Die Essenz. Gerd Valentinelli
überhaupt, warum glaubst du denn diesen vier Wörtern „das ist sehr schwer“ mehr als den drei Wörtern „es ist leicht“? Es benötigt sogar ein Wort weniger. Warum glaubst du denn diesen vier Wörtern „das kann Jahre dauern“ mehr als nur dem einen Wort „jetzt“? Und hier ersparst du dir sogar drei Wörter. Warum glaubst du überhaupt irgendwelchen Wörtern, wozu diese unnötige Energievergeudung?
Weshalb nicht Sein, ohne Wörter dafür zu gebrauchen? Versuche es, jetzt!
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Berühre nicht das Ich
Du sagst „Ich“, und jetzt ist eines sehr wichtig: Berühre es nicht.
Papaji
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ie Berührung. Es ist dir möglich, mit deinen Händen ein Buch aus dem Regal zu holen, eine bestimmte Seite darin aufzuschlagen, um die Zeilen darin zu lesen.
Oder du schaltest deinen Computer ein und verlierst dich, vielleicht schneller als dir lieb ist, im endlosen Facebook- und YouTube-Dschungel.
Verspürst du Hunger und möchtest dir noch etwas zu essen kaufen, so kannst du in dein Auto einsteigen und damit zum nahegelegenen Bio-Supermarkt fahren. Hast du irgendwie das Gefühl, dass deine Körperform derzeit nicht dem vorgegebenen Schönheitsideal entspricht, so steigst du einfach auf dein Fahrrad und schnaufst mit Höchstgeschwindigkeit bei einem strahlendheißen Sonnentag durch eine wundervolle als auch ruhige Landschaft.
Sowohl das Buch, das Auto, das Fahrrad als auch den Computer kannst du mit deinen Händen berühren. Berührung bezieht sich also im Allgemeinen auf alles, was eine gewisse Festigkeit besitzt und mit deinen Händen fühl- oder fassbar ist.
Doch findet nicht auch Berührung statt, wenn du eine Wolke am Himmel beobachtest? Die vielen Menschen betrachtest, die sich durch die Einkaufsgassen der Stadt bewegen? Oder einen Hund dabei ertappst, wie er seine Markierung am Eingang einer interessanten Sehenswürdigkeit setzt? Ist Sehen nicht auch eine Berührung? Sind deine Augen sozusagen nicht auch Hände, die mit ihren Blicken wie Finger einer Hand sowohl Nahes wie auch weit Entferntes berühren können?
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Wenn du dich mit Freunden in einem gemütlichen Café triffst und ein wenig aus deinem Tagesgeschehen erzählst, so verwebt sich in deiner Erzählung das, was du mit deinen Augen wahrgenommen oder mit deinen Händen ertastet hast, zu einem einheitlichen Bild.
Doch weder können deine Freunde diese Ereignisse mit ihren eigenen Augen sehen noch mit ihren Händen fühlen. Eine Berührung findet über die Fantasie oder Vorstellung statt, die du ihnen mit deiner Beschreibung des Gesehenen oder Gefühlten vermittelt hast.
Mach es dir nun gemütlich. Entledige dich am besten deiner geistigen Winterbekleidung, denn für die weitere Reise wirst du sie nicht mehr brauchen; du wirst wahrscheinlich ganz schön ins Schwitzen kommen. Wir dringen nun gemeinsam durch wenig schattenspendende Vorurteile, verkrustete Meinungen und Überzeugungen hindurch, zu einem Ort, der bisher nur von äußerst wenigen Menschen entdeckt wurde: zu dir selbst.
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Von dieser allgemeingültig akzeptierten Auffassung, „was ich mit meinen Händen fassen kann, ist Berührung“, zum Berühren mit unseren Blicken setzen wir die Reise fort in meist noch wenig erforschte Gebiete unserer Wahrnehmungslandschaft. Du bist nicht immer während des ganzen Tages damit beschäftigt, feste äußere Gegenstände von einem Fleck zum anderen zu rücken, sondern manchmal oder auch öfter arbeitest du mit deinen inneren angesammelten Erinnerungsmaterialien.
Versuche Folgendes: Du wählst dir aus deinen Erinnerungen z.B. dein Fahrrad aus. Du bringst also dieses Bild deines Fahrrades in deinen geistigen Gesichtsbereich. In diesem Bereich warst du bisher meistens der Auffassung, dass es nicht möglich ist, ein solches Bild, in diesem Fall das deines Fahrrads, in der Hand zu halten und mit den Fingern zu berühren. Dies hängt mit deiner Gewohnheit zusammen, dass nur feste materielle Formen greifbar sind. Es steht außer Frage, dass du dieses Vorstellungsbild deines Fahrrads nicht mit deinen physischen Händen berühren kannst. Doch wie fühlt es sich an, dieses Bildfahrrad aus deiner geistigen Lagerhalle hervorzuholen? „Ich bringe mein Fahrrad vor mein geistiges Auge. Ich sehe es nun. Ich fühle, wie ich es in meine Hände nehme.“ Wie fühlt sich dieser Vorgang an?
