Mehrsprachigkeit in der Schule. Группа авторов

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rel="nofollow" href="https://www.zotero.org/google-docs/?1h9qzA">(2012) zeigen, dass in bilingualen Sprecher/innen beide Sprachsysteme aktiv sind, auch wenn nur eine Sprache aktiv verwendet wird – ein Phänomen, das Cook (1991) als multicompetence („knowledge of two languages in one mind“) bezeichnet. Aktuelle Ansätze der Mehrsprachigkeitsdidaktik wie der Translanguaging-Ansatz oder die Interkomprehensionsdidaktik beruhen auf einem komplexen und dynamischen Kompetenzbegriff, der das gesamte sprachliche und nichtsprachliche Repertoire der Sprecher/innen umfasst und in dem die Sprachsysteme nicht voneinander getrennt sind, sondern zusammenwirken. In der Interaktion schöpfen Sprecher/innen das gesamte ihnen zur Verfügung stehende (sprachliche) Repertoire aus.

      Während die Unterschiede in der Sprachkompetenz in der L2 von mehrsprachigen Sprecher/inne/n gegenüber einsprachigen Sprecher/inne/n bereits recht gut untersucht sind (cf. Cenoz, Hufeisen & Jessner 2001; Gass & Selinker 1994), rückten erst in den letzten Jahren die Einflüsse der L2 bzw. der L3 auf die Erstsprachen mehrsprachiger Sprecher/innen ins Blickfeld. Auch hier zeigen sich Unterschiede auf den verschiedenen Ebenen des Sprachsystems: bei der Geschwindigkeit der Worterkennung, der Phonologie, der Semantik und der Syntax (für einen Überblick vgl. Brown 2013). Unterschiede sind auch im Interaktionsverhalten mehrsprachiger Sprecher/innen festzustellen: Bilinguale bzw. mehrsprachige Sprecher/innen passen das Gesprächsverhalten, insbesondere die eingesetzten Interaktionsstrategien, an die jeweiligen Gesprächspartner/innen an (vgl. z. B. Gumperz 1982; Giles 1984; Grosjean 2008, 2010; Valdés 2005). Hier ignoriert die Testpraxis das Konzept einer mehrsprachigen Kompetenz, wie sie von Cook (1991) oder von Coste et al. (1997; 2009) beschrieben wurde: Diese in mehrsprachigen Interaktionen unter Umständen erfolgreicheren Strategien mehrsprachiger Sprecher/innen werden in monolingualen Testverfahren als fehlerhaft bewertet. Testverfahren haben aber traditionellerweise eine enge Beziehung zum Kompetenzbegriff und sollten auch auf aktuellen Sprachtheorien beruhen. Verfahren, die diese Sprachtheorien und Kompetenzmodelle nicht widerspiegeln, seien daher nach Shohamy (2011, 420) auch hinsichtlich ihrer Validität problematisch. Jedenfalls bilden sie die Realität einer plurilingualen Gesellschaft nicht entsprechend ab. Insbesondere was die Interaktion betrifft, müssen gängige Testverfahren überdacht bzw. eigene Testformate konstruiert werden, die dem dynamischen Charakter der mehrsprachigen Interaktion gerecht werden (cf. Canagarajah 2010, 238sq.; Shohamy & Menken 2015, 264sq.).

      Wie kann nun aber eine mehrsprachige Kompetenz und im Speziellen die Interkomprehensionskompetenz angemessen evaluiert werden? Im Folgenden sollen einige Ansätze bzw. Empfehlungen dargestellt werden.

      b. Ansätze zur Evaluation der mehrsprachigen Kompetenz

      Unter den Ansätzen für die Evaluation der mehrsprachigen Kompetenz können additive und integrative Verfahren unterschieden werden. Additive Verfahren, wie sie bereits von Coste et al. (2009, 64) vorgeschlagen wurden, setzen auf die Evaluation der Teilkompetenzen. Auf diese Weise könnten sowohl die verschiedenen Dimensionen der plurilingualen und plurikulturellen Kompetenz als auch die partiellen Kompetenzen (z. B. die rezeptive Kompetenz für die rezeptive Interkomprehension) berücksichtigt werden. Die praktische Umsetzung dieses Ansatzes beschreibt Reissner (2015) für EuroComRom (vgl. dazu auch das Kapitel „Beispiele“).

      In ihrer Studie „Assessment in plurilingual and intercultural education. Guide for the development and implementation of curricula for plurilingual and intercultural education“ für den Europarat beschreiben Lenz und Berthele (2010) derartige mehrdimensionale Verfahren der Evaluation verschiedener didaktischer Konzepte zur Entwicklung einer mehrsprachigen Kompetenz, darunter auch für die schriftliche rezeptive Interkomprehension sowie für den „polyglotten Dialog“.

