Unternehmensbewertung case by case. Michael Hommel

Unternehmensbewertung case by case - Michael Hommel


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       2. Anwendung auf den Fall: Ermittlung der Grenzpreise von Tippe und Neumeier

       a) Ermittlung des Grenzpreises von Tippe

      Steuerberater Tippe rechnet zukünftig (wie bisher) mit Bruttoeinzahlungen i.H.v. 368 000 Euro und Bruttoauszahlungen i.H.v. 343 000 Euro.

      Die Bewertung dieses Nettocashflow erfolgt unter Anwendung des Ertragswertverfahrens gemäß Formel (8). Da seine beste alternative Mittelanlage in der Investition des Verkaufserlöses bei seiner Hausbank zu 5 % Zinsen besteht, ergibt sich für Tippe ein Verkäufergrenzpreis von 500 000 Euro:

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      Der Verkäufergrenzpreis stellt sich als Minimumpreis dar, denn Tippe muss für den Verkauf des Unternehmens mindestens 500 000 Euro verlangen, um danach nicht schlechter zu stehen als zuvor. Erhält Tippe exakt diesen Betrag, so erzielt er nach dem Verkauf die gleichen Zahlungsströme wie zuvor, wie nachfolgende Überlegung zeigt: Vor dem Verkauf erwirtschaftete er mit seinem Unternehmen 25 000 Euro jährlich. Dieser Betrag stand ihm für Konsumzwecke zur Verfügung. Verkauft er das Unternehmen für 500 000 Euro, so fehlen ihm diese Konsummöglichkeiten. Dafür kann er aber den Kaufpreis (= 500 000 Euro) zu 5 % bei seiner Hausbank anlegen. Er erzielt daraus 25 000 Euro (= 5 % · 500 000 Euro), also exakt den Betrag, den er durch den Verkauf des Unternehmens aufgegeben hat.

       b) Ermittlung des Grenzpreises von Neumeier

      Der potenzielle Käufer, Carlo Neumeier, berechnet den Unternehmenswert nach den gleichen mathematischen Grundsätzen wie Tippe. Allerdings muss er sich über die Bewertungsparameter eigenständige Vorstellungen machen und die Daten des Verkäufers durch seine subjektiven, d.h. individuellen, Planungen und Möglichkeiten ersetzen.

      Aufgrund der individuellen Planungen und Erwartungen von Neumeier sind die Mehrerlöse aus der Entlohnung durch die Sportvereine i.H.v. 5 000 Euro einzubeziehen (1) und zum anderen die Mehrerlöse i.H.v. 30 000 Euro einzupreisen, die er zukünftig aus der Neuausrichtung des Unternehmens erwartet (2). Hinsichtlich der jährlichen Ausgaben wird er berücksichtigen, dass er aufgrund seiner spezifischen Situation mit Minderausgaben in Höhe der ersparten Miete von 10 000 Euro rechnen kann (3). Unter Einbeziehung dieser drei Besonderheiten ergibt sich für Neumeier ein Nettocashflow von 70 000 Euro:

      Tabelle 6: Plan-Cashflow-Rechnung der Kanzlei „Tippe“

Plan-Cashflow-Rechnung (in €)
Anm.IstPlan
Honorareinzahlungen360 000360 000
Honorare Vereine105 000
Strategiemehrzahlungen2030 000
Miete Neudorf8 0008 000
Summe Einzahlungen368 000403 000
Löhne224 000224 000
Büromieten342 00032 000
Fachliteratur15 00015 000
Telefon, Porto4 0004 000
Grundstücksauszahlungen Neudorf3 0003 000
Ersatzinvestitionen in das AV10 00010 000
Sonstige laufende Auszahlungen39 00039 000
Zinsauszahlungen6 0006 000
Summe Auszahlungen343 000333 000
Nettocashflow25 00070 000

      Hinsichtlich der besten alternativen Mittelanlage ist es für Neumeier völlig irrelevant, dass Tippe eine Sparrendite von 5 % erzielen kann und dass sich bei einer risikoreicheren Anlagestrategie sogar 8,5 % erwirtschaften lassen, denn Neumeier hat kein Erspartes. Er muss den Kaufpreis durch ein Darlehen refinanzieren und im Falle des Erwerbs zukünftig an seine Hausbank 10 % Schuldzinsen zahlen. Dies ist der für ihn relevante Alternativzinssatz.

      Da der Nettocashflow prognosefähig und dauerhaft gleichbleibend zu erwarten ist, resultiert daraus unter Anwendung von Formel (8) der Unternehmenswert i.H.v. 700 000 Euro:

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      Für Carlo Neumeier stellt sich sein Käufergrenzpreis als Maximalpreis dar, denn er darf für den Erwerb der Kanzlei „Tippe“ höchstens 700 000 Euro ausgeben, um nach dem Kauf nicht schlechter dazustehen als zuvor. Erwirbt er das Unternehmen tatsächlich zu diesem Betrag, so realisiert er danach Ausschüttungsströme aus dem Unternehmen, die er zuvor nicht hatte. Seine Konsummöglichkeiten verbessern sich um 70 000 Euro. Allerdings muss Neumeier zur Finanzierung des Kaufpreises ein Darlehen i.H.v. 700 000 Euro aufnehmen und an die Bank jährlich 70 000 Euro Zinsen (= 700 000 Euro · 10 %) zahlen. Dadurch ändert der Kauf der Kanzlei zu 700 000 Euro per Saldo nichts an den Konsummöglichkeiten, die Carlo Neumeier offen stehen. Sie bleiben der Größenordnung nach unverändert.

       II. Gesamtertragsprinzip: Fehlerhafte Vernachlässigung nicht finanzieller Vorteile

       1. Erläuterung

      Zwar mag der Leser einwenden, dass nicht finanzielle Vorteile eher eine intellektuelle Spielwiese und in der harten Finanzwelt fehl am Platze sind, doch diese Annahme ist falsch. Nicht finanzielle Vorteile beherrschen das tägliche Leben der Menschen, und fast jede Kaufentscheidung, die sie treffen, ist auch nicht finanziell motiviert: Manche Menschen leisten sich einen teuren Sportwagen, obwohl sie auch mit einem Kleinwagen von A nach B kämen, und fast alle scheuen – wenn sie es sich leisten können – den Erwerb eines Billigfabrikats aus einem technischen Entwicklungsland, obwohl es doch viel preiswerter ist als ein heimisches Fabrikat. Aber es klappert mehr und bleibt vielleicht häufiger liegen als ein einheimisches Produkt. Fast alle Menschen sind bereit, sich die nicht finanziellen Vorteile des Fahrvergnügens, der sicheren Beförderung und des Nichtliegenbleibens auf der Autobahn etwas kosten zu lassen. Das Gleiche gilt für den Kauf von Kleidung und Nahrung. Hier ist der Preis nur eine von vielen Entscheidungsdeterminanten. In zahlreichen Fällen wird er von nicht finanziellen Aspekten wie Geschmack, Gesundheit, Aussehen und Prestigedenken überlagert, so dass die Kunden regelmäßig nicht zur billigsten Alternative greifen.

      Wenn aber fast alle Entscheidungen der Menschen, so sie es sich finanziell leisten können, auch maßgeblich von nicht finanziellen Erwägungen getragen werden, dann stellt sich die Frage, wieso dies bei dem Kauf eines Unternehmens, der oft eine Lebensentscheidung erfordert, gerade nicht auch der Fall sein sollte (und darf).

      Der Ausweg aus dem Dilemma besteht darin, dass sich der Unternehmensbewerter


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