Das große Buch vom Kleinvieh. Wolf-Dietmar Unterweger
Schafe und Rinder vorwiegend den Aufwuchs verwerteten, nutzten Schweine zusätzlich tiefer liegende Energiequellen, wie Wurzeln oder bodenlebende Insektenlarven.
Ziegen und Schafe ergänzen sich bei der Beweidung. Schafe bevorzugen Gräser und Kräuter. Ziegen reduzieren die Verbuschung.
Dem Zeitgeist des übertriebenen Ordnungssinns und der wirtschaftlichen Optimierung erlegen, traut sich die Mehrheit der Menschen immer noch nicht, ihren Rasen in eine artenreiche Wiese zu verwandeln. Solch blühende Wiesen, wie die Bilder zeigen, könnten auch in Ihrem Garten und auf Ihrem Grünland blühen. Wenn Sie zudem Teile der Wiese ungemäht über den Winter stehen lassen, dann können große Mengen von Insektenarten unterschiedlicher Entwicklungsstadien überwintern und das biologische Gleichgewicht und die ökologischen Funktionen im Frühjahr aufrecht erhalten.
Die Weiden
Oft wird der Begriff Weide recht statisch gesehen. Das mag zum einen an den rechtlichen Regelungen der Förderungspolitik liegen oder an dem durch den gestiegenen Wohlstand veränderten Anspruch an Fläche. Beides ist für die Beweidung von großem Nachteil. Fassen wir nämlich zusammen, was die eigentlichen Weiden für Kleinvieh sind, so ergibt sich plötzlich ein Bild einer Landschaft, in dem viele Probleme neu geordnet werden müssen oder gar nicht erst entstehen.
Weiden sind Grünland, welches beweidet wird und somit anderen Anforderungen entspricht als Wiesen, welche gemäht werden. Wege, Grabenränder, Ufer, Triften, Böschungen, Säume, Geflügelausläufe, Obstgärten, Waldschneisen, „Unland“, abgeerntete Stoppel- und Hackfruchtfelder sind Weiden. Zählt man diese Flächen zusammen, so ergeben sich in den Städten und Gemeinden riesige Flächen, die nicht in Konkurrenz zum Ackerland oder zu Wiesen stehen. Es muss in unserer Landschaft wieder selbstverständlich werden, dass man diese Bereiche beweidet. Ein wichtiger Gedanke für eine Beweidung der gesamten Landschaft ist das Einführen bzw. Wiedereinführen von „Weidedienstleistern“ oder Gemeindehirten.
Setzt man diese Definition und diesen Umfang des zu beweidenden Landes in den Kontext mit den allgegenwärtigen Begriffen des Bienen- und Insektensterbens und des Verlusts der biologischen Vielfalt, so ergibt sich in der Beweidung ein interessantes Lösungsmodell. Derzeit wird die Pflege dieser Randstrukturen aus Kosten- und Effizienzgründen meist durch ein flächendeckendes Mulchen gelöst. Mulchen von Grünland wiederum schadet der Blütenvielfalt und den Insekten erheblich, eine Lösung ist die Beweidung. Es ist daher unsere gesellschaftliche Pflicht, dass wir die Beweidung wieder neu denken und gerade diese kleinen unscheinbaren Flächen wieder besser nutzen. Sei es beim Viehtrieb, durch die Triebbeweidung oder durch ein gezieltes Einhagen. In jedem Fall muss dieses Neudenken sowohl von den Tierhaltern als auch von den Ordnungsbehörden und den Anwohnern neu geregelt werden, wenn wir langfristig und effizient Landschaftspflege betreiben möchten.
Ein Esel frisst auf einer schwer zu bewirtschaftenden Weide. Kleinviehhalter sind in der Lage, fast alle Landschaftstypen nachhaltig und wertvoll zu pflegen. Sie sind Dienstleister und wertvolle Mitglieder unserer Gesellschaft. Von der düngenden Nachbeweidung eines Stoppelfeldes oder Beets bis zum Steilhang: Kleinviehhalter werten alles auf.
