Rechtliche Rahmenbedingungen für Geschäftstätigkeiten in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Jörg Seifert
die Besonderheiten der einzelnen Emirate aufzuzeigen.
1.2 Wirtschaftliche Entwicklung
Enorme Umwälzungen haben seit Beginn der Erdölförderung in den 1960er Jahren die Wirtschaftsstruktur der VAE verändert. Basierte die emiratische Wirtschaft davor zumeist traditionell auf Fischerei und Perlenhandel sowie dem Karawanenhandeln, durchliefen die Emirate – basierend auf den Öleinnahmen – einen fundamentalen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel, wurden zu einem der wichtigsten Wirtschaftsstandorte der Welt und gelten als attraktiver Arbeits- und Geschäftsmarkt für ausländische Arbeitskräfte und Investoren.
Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) erreichte 2012 nominal US$ 383,8 Mrd. Unter Beachtung der Volkszählungsergebnisse aus demselben Jahr beträgt das BIP pro Kopf damit US$ 44.889. Nach Einschätzung der Zentralbank lag die Zahl der Einwohner der VAE 2006 bei rund 4,9 Mio., wobei sie sich 2012 auf 9,2 Mio. belief. Damit stieg die Bevölkerung innerhalb von nur sechs Jahren mit 87,8 % rasant an. Im Vergleich dazu waren es 1950 nur 0,1 Mio.
Die VAE, die über die viertgrößten Rohölreserven der Welt verfügen, zählen im internationalen Vergleich zu den interessantesten und attraktivsten Investitionsstandorten. Zu den grundlegenden Tatsachen zählt, dass der föderativ organisierte Staat seinen sieben Emiraten bei der Gestaltung ihrer jeweiligen Wirtschaften große Spielräume gestattet. Dabei achten die Emirate jedoch darauf, dass ein gewisser Grundkonsens in den Bereichen Wirtschafts- und Investitionsrecht beibehalten wird.
Alle Emirate und ihre dortigen Regenten-Häuser verfolgen seit ihrer Unabhängigkeit 1971 ökonomisch ehrgeizige Entwicklungsziele. Mit der vorhandenen kleinen lokalen Bevölkerung ließ sich dies nicht bewerkstelligen. Daher wurden die Tore für den Zuzug ausländischer Arbeitskräfte und Geschäftsleute sehr weit geöffnet. Dies führte zu der weltweit einmaligen Situation, dass sich die nationale, lokale Bevölkerung gegenüber den zugewanderten Ausländern in einer Minderheitsposition befindet. Offizielle Daten darüber sind nicht verfügbar. Man spricht jedoch allgemein von einem Ausländeranteil an der Gesamtbevölkerung von rund 85 %. In Dubai liegt dieser Anteil bei etwa 90 %.
Der Industriesektor erbrachte 2012 geschätzte 60,5 % der Wirtschaftsleistung der VAE, wobei Erdöl und Erdgas den größten Anteil ausmachten. Auch der Dienstleistungssektor hat sich mit 38,8 % des BIP mittlerweile zu einer wesentlichen Säule der emiratischen Wirtschaft entwickelt.
Das Krisenjahr 2009 ging einher mit fallenden Ölpreisen und führte zu einem 20-prozentigen Rückgang der Exporte. Nach dem Krisenjahr 2009 erholte sich die Wirtschaft wieder, sodass die Wachstumsrate im Jahr 2012 4,4 % betrug, was auch der Prognose von 2014 entspricht.
Die Wirtschaft der VAE bleibt in erheblichem Umfang abhängig von Einnahmen aus der Erdöl- und Erdgas-Produktion. Abu Dhabi ist mit weitem Abstand zu allen anderen Emiraten der größte Öl- und Gasproduzent. Bei der Erwirtschaftung des BIP der VAE ist Abu Dhabi das wichtigste Emirat, gefolgt von Dubai an zweiter Stelle. Die kleineren Emirate spielen jeweils nur eine untergeordnete Rolle.
Wie in den anderen Staaten des Golfkooperationsrates (Gulf Cooperation Council, GCC: VAE, Bahrain, Saudi-Arabien, Kuwait, Oman und Katar) spielt auch in den VAE der öffentliche Sektor eine bedeutende Rolle in der Wirtschaft. Die Erdölbranche, die Großindustrie, wichtige Infrastruktur- und Verkehrseinrichtungen sowie mehrere Projektentwicklungsgesellschaften befinden sich in staatlicher Hand beziehungsweise unter Kontrolle der Regenten-Häuser der einzelnen Emirate. Alle Emirate fördern die industrielle Entwicklung. Sie sehen darin die effizienteste Möglichkeit, ihre wirtschaftlichen Tätigkeiten zu diversifizieren. Erst mit großem Abstand dazu erfolgt der Aufbau touristischer Strukturen. Die Ausnahme bildet dabei Dubai, wo sich rund 90 % aller touristischen Entwicklungsaktivitäten der VAE konzentrieren. Im letzten Jahrzehnt haben sich die VAE als einer der unternehmerfreundlichsten Standorte in der Region etabliert und liegen, im Index of Economic Freedom 2013 der Heritage Foundation, auf Platz 28 und damit nur einen Platz hinter Katar. Eingestuft auf Rang 12, rangiert Bahrain im Vergleich dazu auf einem hervorragenden Platz, wenngleich die politischen Konflikte das Investitionsklima in Bahrain getrübt haben dürften. Die weiteren Staaten des GCC rangieren auf Platz 45 (Oman), Platz 66 (Kuwait) und Platz 82 (Saudi-Arabien), Deutschland liegt auf Platz 19. Im Doing Business Report von 2014 der Weltbank erreichen die VAE einen respektablen 23. Rang und haben sich im Vergleich zum letztjährigen Bericht um drei Plätze verbessert. In der Kategorie „Steuerbefreiung“ liegen sie gar im Gesamtranking auf Platz 1.
