Religions- und Gewissensfreiheit, Rn. 11, in: O. Dörr/R. Grote/Th. Marauhn (Hrsg.), EMRK/GG-Konkordanzkommentar, Bd. I, 2. Aufl. Tübingen 2013, 957 ff.

      14 Siehe dazu die ganz überwiegend positive Reaktion in der deutschen Lteratur C. Sperber, Arbeitnehmer von Religionsgemeinschaften und ihr Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, EuZA 2011, 407 ff.; U. Hammer, Europäische Wende im kirchlichen Arbeitsrecht?, AuR 2011, 278 ff.; M. Plum, Kirchliche Loyalitätsobliegenheiten im Lichte der Rechtsprechung des EGMR, NZA 2011, 1194 ff.; J. Joussen, Die Folgen des Mormonen- und des Kirchenmusikerfalls für das kirchliche Arbeitsrecht in Deutschland, RdA 2011, 173 ff.; C. Grabenwarter/K. Pabel, Das kirchliche Arbeitsrecht vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, KuR 2011, 55 ff.; H. Reichold, Das deutsche Arbeitsrecht der Kirchen im Fokus des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, EuZA 2011, 320 ff.; C. Walter, Kirchliches Arbeitsrecht vor den europäischen Gerichten, ZevKR 57 (2012), 233 ff. (238 ff.).

      15 Siehe zu dazu auch Hartmeyer (Fn. 11), 105 f.

      16 BVerfGE 70, 138.

      17 Siehe statt vieler anderer C. Waldhoff, Die Zukunft des Staatskirchenrechts, in: Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche 42 (2008), 55 ff.; ders., Neue Religionskonflikte und staatliche Neutralität – Erfordern weltanschauliche und religiöse Entwicklungen Antworten des Staates?, Gutachten D zum 68. Deutschen Juristentag, München 2010; H.M. Heinig, Ordnung der Freiheit – das Staatskirchenrecht vor neuen Herausforderungen, ZevKR 53 (2008), 235 ff.; ders., „Säkularismus“ und „Laizismus“ als Anfragen an das säkulare Religionsrecht in Deutschland, in: L. Häberle/J. Hattler (Hrsg.), Islam – Säkularismus – Religionsrecht, Heidelberg u.a. 2012, 79 ff.

      18 BVerfGE 108, 282 (310).

      19 BVerfGE 138, 296 (339, Rn. 110).

      20 BVerfGE 24, 236.

      21 BVerfGE 137, 273 (309, Rn. 100); Hervorhebung vom Verfasser.

      22 BVerfGE 137, 273 (308, Rn. 96); Hervorhebung vom Verfasser.

      23 Vgl. C.D. Classen, Anmerkung, JZ 2015, 199 ff. (199).

      24 Umfassend dazu P. Unruh, Religionsverfassungsrecht, 4. Aufl. Baden-Baden 2018, Rn. 149 ff.; nach wie vor zentral: M. Morlok, Selbstverständnis als Rechtskriterium, Tübingen 1993, 393 ff. und 431 ff.

      25 E.-W. Böckenförde, Der säkularisierte Staat. Sein Charakter, seine Rechtfertigung und seine Probleme im 21. Jahrhundert, München 2007; H. Dreier, Staat ohne Gott, München 2018, 9 ff.

      26 D. Grimm, Multikulturalität und Grundrechte, in: R. Wahl/J. Wieland (Hrsg.), Das Recht des Menschen in der Welt, Berlin 2002, 135 ff. (141).

      27 „Die tätige Nächstenliebe ist als solche eines der Wesensmerkmale der Kirche […]. Sie geht von der Zuwendung gegenüber Kranken und Benachteiligten ohne Rücksicht auf Konfession, Bedürftigkeit oder sozialen Status aus. Christliche Organisationen und Einrichtungen versehen die Aufgabe der Krankenpflege daher im Sinne einer an christlichen Grundsätzen ausgerichteten umfassenden medizinischen, pastoralen und seelsorgerlichen Behandlung und verwirklichen damit Sendung und Auftrag ihrer Kirche im Geist ihrer Religiosität und im Einklang mit dem Bekenntnis.“ (BVerfGE 137, 273 (310, Rn. 102); Wiedergabe ohne Nachweise).

      28 „Die christlichen Kirchen kennen viele Formen christlichen Dienens: Öffentlich-rechtliche Dienst- und Treueverhältnisse, Zugehörigkeit zu besonderen geistlichen Gemeinschaften wie Orden und Diakonissengemeinschaften oder eben auch nach staatlichem Recht - privatautonom - begründete Arbeitsverhältnisse. Spezifisches Kennzeichen für all diese Formen ist es, dem biblischen Auftrag zur Verkündigung und zur tätigen Nächstenliebe nachzukommen. Der Dienst in der christlichen Gemeinde ist Auftrag und Sendung der Kirche und umfasst idealiter den Menschen in all seinen Bezügen in Familie,


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