      Im Hinblick auf die rezeptive (schriftliche) Interkomprehension schlagen Lenz und Berthele vor, den Fokus auf die Evaluation metakognitiver und metalinguistischer Kompetenzen zu legen. Konkret werden die Strategie des Inferierens sowie der Aufbau einer Hypothesengrammatik (Annahmen über die grammatischen Regularitäten der Zielsprache) genannt (cf. Meißner 2006, 64). Evaluiert werden können die Fähigkeit, Regularitäten in der Zielsprache/den Zielsprachen zu entdecken und diese in Beziehung zu(r) bekannten Sprache(n) zu setzen, die Fähigkeit, Internationalismen bzw. Kognaten (genetisch verwandte Wörter) zu identifizieren, sowie die Fähigkeit, relevante Informationen in Texten von weniger relevanten zu unterscheiden. Als geeignetes Setting werden offene Tests zum Leseverstehen in nahen Sprachen genannt: Dabei kann das Leseverstehen mit Hilfe allgemeiner Methoden evaluiert werden. Für die Erhebung spezifischer Interkomprehensionsstrategien werden analytische Verfahren vorgeschlagen, in denen metasprachliche Strategien getestet werden können (Wörter mit demselben Stamm sortieren, Funktion der Wörter erklären o.Ä.).

      Auch für die mündliche interaktionale Interkomprehension finden sich bei Lenz & Berthele sehr konkrete Vorschläge, die unter dem Begriff polyglotter Dialog subsumiert werden. Die von Lenz & Berthele angeführte Definition für diese Form der Interaktion entspricht der von uns (cf. Ollivier & Strasser 2013, 44) vorgeschlagenen Definition der mündlichen interaktionalen Interkomprehension, weswegen die Vorschläge an dieser Stelle erläutert werden. Evaluationsverfahren sollten sich auf die spezifischen Bedingungen der mehrsprachigen Interaktion konzentrieren, d.h. auf das Hörverstehen in einer oder mehreren Sprachen in der mehrsprachigen Interaktion sowie auf die Interaktion an sich. Evaluiert werden kann daher, analog zur rezeptiven schriftlichen Interkomprehension, das Hörverstehen mit verschiedenen Hörintentionen (z. B. Globalverstehen und selektives Verstehen) und verschiedenen Registern (formell, informell). Spezifisch für die mehrsprachige Interaktion sind Anpassungen an die sprachlichen Fähigkeiten des Gesprächspartners/der Gesprächspartnerin. Es können daher Inter- bzw. Translanguaging-Strategien (Strategien des bewussten Wechsels in andere Sprachen, je nach Situation, Code-Switching, der Einsatz von Chunks aus anderen Sprachen, kreative translinguale Strategien etc.) evaluiert werden. Letzteres sei, so Lenz und Berthele, unabdingbar für die Evaluation des polyglotten Dialogs, stelle gleichzeitig aber die größere Herausforderung dar: Während der rezeptive Part der Interaktion mit traditionellen Testverfahren evaluiert werden könne, gebe es für die spezifischen Interaktionsstrategien (noch) keine validen Testverfahren. Vorstellbar wären retrospektive Verfahren, in denen fremdes oder eigenes Interaktionsverhalten kommentiert wird; aber auch ein Portfolio-Konzept.

      Auch Gorter und Cenoz (2017, 241ff.) weisen auf die spezifischen Bedingungen der mehrsprachigen Interaktion hin, die es in einem Evaluationsverfahren zu berücksichtigen gelte. Sie beschreiben drei mögliche Herangehensweisen, um die Kompetenzen mehrsprachiger Sprecher/innen angemessen zu evaluieren.1 Der als „Translanguaging approach in assessment“ beschriebene Ansatz ist ein integrativer Ansatz, der am konsequentesten dabei vorgeht, die mehrsprachige Kompetenz in ihrem dynamischen und komplexen Charakter zu berücksichtigen. Das beinhaltet Interaktionsstrategien, die spezifisch für die mehrsprachige Interaktion sind. Die Sprecher/innen können aus dem gesamten linguistischen Repertoire schöpfen, das ihnen zur Verfügung steht. Canagarajah (2010) schlägt für diesen Zweck ein mehrsprachiges interaktionales Setting mit mehrsprachigen Aufgaben (Tasks) vor, das auch die Beurteilung durch mehrsprachige Prüfer/innen umfasst:

      If we can think of a „general“


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