1.3 Wirtschaftswachstum
Das Land investiert hauptsächlich in die Etablierung einer optimalen verkehrs- und versorgungstechnischen Infrastruktur, bei welcher der Bau von Straßen, See- und Flughäfen, Kraftwerken und Meerwasserentsalzungsanlagen im Vordergrund steht.
Ein weiteres staatliches Investitionsinteresse richtet sich auf den Aufbau diversifizierter Wirtschaftsstrukturen, bei denen v.a. das Emirat Dubai weltweit sichtbare Erfolge aufweisen kann. Aufgrund einer anhaltend sinkenden Erdölproduktion sah sich Dubai seit Anfang der 1990er Jahre veranlasst, gegenüber dem In- und Ausland eine expansive und angebotsorientierte Investitionspolitik einzuleiten. Dies geschah in den 1980er Jahren mit dem Bau des Hafens bei Jebel Ali und der sich daran anschließenden Freihandelszone mit dem gleichen Namen.
Ein sich bis 2009 auf Rekordkurs befindliches Wirtschaftswachstum deutete auf eine zunehmende Entkoppelung der Volkswirtschaften der VAE und des Golfs von den „entwickelten“, aber rezessionsgefährdeten Märkten der USA und Europas. Doch die Volkswirtschaften am Golf hatten zunehmend mit der sich beschleunigenden Preissteigerung zu kämpfen. Nach 9 % im Jahr 2006 belief sich die Inflation 2007 und 2008 auf 10-14 %. Preistreiber waren einerseits Mieten, Baumaterialien, Nahrungsmittel sowie Löhne (vor allem für qualifiziertes Personal), also alle in einer Hochkonjunktur knappen Produktionsfaktoren. Nach dem Krisenjahr im Jahr 2009 gelang es den VAE sich von der hohen Inflation zu erholen. 2012 betrug sie laut Schätzungen 0,7 % und im Jahr 2013 1,5 %.
Die Wirtschafts- und Finanzkrise – zusammen mit dem Platzen der Immobilienblase im Jahr 2009 – traf die VAE unvorbereitet. Insbesondere Dubai stand kurz vor der Pleite. Doch die wieder steigenden Ölpreise sowie gewaltige Investitionen in Infrastruktur, Industrie und Tourismus, ein positives Konsumklima sowie zuletzt geringer eingestufte geopolitische Risiken halfen den VAE aus der Rezession.
1.4 Wirtschaftliche Beziehungen zu Deutschland
Geprägt sind die Beziehungen zwischen Deutschland und den VAE durch eine strategische Partnerschaft, die noch unter der Regierung des ehemaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder (1998-2005) geschlossen wurde. Beide Länder streben auf vielen Gebieten – Politik, Gesundheit, Bildung – eine enge Kooperation an. Einen wesentlichen Beitrag dazu leisten die gegenseitigen Besuche hochrangiger Politiker. Für Deutschland sind die VAE mit Abstand der wichtigste Handelspartner in der arabischen Welt. Die Handelsbeziehungen sind durch die Exporte geprägt, doch seit Jahrzehnten durch ein extremes Ungleichgewicht gekennzeichnet: Deutschland bezieht kein Rohöl aus den VAE, so dass die Lieferungen der VAE nach Deutschland insgesamt gering ausfallen. Sie bestehen aus einigen industriellen Halbwaren, wie z.B. Aluminium oder Aluminiumlegierungen und textilen Enderzeugnissen, die aus nationalen Produktionen stammen. Der überwiegende Teil setzt sich aber aus reexportierten Produkten verschiedenster Art zusammen.
Im Jahr 2011 exportierten die VAE Waren im Wert von rund 1,03 Mrd. Euro nach Deutschland. Im Jahre 2012 sank dieser Wert – auch in Folge des „Arabischen Frühlings“ – auf rund 778,2 Mio. Euro. Die deutschen Exporte in die VAE erreichten 2012 rund 9,8 Mrd. Euro, wobei sie im Jahr 2002 noch bei lediglich etwa 3,07 Mrd. Euro lagen und sich innerhalb eines Jahrzehnts somit mehr als verdreifachten. Der Schwerpunkt der deutschen Lieferungen liegt deutlich im Bereich der Investitionsgüter, wobei elektrotechnische Ausstattungen, Maschinen, Pkws, Nutzfahrzeuge, Kfz-Teile und vollständige Fabrikationsanlagen eine herausragende Rolle spielen. Eine Folge des schwachen Dollars und damit auch schwachen Dirhams jedoch zeigte sich in dem 2007 rückläufigen Exportwachstum. Doch dies scheint sich soweit wieder erholt zu haben: im Jahr 2012 wurde ein 30-prozentiges