Kreislaufwirtschaft und Upcycling. Die Beweidung des Gründüngers nach dem Abernten des Getreides stimuliert den Wuchs der Leguminosen und regt die Stickstoffbindung im Boden an. Die Kühe und die munter schnatternden Gänse veredeln dieses Pflanzenmaterial in delikater Weise. Eine Win-Win-Situation, die einen ganzheitlichen Bauernhof mit geringer Spezialisierung fordert.
Beweidung fördert die biologische Vielfalt und trägt aktiv zum Klimaschutz bei. Voraussetzung für die Erfüllung dieser Funktionen ist die extensive Beweidung ohne Zufütterung. Durch den angepassten Besatz und die Verwertung von Nährstoffen durch die Tiere werden die Weiden artenreich und vital. Die Stickstoffzufuhr durch den Niederschlag ist derzeit hoch genug, damit die Flächen wüchsig bleiben. Zur Pflege einer extensiven Weidelandschaft gehört dazu, dass die Flächen nicht befahren, nachgemäht oder egalisiert werden. Dadurch entsteht eine dreidimensionale Vielfalt, die durch Hochstauden, Sträucher und Bäume, aber auch durch langjährige Ameisenhaufen einen erheblichen Wert für die Artenvielfalt und die ökologische Funktion hat.
Die Tiere pflegen die Weiden, indem sie Dünger und Samen verteilen. Sie sparen Energie und sorgen für gesunde, regionale Lebensmittel. Aber natürliche Tierhaltung erfordert Wissen, Können und Liebe. Die Regionalität, die Rassen, das Individuum und auch die Natürlichkeit des Umfelds stiften den Unterschied zum eintönigen Massenauftreten auf der Weide.
Haustiere sind domestizierte Wildtiere. Durch diese artenreiche Kleingruppenhaltung auf der Weide wird dem Insektensterben entgegengewirkt. Denn das Insektensterben ist real. Es geht nicht nur um das Hundekottütchen und den Flüssigmist des Massentierhalters; wir sind längst eine Stufe weiter. Das Bienensterben ist in aller Munde – das Sterben und Fehlen der Zersetzer, der Destruenten, merkt kaum jemand. Der flüssige Mist der Massentierhaltung versickert unzersetzt und gelangt dadurch zu schnell ins Grundwasser. Und zugleich zeigt er, dass die Bauernhoftiere nicht auf Stroh liegen dürfen. Anders bei den Kleinviehhaltern.
Unterstand auf der Weide
Zum Schutz vor den unterschiedlichen Witterungen empfiehlt es sich, einen einfachen Unterstand auf der Wiese zu installieren. Dies lohnt sich freilich nur auf langfristigen Dauerweiden. Je nach Bauart kann dieser Unterschied verschiedene Funktionen erfüllen. Grundlegend ist jedoch die Einfachheit der Bauart.
Ein einfacher Unterstand aus Rundhölzern. Herunterhängende und büschelweise angebrachte Reisigbesen erlauben es den Tieren, sich von Fliegen und anderen Lästlingen zu befreien. Diese Einrichtung hat gegenüber Kunststoffbesen den Vorteil, dass kein Mikroplastik ins Erdreich und somit in unseren Nahrungskreislauf gelangt.
Unterstand für Weidetiere. Durch die Schräge kann das Dach für Ziegen als Kletterfläche benutzt werden.
Durch das Einbauen einer erdnahen Dachschräge kann der Unterstand als Klettergerüst für Ziegen benutzt werden. Optimal ist die Verwendung eines Gründachs. Dadurch wird die Dachhaut geschont und Weidefläche bleibt trotz Bebauung erhalten. Die Statik muss bei einer Schichtdicke von 30 cm mindestens 300 kg pro Quadratmeter aushalten.
INFO! Weideregeln
Wege, Grabenränder, Ufer, Triften, Böschungen, Säume, Geflügelausläufe, Obstgärten, Waldschneisen, „Unland“, abgeerntete Stoppel- und Hackfruchtfelder sind Weiden.