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Aus deiner Erinnerung brachtest du nun eine Art Energieform in dein Bewusstseinsfeld, das du als dein Fahrrad bezeichnest. Du siehst es nicht nur, sondern du kannst es auch fühlen. Das ist ganz einfach, und wir tun dies sehr oft auch mit all den anderen in unserem Erinnerungsspeicher verfügbaren Dingen.
Eigenartigerweise befinden wir uns in einem andauernden gesellschaftlichen Wettkampfgerangel, und weil man sich vielleicht gerade wieder einmal auf der Überholspur wähnt, haben wir nicht mehr die Zeit, uns mit solchen scheinbaren Belanglosigkeiten aufzuhalten. Was aber zum großen Vorteil gereichen würde, um genau die feinen Nuancen in unserem Gedankengefühlssystem klarer wahrzunehmen.
Nun ist Zeit für eine Verschnaufpause, um diesen Vorgang etwas genauer unter der Wahrnehmungslupe zu betrachten.
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Offensichtlich hast du dein Fahrrad nicht mit deinen materiellen Händen aus den Inhalten deines geistigen Bewusstseinsfeldes hervorgeholt und berührt. Doch unbestreitbar ist, dass du eine Erinnerung hervorgebracht hast: also einen Denkvorgang in bezug auf dein Fahrrad in Gang gesetzt hast.
Dieser Denkvorgang war in gewisser Weise dein geistiger Arm, der aktiv wurde. Versuche es noch einmal, indem du dein Fahrrad gegen eine andere Sache austauschst. Fühle noch wacher, sensibler, subtiler in diesen Vorgang des Denkens hinein. Wie fühlt er sich an? Wie fühlst du dich bei diesem Denkvorgang?
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Gut. Fassen wir zusammen. Dieser geistige Denkvorgang ist der fühlbare Arm, mit dem du die Dinge aus deinem Speicher hervorholst und damit auch arbeitest.
Normalerweise ist dir dies alles gar nicht so bewusst. Zu sehr bist du mit diesem Denkvorgang, den Problemen und mit den damit verbundenen Problemlösungen, die er sucht, identifiziert. So entgeht dir oft dieser subtile Mechanismus, wie du dieses Denken in Gang setzt und deine Gedankenbilder hervorzauberst.
Um von diesem Hinweis Papajis, „das Ich nicht zu berühren“, nicht nur einen kurzen Lichtblick zu erhaschen, den du wahrscheinlich sogleich in den ohnehin schon überfüllten Speicher von Erfahrungsansammlungen wirfst, sehen wir nun gemeinsam in deinem inneren Geist-Maschinenraum nach, wo sich denn der Hauptschalter befindet. Gib dir jetzt nochmals im gedanklichen Bereich einen Impuls, einen Gegenstand hervorzuholen. Mit diesem Impuls startet nun der Denkvorgang: dein Arm greift in deine inneren Welten, um sich das Erinnerungsfoto eines Objektes aus einer anderen Räumlichkeit in deinem Erinnerungsspeicher hervorzuholen. Dieses Objekt siehst du jetzt gerade klar vor dir, während du diese Zeilen liest. Du siehst diesen Gegenstand vor dir, selbst mit deinen offenen physischen Augen. Gleichzeitig hast du auch noch die Wahrnehmung der anderen Dinge, die sich im näheren Umfeld deiner physischen Umgebung befinden.
Du nimmst also das Objekt deiner Wahl im geistigen Bereich wahr sowie auch all die materiellen Formen, die sich in deiner Umgebung befinden.
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Ein Leichtes wäre es, einzelne Gegenstände in deiner physischen Umgebung mit deiner Hand zu ergreifen und sie umzustellen. Was geschieht aber mit diesem Objekt in deiner Vorstellung? In diese Vorstellung mit deinem Körper einzutreten, um diesen Gegenstand hervorzuholen, ist scheinbar nicht möglich. Bist du dir dessen sicher?
Musstest du nicht auch diesen gedanklichen Gegenstand irgendwie hervorholen? Dies erforderte doch auch eine Berührung. Wenn auch nicht mit diesen Händen, mit welchen du ansonsten Gegenstände anfasst.
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Ohne eine Berührung der geistigen Denkinhalte wäre es nicht möglich, diese Inhalte in Sichtweite deiner Wahrnehmung zu bringen. Dass selbst dies einer Berührung bedarf, um sie hervorzubringen, ist nunmehr kaum bestreitbar. Es braucht also auch einen geistigen Körper. Gibt es denn